Atheismus

„Religion ist lächerlich“. Zum Filmstart von „Religulous“

„Über Religion muss man sich gar nicht lustig machen, denn sie präsentiert sich selbst schon lächerlich genug! Aber natürlich mache ich mich dann doch jedes Mal wieder darüber lustig – einfach der guten Gags und Lacher wegen“ (www.religulous.centralfilm.de). So kommentiert der US-Komiker und Talkmaster Bill Maher seinen „satirischen Dokumentarfilm“, der an einer umfassenden und objektiven Darstellung religiösen Glaubens in keiner Weise interessiert ist, sondern eher als unterhaltsamer atheistischer Propagandafilm zu bezeichnen ist. Maher, dessen Karriere als Stand-up Comedian begann, ist vor allem durch seine Talkshow „Politically Incorrect“ bekannt geworden. Sie wurde 2002 aufgrund von Äußerungen Mahers zum 11. September 2001 abgesetzt, die Anstoß erregt hatten.

Sein Film „Religulous“, der Anfang April in den deutschen Kinos startete, ist die populäre Form des „neuen Atheismus“. Religion wird darin unterschiedslos auf Fundamentalismus reduziert und durch die Brille eines fundamentalistischen Atheismus betrachtet, der die Welt von gefährlicher religiöser Unvernunft befreien will. Spätestens am Ende des Films macht Maher seine Mission deutlich und hebt an – unterlegt von Gefechtsbildern, wuchernden Atompilzen und Umwelt vergiftenden Schloten – auf den Steinen von Megiddo in Israel zu predigen: „Religion muss sterben, damit die Welt leben kann ... Werdet erwachsen oder geht unter“. Die Menschen und ihre Glaubensvorstellungen, die er bis dahin präsentiert hat, sollen den destruktiven und verwirrenden Charakter von Religion entlarven.

Das Eingangszitat beschreibt treffend das Vorgehen Mahers in seinem Film, dessen Titel mit den Worten religious (religiös) und ridiculous (lächerlich) spielt: Maher gibt seine Gesprächspartner, die er über ihre Glaubensvorstellungen befragt, der Lächerlichkeit preis. Dabei versteht er sein Geschäft der Unterhaltung und verschenkt keine Pointe. Für den schlagfertigen Maher ist es ein Leichtes, mit smarter Überheblichkeit seine größtenteils wenig beredten und gebildeten Opfer mit zum Teil in der Tat bizarren Glaubensvorstellungen aufs Glatteis zu führen und in Widersprüche zu verwickeln. Und es bereitet ihm sichtlich Vergnügen. Seine Gesprächspartner findet er in einer Truckerkirche, einem Bibel-Freizeitpark oder einem Kreationismus-Museum, in dem gezeigt wird, wie Menschen einst friedlich mit Dinosauriern zusammengelebt haben. Gespräche mit christlichen Fundamentalisten, einem jüdischen Antizionisten, Ex-Mormonen und Scientologen, mit einem reich gewordenen Prediger, der meint, Jesus habe auch „feines Leinen“ getragen, und mit einem Lateinamerikaner, der sich als Messias ausgibt, werden unterschiedslos nacheinander geschnitten. Eben das ist der Blick des Films auf Religion: Unterschiede spielen keine Rolle; es ist alles gleich absurd.

Seine Gesprächspartner bringt Maher ins Schleudern – entweder indem er sie mit Erkenntnissen konfrontiert, die aus der historisch-kritischen Exegese bekannt sind, oder indem er selbst jegliche Glaubensaussagen wortwörtlich versteht und sie allein dadurch lächerlich macht. Ein Beispiel dafür gibt an anderer Stelle der Produzent des Films Larry Charles (der auch den in der Machart ähnlichen Film „Borat“ produziert hat, in dem Sascha Baron Cohen Amerikaner lächerlich macht): „Eben jener Space-Gott, der im Himmel wohnt und Macht über wirklich alles und jeden hat, beschließt, dass er einen Sohn haben möchte und schwängert deswegen eine Frau, die dabei trotzdem jungfräulich bleibt. Das gemeinsame Kind kann dann später übers Wasser laufen und Tote wiederauferstehen lassen. Aber sein Vater, der Gott aus dem Weltall, schickt ihn auf eine Selbstmordmission um die Menschheit zu retten. Als er schließlich stirbt, steht auch er wieder von den Toten auf und fliegt ins Weltall, um bei seinem Vater zu sein (der er übrigens selbst ist!). Griechische Mythen? Ein neuer ,Herr der Ringe’-Teil? Oder ein Zeichentrickfilm aus dem Hause Disney? Nein! Das sind die Grundpfeiler westlicher Religion ...“ (www.religulous.centralfilm.de).

