Matthias Neff

„Neue Räume - neues Land“?

Die „Stiftung Gemeinde ohne Mauern international“ in Wehingen

Im Laufe der vergangenen Jahre sind im großen Umfang Menschen in das mit etwa 450 Einwohnern relativ kleine saarländische Wehingen und in die daran angrenzenden Orte zugezogen. Sie gehören zur christlich-charismatischen Stiftung Gemeinde ohne Mauern international – Community without walls (GoM) die dort, nahe der Saarschleife, ihr Zentrum aufgebaut hat1. 600 Menschen gehören zu GoM, davon leben 250 im Saarland2, die meisten, etwa 150, in Wehingen. Einer Meldung des evangelikalen Nachrichtendienstes „Dawn Europa“ vom November 2001 zufolge nehmen an den Gottesdiensten der GoM etwa 250 Personen teil3 und auf ihrer Internetseite bezeichnete sich die GoM selbst als eine der am schnellsten wachsenden Gemeinden in Deutschland4.

„Von Gott gesetzt“ – Struktur, Leitung, Selbstverständnis und Aktivitäten

Die Geschichte der GoM reicht bis zum Anfang der 90er Jahre zurück. Sie ist aus dem „Christlichen Zentrum Saarlouis“ im nordsaarländischen Beckingen entstanden, aus dem später die „Christengemeinschaft Powerhaus“ wurde, mit Sitz in Saarlouis5. „Powerhaus“ wurde 1992 ins Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts eingetragen. Mit dem Ankauf der alten Grundschule wurde das Gemeindezentrum eigenen Angaben zufolge im November 1994 in das etwa 30 km entfernte Wehingen verlegt, einen Ort in einem strukturschwachen Gebiet, bedingt durch die Randlage im Grenzgebiet zu Luxemburg und Frankreich. Vermutlich wurde „Powerhaus e. V.“ etwa gleichzeitig in „Gemeinde ohne Mauern e.V.“ umbenannt. Im November 2001 wurde schließlich die Errichtung der Stiftung „Gemeinde ohne Mauern international – Community without walls“ im Amtsblatt des Saarlands bekannt- gegeben6.

Auf dem ehemaligen Schulgelände wurde, neben der zum Gemeindezentrum umgebauten ehemaligen Grundschule ein zwischenzeitlich offenbar fertiggestelltes Hotel „His Place“ mit 45 Betten, einem Restaurant und einem Wellnessbereich errichtet.

Am 17. Juli 2005 weihte die GoM im elf Kilometer entfernten Merzig-Hilbringen ein neues Gemeinschaftszentrum „His Place“7 ein. In angemieteten Räumlichkeiten entstanden ein großer Versammlungsraum mit etwa 400 Plätzen, ein Fernsehstudio und Buchladen. In einem Nebengebäude gibt es verschiedene kleinere Räume, die sich offenbar auch als Klassenzimmer nutzen lassen.

Für die Zukunft hat die Gemeinde große Pläne und weit reichende Visionen. In der Gemeindezeitschrift „Koinonia“8 ist unter der Überschrift „Erweiterung. Neue Räume – neues Land“ von einem „reformatorischen Ruf“ Gottes an die GoM die Rede, einer „geistlichen Erweiterung“, die der „natürlichen“ folge. Man erwartet beispielsweise in den kommenden Jahren „zu Konferenzen und Seminaren Gäste aus 34 Nationen“.

