Psychoszene

Neue Richtlinie für ethisches Verhalten im Coaching

(Letzter Bericht: 7/2014, 243-251) Die Berufsbezeichnung „Coach“ ist in Deutschland nicht gesetzlich geschützt. Folglich bestehen auch keine verbindlichen Vorschriften über Qualitätsstandards oder Ausbildungsnormen und keine ethischen Richtlinien für dieses wachsende Tätigkeitsfeld. Abhilfe will der „Roundtable der Coachingverbände“ (RTC) schaffen. In dieser im Jahr 2005 gegründeten Interessengemeinschaft sind über ein Dutzend der größten deutschsprachigen Coachingverbände engagiert. Diese Verbände vertreten rund 54 000 Mitglieder, gut 85 Prozent der in Verbänden organisierten Coachs.

2015 legte der RTC das von seinen Mitgliedsverbänden beschlossene Positionspapier „Profession: Coach“ vor (www.roundtable-coaching.eu/profession-coach). Darin wird ein gemeinsames Grundverständnis des Coachings dargestellt, und einheitliche Standards zum Kompetenzerwerb werden beschrieben. Auch zur Vorgehensweise des Coachings und seiner gesellschaftlichen Bedeutung sowie zur Abgrenzung von anderen, verwandten Beratungsformen nimmt die Vereinbarung Stellung. Die lange Zeitspanne von einem Jahrzehnt von der Gründung des RTC bis zur Veröffentlichung des Positionspapiers verdeutlicht, wie komplex die Einigung auf gemeinsam vertretene Qualitätskriterien gewesen sein muss. Gerade deshalb sind die Ausdauer und die Bemühungen des RTC-Netzwerks zu würdigen, denn ein übergreifender Dachverband mit verlässlichen Kriterien für Ausbildung und Titelschutz dieses modernen Berufs fehlen bis heute.

Der aktuelle Coaching-Markt kann mit der experimentierfreudigen Psychoszene der 1980er Jahre verglichen werden. Die heutige Berater-, Trainings- und Coaching-Szene weist neben seriös arbeitenden und gut ausgebildeten Coachs leider auch eine Vielzahl von Vertretern mit fragwürdigen Qualifikationen auf. In der Psychotherapie ist der Wildwuchs an Therapieschulen und selbsternannten Therapeuten inzwischen durch Wirksamkeitsforschung, das Psychotherapeutengesetz aus dem Jahr 1999 und die Verkammerung dieses Heilberufs stark eingedämmt worden. Um auch im Coaching zukünftig die Spreu vom Weizen zu trennen, empfiehlt sich ein analoges Vorgehen. Die aktuelle Entwicklung zielt dabei deutlich auf mehr Professionalisierung und wissenschaftliche Forschung – schon knapp ein Dutzend Hochschulen bieten akkreditierte Master-Studiengänge „Coaching“ an (www.coaching-index.de/auswahl-von-coaching-ausbildungen/cs.html#c13329 ).

Ein Ziel des RTC ist es, Coaching-Nachfragende vor unseriösen Angeboten zu schützen und ihnen Zugang zu gut ausgebildeten und verantwortungsbewussten Beratern zu bieten. Manche Verbände reden an dieser Stelle Klartext. In den Ethik-Richtlinien einiger Verbände heißt es: „Unsere Mitglieder wenden weder Techniken von L. Ron Hubbard an, noch sind sie Mitglied einer Organisation, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung entgegensteht oder diese in Frage stellt.“ Ein anderer Verband hat einen eigenen „Sachverständigenrat Coaching“ als Anlaufstelle ins Leben gerufen, der bei unklaren Situationen in Coaching-Beziehungen und Fragen zur Methodenkompetenz, zu Settings, Qualitätsansprüchen und Haftungsproblemen Beratung anbietet (www.dbvc.de ).

Mit der im April 2018 veröffentlichten Richtlinie „Ethisches Verhalten im Coaching“ hat nun der RTC einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Qualitätssicherung getan. Ziel dieser Ethikrichtlinie ist es, sowohl der Fachöffentlichkeit als auch allen aktuellen und zukünftigen Klientinnen und Klienten und deren Auftraggebern mehr Orientierung zu zentralen inhaltlichen Fragen zu bieten. Zum Glück hat die Veröffentlichung der Ethikrichtlinie nicht mehr so lange gedauert wie die Verabschiedung des Positionspapiers.

Mit dieser Ethikrichtlinie soll die Reflexion des eigenen beruflichen Handelns der Coachs angestoßen werden. Sie soll die Klienten vor unethischem Handeln von Coachs schützen und das Ansehen des Berufsstandes in der Öffentlichkeit fördern. Ein wesentlicher Bestandteil der Richtlinie beschäftigt sich mit der Grundeinstellung des Coachs. Es wird eine reflektierte dialogische Grundhaltung empfohlen, aus der heraus die Beziehung verlässlich, offen und stimmig gestaltet werden soll. Coachs sollen ihren Beruf nach bestem Wissen und Gewissen ausüben sowie den aktuellen fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen. Dazu sei eine kontinuierliche Fortbildung nötig. Ausdrücklich wird die Bezugnahme auf sektiererische oder esoterische Praktiken ausgeschlossen. Alle im RTC organisierten Verbände verpflichten sich, dass ihre Mitglieder in verbindlicher Weise diese Richtlinie befolgen.

Ein weiterer Bestandteil der Ethikrichtlinie beschreibt die Beziehungen zu Klienten, Auftraggebern und Kollegen. Coachs sollen das Schutzbedürfnis ihrer Klienten achten sowie Diskretion, Takt und Rücksicht wahren. Coachs und ihre Klienten sollen voneinander emotional und finanziell unabhängig sein. Über das professionelle Maß hinausgehende emotionale Bindungen werden verboten.

Unter der Ethikrichtlinie sind die 14 Coachingverbände gelistet, deren Vorstände dieses „Commitment“ zum ethischen Verhalten im Coaching unterzeichnet haben. Um die fachliche Auseinandersetzung mit weiteren Qualitätsmerkmalen professionellen Coachings zu fördern, lädt der RTC zu monatlichen Online-Diskussionsabenden ein.


Michael Utsch