Gesellschaft

Originalhandschrift des Maya-Kalenders im Internet

Die Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) in Dresden hat ihre 800 Jahre alte Maya-Handschrift mit kalendarischen Angaben digitalisiert und zusammen mit zahlreichen Informationen frei zugänglich ins Internet gestellt. Der Codex Dresdensis gilt als das älteste und am besten erhaltene Buch der Maya. Er besteht aus 39 doppelseitig beschriebenen Blättern aus Feigenbaumrinde und enthält Almanache für Glücks- und Unglückstage, Almanache für die Landwirtschaft, Weissagungskalender, astronomische Tafeln, rituelle Vorschriften und zahlreiche Götterdarstellungen. Die Schrift gilt als Schlüsseldokument für die Entzifferung der Maya-Hieroglyphen und für die Erforschung der Astronomie und Zeitrechnung der Maya. Seit 1739 befindet sich der Codex im Besitz der Kurfürstlichen Bibliothek zu Dresden. Davor war er aus dem vermutlichen Besitz eines Spaniers in die Hände eines Privatmannes in Wien gelangt. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Codex als Maya-Handschrift erkannt. Nach heutigem Kenntnisstand handelt es sich um eine Abschrift oder Neuausgabe einer älteren, nicht erhalten gebliebenen Vorlage aus dem Südgebiet der klassischen Mayakultur. Der Codex wurde vermutlich im 13. Jahrhundert verfasst. Neben der Dresdner Handschrift gibt es noch zwei weitere zweifelsfrei originale Codices in Madrid (Codex Tro-Cortesianus) und Paris (Codex Peresianus).

Die Maya benutzten drei verschiedene Kalenderzyklen: einen am Lauf der Venus orientierten Ritualkalender von 260 Tagen, einen Sonnenkalender von 365 Tagen und einen Kalender, der die Tage fortlaufend zählte. Zur Zeit des Eintreffens der Spanier zählten die Maya die Tage fortlaufend in einer zyklischen kurzen Zählung, die sich alle 256 Jahre wiederholte. Der Dresdner Oberbibliothekar Ernst Wilhelm Förstmann fand jedoch 1887 das Prinzip der „Langen Zählung“ der Maya heraus. Demnach zählten die Maya die Tage fortlaufend seit einem mehrere tausend Jahre zurückliegenden Nulldatum 4 Ahau 8 Cumku. Nach der wahrscheinlichsten Berechnung, der „Goodman-Martínez-Thompson-Korrelation“, beginnt diese Zählung in unserer Zeitrechnung im Jahr 3114 v. Chr. und endet im Jahr 2012 n. Chr. Nach anderen Berechnungen, die versuchen, die Lange Zählung der Maya mit unserer Zeitrechnung zu korrelieren, ist der Kalender bereits vor mehreren hundert Jahren abgelaufen oder wird erst in gut 200 Jahren abgelaufen sein. Wissenschaftler sehen keinen Hinweis darauf, dass die Maya mit dem Ablauf der Langen Zählung Weltuntergangsvorstellungen verbanden. Wahrscheinlich beginnt die Zählung einfach wieder von vorn.

Allerdings findet sich im Codex Dresdensis die Darstellung einer kosmischen Katastrophe. Sie zeigt eine Flut, die durch ein Himmelskrokodil, Finsterniszeichen und einen Unterweltgott hervorgebracht wird. Nach Angaben der Bibliothek bezieht sich die Darstellung auf die bei den mittelamerikanischen Völkern verbreitete Vorstellung der mehrmaligen Schöpfung und Vernichtung der Welt. So glaubten die Maya, dass ihrer bestehenden Welt bereits drei andere Welten vorausgegangen seien. Diese Vorstellungen regen in der Gegenwart offensichtlich vor allem im esoterischen Kontext dazu an, den Ablauf der Langen Zählung der Maya mit Weltuntergangsvorstellungen zu verbinden.

Der Codex ist in der Schatzkammer des Buchmuseums der Staatsbibliothek in Dresden zwischen zwei Glasplatten ausgestellt. Nach Angaben des Museums kommen jährlich etwa 4000 Besucher, um die Handschrift zu sehen. Für das kommende Jahr rechnet die Bibliothek mit einem wesentlich größeren Besucheransturm. Die Bibliothek hat mehrere Veranstaltungen rund um den Kalender für 2012 geplant. Am 21.12.2012, dem Tag, an dem die Kalenderzählung nach der wahrscheinlichsten Berechnung abläuft, soll eine Survival-Party gefeiert werden. Mit der Digitalisierung der Handschrift kommt die Bibliothek nach Auskunft des Direktors Thomas Bürger einem großen Interesse aus aller Welt von „Wissenschaftlern, Privatleuten und ‚Freaks’“ an der Handschrift entgegen. Mit der Veröffentlichung im Internet will die Bibliothek für gute Informationen und Transparenz sorgen.

Das Original kann im Dresdner Buchmuseum in der Hauptstelle der Bibliothek (SLUB) im Zellschen Weg 18 besichtigt werden. Die Schatzkammer ist montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Jeden ersten Sonnabend im Monat wird um 14 Uhr eine öffentliche Führung angeboten. Der Eintritt ist frei (www.slub-dresden.de/sammlungen/handschriften/maya-handschrift-codex-dresdensis).


Claudia Knepper