„Gründer und Pastoren“ der GOM sind die Eheleute Irene („Magi“) und Wayne Negrini, die lange in den USA gelebt haben und eigenen Angaben zufolge 1992 aufgrund eines „Rufes Gottes“ aus Amsterdam ins Saarland gekommen sind. Sie verstehen sich selbst als „Leiter von Leitern“ und werden als „kraftvolle Visionäre“ bezeichnet, die „täglich sehen, wie die Kraft des Heiligen Geistes Christen befreit, heilt und wiederherstellt“. Während Wayne Negrini, der aus den USA stammt, als „prophetischer Gospelsänger“ bezeichnet wird, kommt der aus Österreich stammenden Irene Negrini durch die Fähigkeit des „apostolischen Gabesprechens“ offenbar der besondere Rang einer Prophetin zu. Beide „Gründer“ haben eigenen Angaben zufolge weder eine theologische Ausbildung absolviert noch eine Jüngerschaftsschule besucht. Vielmehr verstehen sie ihr Pastorenamt unter „direkter Führung des Heiligen Geistes“. Ihr Lebensziel ist es, „dem Herrn in einer solchen Art und Weise zu dienen, dass andere Personen zugerüstet werden Ihm zu folgen als erwachsene Söhne Gottes (...). Beide legen einen sehr hohen Wert darauf, Eltern und Mentoren zu sein und auf Leiterschaftstraining (...). Jünger werden nicht geboren, sondern sie werden gemacht.“9 Zu diesem Zweck unterhält die GoM eine Jüngerschaftsschule bzw. ein „Zurüstungs- und Trainingszentrum“, das sich als eine „von Gott gesetzte Wohngemeinschaft“ versteht, in der auch Pastoren ausgebildet werden. Diese Ausbildung, die nicht mit einer akademischen theologischen Ausbildung an einer Universität oder Fachhochschule verglichen werden kann, dauert nach eigenen Angaben etwa 1 bis 3 Jahre.

Zu den vielfältigen Aktivitäten gehören Seminare wie „Schule des heiligen Geistes“, „Gottes Stimme erkennen“, Kindererziehungs-, Ehe- und Identitätsseminare, aber auch Seminare für Führungskräfte, die sich als „Demutsseminare“ verstehen10.

Der Gesundheitsvorsorge kommt im Programm der GoM eine wichtige Rolle zu. Dazu gehören Kurse zur Ernährung aus christlicher Sicht, wobei der „Reinigung“ auch in der geistlichen Praxis der GoM offenbar ein großer Stellenwert beigemessen wird. Angeblich sollen in der GoM auch Menschen durch die Kraft des Glaubens von schweren Krankheiten, z.B. Krebs, geheilt worden sein, so auch Frau Negrini selbst.

Seit Gründung der GoM gibt es Gebetsgemeinschaften, Hauskreise, Bibelgruppen, Glaubenskurse, Besinnungstage und Seminare nicht nur in den Räumlichkeiten der GoM, sondern auch in saarländischen Orten der näheren Umgebung, etwa in Homburg, Überherrn, Merzig-Brotdorf und Schwalbach11. Auch in anderen Bundesländern, insbesondere im sächsischen Erzgebirge, gibt es offenbar Gruppen, Treffen und Gottesdienste der GoM, zu denen die Wehinger Pastoren regelmäßig reisen. Es ist davon auszugehen, dass nicht nur in Deutschland, sondern darüber hinaus auch in den Benelux-Ländern und in der Schweiz Menschen leben, die sich der GoM zugehörig betrachten.

„Wahre Gemeinde“ – die „Gemeinde ohne Mauern“ im christlichen Spektrum

Die GoM unterscheidet sich von Gemeinden aus dem neocharismatischen Spektrum im deutschsprachigen Bereich vor allem durch die große Zahl der Menschen, die ihr bisheriges soziales und berufliches Umfeld aufgeben, um im unmittelbaren räumlichen Umfeld der GoM leben zu können. Eine rechtsverbindliche Mitgliedschaft gibt es jedoch erklärtermaßen nicht, auch nicht für diejenigen, die die Gemeinde mit dem „Zehnten“ ihres Einkommens finanzieren. Auch aus diesem Grund wurde die Rechtsform des eingetragenen Vereins aufgegeben und durch die der Stiftung ersetzt. Die Anforderungen an die Zugehörigkeit sind dagegen sehr hoch: „Keine Person, die sich zu Gemeinde ohne Mauern zählt, kann sich auf die Mitgliedschaft auf dem Papier verlassen, sondern muss diese immer mit Leben füllen.“12

