„Realighting“ - eine esoterische Behandlungsmethode

Die Methode „Realighting“ wurde von der Münchener Diplom-Psychologin Ingrid Hack (geb. 1947) entwickelt. In ihrem Buch „Davon will ich mich befreien! Alte Muster endlich los werden – Realighting“ (München 1998, 52004) beschreibt sie das Besondere ihrer Vorgehensweise. Es wird in Aussicht gestellt, „alte Programmierungen auf einzigartige und verblüffend wirksame Weise zu transformieren“. Diese Kurztherapie soll ermöglichen, „einschränkende Gewohnheiten und Verhaltensmuster sofort und dauerhaft in neue Lebensqualität umzuwandeln“.

Das Kunstwort „Realighting“ setzt sich nach Angaben ihrer Begründerin aus den einzelnen Bestandteilen der Methode zusammen: Die REALität, die ALchimie, LIGHT, das Licht, sowie ALIGHT, was Frau Hack mit aussteigen, sich niederlassen deutet.

Das Verfahren gliedert sich in zwei Teile. Im „therapeutischen Teil“, für den etwa 45 Minuten vorgesehen sind, wird zunächst die Entstehungsgeschichte von negativen Gefühls-, Verhaltens- und Denkreaktionen eines Klienten analysiert. Dadurch sollen die Entstehungszusammenhänge falscher Denk- und Glaubensmuster erkannt werden. Kern der Methode ist das nun folgende Imaginations-Ritual. Die in der Phantasiereise gewonnenen Erkenntnisse sollen jetzt mit Hilfe „alchimistischer“ Überzeugungen ein für alle Mal verwandelt werden. In diesem 15-minütigen „Umwandlungsprozess“ soll ein negatives Denkmuster bildlich aus dem Körper genommen und zerstört werden („Nimm in deiner Vorstellung eine große Hand-Kaffeemühle und zerstöre die Buchstaben eines negativen Musters, z.B. s-i-c-h g-e-k-r-ä-n-k-t f-ü-h-l-e-n“). Das verbleibende Pulver soll „durch eine Visualisierung von heilendem Licht transformiert werden und in die Erde der inneren Landschaft gesät werden, so dass etwas Neues entsteht“. Diese „Neue“ soll nun ein gänzlich anderes Grundgefühl vermitteln können, welches die alten Muster endgültig löscht. Durch die Anwendung solcher sog. alchimistischer Prinzipien könne mit dieser Selbstheilungsmethode „Niederes“ ganz einfach in „Höheres“ umgewandelt werden. Danach, so lautet die Zusage, können alte Verhaltensmuster „nie mehr ausgelöst werden“.

Den entscheidenden Anstoß zu dieser Methode erhielt Hack durch den Hofman-Quadrinity-Prozess, einer umstrittenen, weil stark konfrontativen Psychotechnik. Dieses Vorgehen bezeichnet Hack als die Grundlage ihrer Methode, die sie „alchimistisch“ weiterentwickelt habe. Um den inneren Transformationsprozess zu unterstützen, empfiehlt Hack weitere esoterische Verfahren wie die Bach-Blütentherapie und die Reinkarnationstherapie.

Die Methode des „Realighting“ hat sich in den letzten Jahren durch die rege Vortrags- und Seminartätigkeit von Frau Hack sowie die Ausbildung zahlreicher Realighting®-Trainer in Deutschland bis in kirchliche Kreise hinein ausgebreitet. Einzelsitzungen können auch telefonisch durchgeführt werden, 60 Minuten für 80 Euro. In einem Tagesseminar können nach Angaben der Begründerin auch zwei Muster transformiert werden.

„Realighting“ ist ein typisches Beispiel des lebendigen Psychomarkts, weil es esoterische Glaubensüberzeugungen – hier die Alchimie – mit bewährten psychologischen Vorgehensweisen vermischt. Jedoch widerspricht diese Methode an zahlreichen Stellen dem psychologischen Wissensstand über seelische Störungen und ihrer wirksamen Heilbehandlung:

• Das Versprechen sofortiger und dauerhafter Heilung innerseelischer Konflikte ist fachlich nicht haltbar. Zwar sind durch gruppendynamische Steuerungen und durch die Konzentration auf Visualisierungen kurzfristige Effekte zu erzielen. Es ist jedoch unmöglich, durch ein einziges Ritual Charakterstrukturen zu ändern und dauerhaft neue Lebensqualität herzustellen. Beobachtungen, nach denen zahlreiche Klienten den Realighting-Prozess öfter durchlaufen, belegen diese Tatsache und stehen im Widerspruch zu den in Aussicht gestellten Wirkungen.

• Der Kern dieser Methode beruht auf esoterisch-okkulten Vorstellungen, die mit einer fachlichen Vorgehensweise unvereinbar sind. So spielen in dieser „Alchimie der Seele“ Lichtstrahlen, Schutzgeister und dergleichen eine zentrale Rolle. Und im Vorwort ihres Buches bedankt sich Frau Hack für mediumistische „Durchsagen“ aus einer höheren Welt.

• Die Entstehungsgeschichte einer neurotischen Fehlentwicklung kann unter Umständen zutreffend analysiert werden, jedoch ist ihre „Löschung“ in einer magisch aufgeladenen Phantasiereise durch den Klienten selber nicht möglich. Diese naive Vorstellung widerspricht dem aktuellen Wissensstand über die Entstehung und Beseitigung psychischer Störungen.

• Die magisch aufgeladene Phantasiereise (z.B. „Pulverisierung negativer Muster“) kann bei labilen Menschen zu Irritationen und neuen Ängsten, unter ungünstigen Umständen zu einer Retraumatisierung führen.

• Als wichtigste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Veränderungsprozess werden genannt: das eigene negative Muster erkennen, es treffend benennen und der feste Wille, es loszuwerden. Damit wird der Behandlungserfolg ausschließlich an die Willenskraft des Klienten geknüpft. Wenn der Erfolg ausbleibt, ist nicht die Methode gescheitert, sondern der Klient aufgrund seiner Willensschwäche.

Michael Utsch