Johannes Fischler

New Cage. Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt

Johannes Fischler, New Cage. Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt, Molden Verlag in der Verlagsgruppe Styria, Wien/Graz/Klagenfurt 2013, 288 Seiten, 19,99 Euro.

Zweifelsohne hat der Autor eine gründliche Recherche durchgeführt, die ihn an Inhalte und Arbeitsweisen der (neuen) Esoterik-Szene herangeführt hat. Der Inhalt dieser Untersuchung lässt sich in einem sarkastischen Zitat zusammenfassen: „Die User sollen ... keinem Guru hinterherlaufen, sondern, viel besser noch, ihrer Intuition. Immerhin wurde ihnen der Zugang zu dieser ominösen inneren Instanz schon lange vorab mit allerhand Seminaren, Büchern und Audioguides erheblich erleichtert. Viel leichter ist logischerweise nun auch ihre Geldbörse, die sie – nicht minder intuitiv – hierfür geplündert haben“ (184). Drei Stichworte des Buchtitels lassen sich anhand dieses Zitates gut erläutern und kommentieren.

„New Cage“, mit hervorgehobenem „C“, wodurch aus „New Age“ (neues Zeitalter) nunmehr „New Cage“ (neuer Käfig) wird, beschreibt Esoterik als ein Marktphänomen. Der Autor hat sich gründlich mit den Fragen des modernen Marketings und seinen psychologischen Hintergründen befasst. Entsprechend findet man im Buch oft Hinweise auf ähnliche Konzepte, die bei ihren Kundinnen und Kunden ein passendes Bewusstsein voraussetzen oder erzeugen. Genannt werden dafür vor allem mehrfach als Beispiele die Verkaufserfolge und Strategien von Apple und der Computerspielbranche, deren Produkt „World of Warcraft“ der Autor passend in „World of Soulcraft“ umbenennt. Das Hauptprodukt der (neuen) Esoterik ist ein Bewusstseinswandel bei den Kundinnen und Kunden selbst. Dieser schaltet bei ihnen die Vernunft aus und betont Intuition und eine Art religiöse Fantasie. Fischler: „Die wahren Gefängnisse sieht man nicht, die sind im Kopf“ (20).

„Esoterik 2.0“ spielt auf die neue Qualität sozialer Netze an und markiert den derzeit zu beobachtenden Übergang in ein neues Konzept von Esoterik. Aufs Ganze gesehen ist jedoch ebenso zu sehen, dass zusätzlich zur Nutzung sozialer Netze weiterhin gewöhnliche „Hardware“ wie Bücher, Kartendecks, Duftöle usw. sowie Dienstleistungen in der Gestalt von Seminaren mit persönlicher Betreuung angeboten werden. Außerdem bezieht sich der Autor in der Recherche auf alte Esoterik-Größen wie Blavatsky und Steiner. Eine wirklich neue Esoterik gibt es also gar nicht, sondern nur neue Verbreitungs- und Vermarktungsformen.

Der ökonomische Erfolg der neuen „spirituellen“ Branche ist bemerkenswert. Er fußt nicht auf strukturellen Abhängigkeiten, wie sie teilweise aus sektiererischen Gruppen bekannt sind, vielmehr nehmen die Unternehmer von vornherein ihre Kundinnen und Kunden mit ins Boot, ermuntern und ermächtigen sie, unterstützt durch Fortbildungen und Seminare, eine eigene Rolle auf dem Esoterik-Markt zu spielen. Da sie dazu freilich „fachkundige“ Unterstützung benötigen, entsteht auf diese Weise eine indirekte Abhängigkeit. Die Unternehmen sollen daran nicht unerheblich verdienen.

Als Hauptdefizit des Buches empfindet der Rezensent, dass der Autor an keiner Stelle ökonomisch verifizierbare Zahlen wie recherchierte Jahresumsätze, Börsenkurse und bezifferte Vermögen nennt. Zudem bezieht sich der Autor fast nur auf den Informatik- oder Gaming-Markt, andere Bereiche werden nicht berücksichtigt (z. B. Touristik, Modellbau, Sportartikelmarkt). So muss man – sicher gegen die Intention des Autors – dem Buch die Information entnehmen, dass es sich beim Esoterik-Markt um eine Nischen-Ökonomie handelt, die bei einigen gutgläubigen oder spirituell interessierten Menschen funktionieren mag, eine gesellschaftliche Breite jedoch nicht erreicht. Der Autor steht jeder Form von Glauben und Intuition kritisch gegenüber. Seine Warnung, sich nicht leichtfertig auf die Verlockungen des Marktes einzulassen, ist jedoch so allgemein anwendbar, dass sie als Ergebnis eines so breit angelegten Buches zu dünn erscheint. Die Polemik, die das Buch durchzieht, wirkt durch die fehlenden Belege aufgeblasen und rechthaberisch.


Christoph Fleischer, Werl