Die GoM versteht sich nicht als Denomination, Organisationsformen sind ihr „nicht sehr wichtig. Es geht uns nicht um Kirche und Gebäude, sondern wir sind ein Teil des weltweiten Leibes Christi: Familie Gottes. Wir sind eine Bewegung von Menschen, die Jesus Christus von Herzen nachfolgen und über Konfessionsgrenzen hinweg Gemeinschaft suchen. Deshalb bauen wir keine Mauern; vielmehr streben wir danach, alle Mauern zu zerstören, die uns voneinander trennen, damit alle teilhaben können an Jesus Christus und seiner Liebe.“ Neben den altkirchlichen Bekenntnissen wird „die Glaubensbasis der Evangelischen Allianz von 1846 (in sprachlicher Überarbeitung von 1972)“ 13 bejaht.

Die GoM gehört keinem der in Deutschland bekannten Zusammenschlüsse evangelikaler bzw. charismatischer Gemeinden an. Es gibt jedoch Verbindungen zu „Powerhouse Christian Fellowship“ in Kalifornien / USA14. Eigenen Angaben zufolge unterhält die GoM nicht näher benannte „konkrete internationale Beziehungen“, beispielsweise nach Russland, in die Ukraine und nach Afrika. Möglicherweise wirkt sie dort in Form eigener Vereine. So bezeichnet z.B. der in der Ukraine als „Ukrainisch-Deutscher Wohltätigkeitsfond“ tätige „Nehemia-Freundeskreis e.V.“15, 08236 Ellefeld, das Ehepaar Negrini als „unsere Pastoren“16.

Die GoM bezeichnet sich zwar als „überkonfessionell“ und fühlt sich laut Satzung der „Förderung der Einheit der Christen“ verpflichtet, was jedoch nicht im Sinne einer ökumenischen Orientierung zu verstehen ist. An ernsthaften und verbindlichen ökumenischen Kontakten, beispielsweise zu den örtlichen katholischen Pfarrgemeinden bzw. evangelischen Kirchengemeinden, hat die GoM bisher kein erkennbares Interesse gezeigt. Dem entspricht auch ihre Taufpraxis, nach der anscheinend unterschiedslos auch bereits getaufte Christen nach Aufnahme in die Gemeinde getauft werden. Die Ursache liegt im offenbar exklusivistischen Selbstverständnis der GoM, das den eigenen Frömmigkeitsstil im Sinne eines Ausschlusskriteriums mit dem authentisch Christlichen identifiziert: Sie versteht sich als „wahre Gemeinde“, die – im Sinne der von der Wassertaufe zu unterscheidenden Geisttaufe – „aus allen gläubigen Christen (besteht), die von neuem geboren sind, unabhängig von konfessioneller Herkunft oder Zugehörigkeit“.

Dieses Kriterium trifft nach Auffassung der GoM offenbar auf die Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche nicht zu. Die evangelischen und katholischen Christen aus dem traditionell christlich geprägten Wehingen kommen als Christen nicht in den Blick. So nimmt es nicht wunder, dass der evangelikale Nachrichtendienst „Dawn Europa“ im November 2001 die Frage stellte, ob nicht die hohe Zahl der dort lebenden Angehörigen der GoM Wehingen zum „christlichsten Dorf Deutschlands“17 macht.