Es ist dies nicht nur ein rhetorischer Trick der atheistischen Filmemacher, mit dem sie auf fundamentalistische Glaubensvorstellungen ihrer amerikanischen Landsleute reagieren, sondern es scheint tatsächlich ihrer Vorstellung von Religion zu entsprechen. Im Film jedenfalls begibt sich Maher selbst auf ein Niveau, auf dem vernünftige Gespräche unmöglich werden. So konfrontiert er einen seiner Gesprächspartner mit dem Gedanken, dass die Vorstellung, der Weihnachtsmann bringe weltweit allen Kindern gleichzeitig Geschenke, dasselbe sei wie die Vorstellung, Gott höre „alle gleichzeitig flüstern“. Er fährt fort mit einem wörtlich verstandenen Jona im Wal und sagt „Ich bin keine 10!“ Im Film weigert er sich, religiöse Vorstellungen anders als auf diesem Niveau zu verstehen. Trifft er auf differenziert denkende Gesprächspartner, nimmt er gern deren Kritik an bestimmten religiösen Vorstellungen mit, ohne sich mit ihnen auf eine Diskussion über ihren Glauben einzulassen. Als eine junge Muslima in den Niederlanden beginnt, ihre differenzierte Sicht auf den Koran darzulegen, unterbricht sie Maher mit dem Einwurf, das sei nicht, wie der Koran gelesen wird. In einem anschließenden Kommentar zu dieser Szene unterstellt er ihr, dass sie mit ihrer Lesart sich und ihm etwas vormache.

Hier wird ein Zug des neuen Atheismus deutlich, der sich auch in der Diskussion des „blasphemischen Quartetts“ zeigte, die im Anschluss an die in Berlin veranstaltete Preview des Films stattfand: Präsentiert sich Religion anders als fundamentalistisch mit einem wortwörtlichen Verständnis der Heiligen Schriften, wird deren Vertretern von den Atheisten ihr Christsein, Judesein bzw. Moslemsein abgesprochen. Differenzierte Sichtweisen gelten ihnen offenbar als inkonsequent, als intellektuell unredlich. Vernunft und Glaube sind aus dieser Sicht nicht zu versöhnen; hier gibt es nur ein Entweder-oder, und wer den Glauben wählt, steht unverrückbar mit einer gefährlichen Unvernunft im Bunde.

In einem Beitrag zum Film unterscheidet Michael Schmidt-Salomon, der Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung, zwischen fundamentalistischen „Religioten“, die der Film zeige, und „Pseudoreligioten“, zu denen er „die überwältigende Mehrheit gläubiger Menschen“ in Mitteleuropa zählt. „Pseudo-Religioten klingen zwar mitunter religiotisch, sie meinen es aber gar nicht so! Bedauerlicherweise führt der ungewöhnliche Sprachgebrauch der Pseudo-Religioten immer wieder zu Missverständnissen. So habe ich mich in den letzten Jahren regelmäßig auf öffentlichen Podiumsdiskussionen mit Theologen gestritten, die, wie ich beim abschließenden Biere feststellen konnte, in Wirklichkeit keine Spur gläubiger waren als ich“ (http://hpd.de/node/6606/pdf).

Bei der Podiumsdiskussion „Das blasphemische Quartett“ im Anschluss an die Preview des Films dominierte die Auffassung, dass doch alles Religiöse eins sei: Unfug. Zu Film und Diskussion hatte die Giordano Bruno Stiftung in das Kino Babylon in Berlin eingeladen, und gut 260 Besucherinnen und Besucher waren gekommen. Unter der Moderation von Schmidt-Salomon nahmen der Comiczeichner Ralf König, die Schriftstellerin Esther Vilar und der Musiker, Texter und Autor Michael Kernbach auf dem Podium Platz. Ralph König meinte etwa, dass ihm ein Pfarrer, der seine Zweifel in seinen Glauben integriere, unheimlich sei. Schmidt-Salomon sprach ergänzend von „Christen, die den Begriff des Christseins selbst aushöhlen“. Allein Michael Kernbach zeigte einen Willen zur Unterscheidung und verglich religiösen Fundamentalismus und Fanatismus mit Hooligans im Sport: „Trotzdem kann man ins Stadion gehen“. Er plädierte für ein „Religionshopping“, um Verschiedenes zu testen, und erwärmte sich für die Idee von Religions-Freizeitparks, in denen man sich „die Religionen anschauen“ könne. Esther Vilar nahm Bezug auf ihr Buch „Die Schrecken des Paradieses“, in dem sie Fragen über das Jenseits stelle, „die sich Religiöse nicht stellen oder nicht zu stellen trauen“, etwa über das Sexualverhalten von Engeln und Ernährung im Paradies. Eine solche naturalistische Beschäftigung mit religiösen Motiven offenbarte allerdings – wie der ganze Abend – wenig Sinn für Religion.


Claudia Knepper