Michael Utsch

Rituelle Gewalt – Empfehlungen an Politik und Gesellschaft

Schon vor 20 Jahren wurde im Endbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Sog. Sekten und Psychogruppen“ das Thema rituelle Gewalt in einem eigenen Kapitel behandelt. Seit 2010 sind viele Berichte über sexuellen Missbrauch an die Öffentlichkeit gelangt. Menschen berichteten über gewalttätige Übergriffe von Personen, von denen sie abhängig waren und denen sie vertraut hatten. Im Abschlussbericht der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Jahr 2011 wurde ausdrücklich auf rituelle Gewalt im Kontext ideologischer Gruppen hingewiesen. Im Bilanzbericht des vom Bundesfamilienministerium eingerichteten „Fonds Sexueller Missbrauch“ im Jahr 2013 heißt es, dass bis zu 5 % der Straftaten im Rahmen von sektenähnlichen Gruppen stattgefunden hätten. Um mehr Licht in dieses Dunkel zu bringen, wurde im Familienministerium im Jahr 2016 der Fachkreis „Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen“ eingerichtet.

Mitte April 2018 wurden auf einer Fachtagung im Ministerium „Empfehlungen an Politik und Gesellschaft“ vorgestellt, die dieser Fachkreis erarbeitet hat (www.kinderschutz-zentren.org/Mediengalerie/1523343454_-_Fachkreis_Empfehlungen_2018_web.pdf). Darin werden Maßnahmen zur Prävention und Intervention beschrieben, um die Hilfe für Betroffene zu stärken. Neben Verbesserung der Forschungs- und Datenlage in interdisziplinärer Kooperation und rechtlicher Unterstützung für Betroffene wird ein Netzwerk zur Ausstiegsbegleitung gefordert, um schädigende Kontakte zu Tätern und Täterinnen dauerhaft zu beenden und Raum zu erhalten, destruktive innere Prozesse zu stoppen, aufzuarbeiten und auflösen.

Die Fachtagung, die in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren und ECPAT Deutschland (Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung) veranstaltet wurde, wandte sich mit der Erläuterung der Empfehlungen des Fachkreises an die Öffentlichkeit. Damit wurde ein wichtiger Schritt getan, weil es für Menschen mit derartigen Gewalterfahrungen äußerst schwer ist, Gehör zu finden und angemessene Unterstützung zu erhalten. Auch die kirchliche Weltanschauungsarbeit sollte hier ihre Kompetenzen und Ressourcen einbringen – nicht nur im kritischen Dialog.


Michael Utsch, 01.05.2018