Die pfingstlich-charismatische Prägung der GoM, bei der die direkte Erfahrbarkeit des Heiligen Geistes eine zentrale Rolle spielt, wird auch in ihren Gottesdiensten bzw. Versammlungen deutlich: Sie sind bestimmt durch „Hochheben der Hände, Klatschen, Singen und Jubeln, Tanzen, Singen und Beten in anderen Zungen, Weissagung, gemeinsames Beten, Altarruf und Gebet mit Handauflegung“. Befreiungsdienste und Weissagungen gehören ebenso zur Praxis der GoM. Letztere richten sich an persönliche Adressaten. Vor allem ist eine starke christlich-fundamentalistische Prägung erkennbar, damit verbunden eine erhebliche Skepsis gegenüber der modernen Kultur und den modernen Natur- und Humanwissenschaften und den daraus resultierenden Einstellungen, etwa zu religiösen, wissenschaftlichen oder politischen Fragen. Dies äußert sich z.B. in der Bewertung der Evolutionstheorie, die als widergöttlich abgelehnt wird, und in der Unterstützung der Partei bibeltreuer Christen (PBC)18.

Das Wachstum der GoM kommt offenbar zum überwiegenden Teil durch die Konversion bereits getaufter Christen zustande, also durch ein sog. „Transferwachstum“. Nicht nur weite Teile des Saarlands, sondern auch das Erzgebirge, aus dem viele Menschen nach Wehingen kommen, sind, wenn auch in sehr unterschiedlicher Weise, stark und traditionell christlich geprägt. Es bleibt fraglich, ob die Gemeinde überhaupt im größeren Umfang auch Menschen ohne religiöse Bindung und christliche Sozialisation erreicht.

Das Entstehen einer christlichen Gemeinde wie der GoM ist nur auf dem Hintergrund der Entwicklungen innerhalb des christlichen Spektrums in den vergangenen zwanzig Jahren zu verstehen. In dieser Zeit haben sich neben den Volkskirchen und den „klassischen Freikirchen“ (Denominationen) neue, unabhängige und autonome Gemeinden gebildet, die in der Regel keinem Gemeindeverband der Freikirchen angehören und als „nicht-denominationell“ bezeichnet werden, weil sie quer zu einer Einordnung in das konfessionelle Schema stehen, welches das christliche Spektrum in Deutschland bzw. Europa prägt19.

Mauern bauen oder überwinden?

Konflikte im Binnenbereich und im Gemeinwesen

Es ist nicht verwunderlich, dass der Aufbau eines solchen Zentrums nicht ohne Konflikte vor sich geht. Einige dieser Konfliktbereiche werden im Folgenden kurz angerissen und skizziert. Sie betreffen nicht nur die alteingesessene Bevölkerung, sondern auch die Mitglieder der GoM bzw. deren Angehörige.

„Den Plan Gottes erkennen und in die Tat umsetzen“

Die Tatsache, dass Menschen aus Gründen der Zugehörigkeit zur GoM ihre Arbeitsstellen, Häuser und ihr bisheriges soziales Umfeld aufgegeben haben, um nach Wehingen zu ziehen, wirft ganz spezifische Probleme auf. Wer sich in diesem Umfang von einer religiösen Gruppe abhängig macht, geht grundsätzlich ein hohes Risiko ein. Kommt es zu einer späteren religiösen Neuorientierung, die mit dem Selbstverständnis der GoM nicht vereinbar ist, oder werden die Anforderungen als zu hoch erlebt, wirkt sich das nicht nur auf den religiösen Bereich, sondern auf alle Lebensbereiche der Betroffenen aus und macht in der Regel eine umfassende Neuorientierung ihres Lebens unumgänglich. Erhebliche familiäre Probleme sind vorprogrammiert, wenn nicht beide Partner nach Wehingen ziehen wollen oder die noch nicht volljährigen Kinder den Umzug ablehnen.

Die GoM führt in Wehingen ein relativ isoliertes Eigenleben und legt, von missionarischen Aktivitäten abgesehen, großen Wert auf die Unterscheidung von der übrigen „Welt“, die nach Aussagen von Insidern offenbar als bevorzugter Wirkungsbereich dämonischer Mächte gesehen wird. So beteiligen sich die Mitglieder der Gemeinde in der Regel nicht am örtlichen Vereinsleben und bleiben weitgehend unter sich. Sogar Urlaubsreisen werden mit mehreren Bussen regelmäßig gemeinsam unternommen, sodass man sich auch während des Urlaubs im Binnenbereich der Gruppe bewegt.

