Ethik

Peter Singer von Philosophiefest ausgeladen

Der australische Philosoph und Bioethiker Peter Singer (geb. 1946) gilt als ein Begründer der Tierethik. Der Princeton-Professor ist eine seit Jahrzehnten umstrittene Figur. In seinen Büchern fordert er die Auflösung der Hierarchie zwischen Mensch und Tier und wurde damit zu einem wichtigen Impulsgeber der Tierrechtsbewegung. 2011 hat er von der Giordano-Bruno-Stiftung dafür einen Ethik-Preis erhalten. Als Vertreter des Utilitarismus orientiert er sich streng am Maßstab der Nützlichkeit und hat schon früher durch seine Äußerungen über aktive Sterbehilfe und die Diskreditierung von Behinderten vehemente Proteste hervorgerufen. In seinem Buch „Muss dieses Kind am Leben bleiben?“ (1993) hat der Wissenschaftler z. B. dargestellt, warum es legitim sein könne, behinderte Neugeborene in den ersten 28 Tagen umzubringen. Die Neugeborenen hätten keine Selbstwahrnehmung. Über die Lebensqualität behinderter Kinder und deren Weiterleben soll nach seiner Ansicht ein Gremium entscheiden.

Am 26. Mai 2015 hat Singer den nach ihm selbst benannten und mit 10 000 Euro dotierten „Peter-Singer-Preis für Strategien zur Tierleidminderung“ erhalten. Die Preisverleihung in Berlin war von Protesten überschattet. Behindertenverbände, christliche Lebensschützer und linke Gruppen demonstrierten vor dem Veranstaltungsgebäude. Aus Sicherheitsgründen deklarierten die Organisatoren die Preisverleihung zu einer geschlossenen Veranstaltung. Die Laudatio sollte Michael Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung halten. Kurzfristig hatte dieser aber abgesagt, weil Singer in einem aktuellen Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung Positionen vertreten habe, die im Widerspruch zu einem humanistisch-emanzipatorischen Politikverständnis stünden.

Das umstrittene Interview, in dem Singer lebenswertes Leben zu definieren versuchte und behauptete, eine Welt ohne behinderte Menschen sei eine bessere, hat weitere Konsequenzen hervorgerufen. Der Philosoph war als ein Hauptredner zum Internationalen Festival der Philosophie nach Köln eingeladen worden, wo er Ende Mai den Vortrag „Retten Veganer die Welt?“ halten sollte. Die Verantwortlichen des Philosophiefestes sagten unter Berufung auf die kruden Äußerungen in dem Interview die Veranstaltung mit Peter Singer ab.

Eine von rasanten Veränderungen geprägte Bioethik – im Juli wird der Deutsche Bundestag etwa über fraktionsübergreifende Gruppenanträge zum Thema Sterbehilfe diskutieren – erfordert gerade angesichts weltanschaulicher und philosophischer Vielfalt klare theologische Argumente. Kaum auszumalen, was mit Mensch und Gesellschaft geschehen wird, wenn die Menschenrechte und das Gemeinwohl der individuellen Nutzenmaximierung zum Opfer fallen!


Michael Utsch