Der Zuzug von Menschen hält trotz erheblichem Mangel an Wohnraum in Wehingen und Umgebung ungebrochen an. Die Gemeinde bzw. einzelne Mitglieder besitzen zwar Häuser. In diesen Häusern wohnen die Menschen jedoch zum Teil ausgesprochen beengt, wie beispielsweise eine vierköpfige Familie, die, nachdem sie ihr Haus in einem saarländischen Ort verkauft hatte, über Jahre hin in nur zwei Zimmern lebte. Daneben gibt es offenbar nach Geschlechtern getrennte Wohngemeinschaften für Unverheiratete. Innerhalb dieser Wohngemeinschaften scheint es wenig Stabilität, sondern häufige Fluktuationen, vermutlich auch angeordnete Umzüge zu geben.

Es gibt immer wieder Berichte über das Zerbrechen von Familien und Ehen, von Kontaktabbrüchen, auch Kontaktverboten. Angehörige, die der GoM distanziert gegenüber stehen, äußern immer wieder die Vermutung, sich die Verbindung zu ihren im Bereich der GoM lebenden Angehörigen durch „Wohlverhalten“ erkaufen zu müssen. Darüber hinaus gibt es Berichte über Probleme, die im Zusammenhang mit der „geistlichen Praxis“ der GoM auftreten20. Zu nennen sind hier besonders das ausgesprochen elitäre Selbstbewusstsein, der offenbar ausgeprägte Dämonenglaube und die den Gründungspastoren zugeschriebene exklusive direkte Beziehung zu Gott sowie Prophezeiungen, die ganz konkrete Adressaten haben21.

„Wir haben die Kraft, den Ort auf den Kopf zu stellen“

Die Ansiedlung einer religiösen Gemeinschaft mit den oben genannten Eigenheiten bedeutet für ein Gemeinwesen wie die relativ kleine Ortschaft Wehingen eine erhebliche Umstellung und auch Belastung. Die eingesessenen Bewohner erleben die GoM weitgehend als „Dorf im Dorf“, deren Angehörige ihnen als einheitliche Gruppe entgegentreten, ein ausgeprägtes Eigenleben führen und an Kontakten, von missionarischen Aktivitäten abgesehen, nicht interessiert sind.

Die Sozialstruktur der GoM bringt es mit sich, dass jetzt viele junge Familien und Kinder in Wehingen leben, weit mehr als im Durchschnitt der angrenzenden Ortschaften. In der örtlichen Grundschule gibt es bereits Schulklassen, die zum überwiegenden Teil aus Kindern der GoM bestehen. Damit sind vielfältige Probleme verbunden, so z.B. die Frage der Betreuung der Kinder, deren Eltern die Teilnahme am konfessionellen Religionsunterricht ablehnen. Im Saarländischen Schulgesetz ist Ethikunterricht für die Grundschule nicht vorgesehen. Auf Klassenelternversammlungen sollen Eltern der GoM geäußert haben, dass sie aus religiösen Gründen für sich das Recht in Anspruch nehmen, die Anschaffung bestimmter Schulbücher zu verweigern oder Unterrichtsthemen abzulehnen, wenn sie bestimmte Fragestellungen in einer Weise aufgreifen, die sie nicht teilen. Letzteres ist bereits bei Passagen aus Otfried Preusslers Kinderbuch „Die kleine Hexe“ geschehen. Ähnliches könnte sich im Fall der Evolutionstheorie und vielen anderen Themen wiederholen.

Seit mehreren Jahren gibt es Bemühungen der GoM, die darauf abzielen, eine eigene Grundschule als „Bekenntnisschule“, die „Schule mit Herz“, zu gründen. Dazu wurde ein eigener Verein22 ins Leben gerufen, der auf den ersten Blick einen Zusammenhang mit der GoM nicht erkennen lässt. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob das Binnenmilieu der GoM auf diese Weise in den schulischen Bereich hinein verlängert werden soll. Diese Pläne gewinnen angesichts der aktuellen Schulpolitik der saarländischen Landesregierung, nach der aus finanziellen Gründen 2005/2006 eine große Zahl von Grundschulen geschlossen wurde, eine zusätzliche Brisanz.

Ähnliche Probleme ergeben sich im Bereich der Kindertagesstätten. Dort beklagen Einheimische aus Wehingen vor allem, dass ihre Kinder keinen Platz im örtlichen Kindergarten erhalten, weil die Anzahl der vorhandenen Kindergartenplätze zu gering ist. Auch stellt sich die Frage, ob die GoM angesichts ihrer erheblichen Skepsis gegenüber den modernen Natur- und Humanwissenschaften und daraus resultierender Einstellungen als Träger der außerschulischen Jugendarbeit anerkannt werden wird.

Die GoM hat sich im Hinblick auf ein direktes Engagement in der Kommunalpolitik lange zurückgehalten. Für die Kommunalwahl im Juni 2004 hat sie jedoch erstmals eine eigene Liste für den Ortsrat aufgestellt, die „Freie Liste Wehingen“. So konnten ein Pastor, der Geschäftsführer der Stiftung und ein weiteres langjähriges Mitglied der GoM in das Gremium einziehen, in dem die GoM nun über ein Drittel der Mandate verfügt23. Eine solche Entwicklung ist im deutschsprachigen Bereich höchst ungewöhnlich, wahrscheinlich sogar singulär. Es bleibt abzuwarten, wie sich das kommunalpolitische Engagement der GoM weiter gestalten wird. Allein die Tatsache, dass ein Engagement innerhalb der bestehenden politischen Strukturen und Parteien abgelehnt wird, wirft die Frage auf, ob die „Freie Liste Wehingen“ in erster Linie Partikularinteressen der GoM durchsetzen will. Ihr Engagement hinsichtlich der Frage der Erschließung von zunächst 20, später insgesamt 55 neuen Bauplätzen durch die Umwidmung bisher dafür gesperrter Flächen scheint das zu bestätigen.

Mit der Ansiedlung der GoM stiegen die Immobilienpreise in Wehingen erheblich. Einheimische Interessenten für Immobilien werden immer wieder von Angehörigen der GoM überboten. Die erschlossenen Bauplätze sind weitgehend bebaut, die bereits erwähnte Erschließung von Neubaugebieten innerhalb des Orts ist umstritten. Während die GoM sich für die Erschließung neuer Bauplätze einsetzt, lehnen viele eingesessene Einwohner dieses Bestreben im Blick auf die Größe der Ortschaft ab. Sie befürchten weitreichende Konsequenzen, denn die GoM würde dadurch die Mehrheit bei der Besetzung des Ortsrats stellen können.

Die Expansion der GoM bereitet vielen eingesessenen Bürgern in Wehingen und Umgebung seit langem Unbehagen und Sorge. Von einer breiteren Öffentlichkeit wurden diese Entwicklungen hingegen erst seit 2005 durch die Berichterstattung der Medien wahrgenommen. Ein Umstand, der sicher auch mit der weitgehend fehlenden Öffentlichkeitsarbeit der GoM selbst zu tun hat. Erst im Laufe des Jahres 2004 veröffentlichte die GoM eine eigene Internetseite, die inzwischen mehrmals überarbeitet wurde24. Das Saarländische Fernsehen sendete im September 2005 den ersten Beitrag25, der sich kritisch mit den Entwicklungen in Wehingen auseinandersetzte. Unter der Überschrift „Irgendwann haben sie das ganze Dorf. Ein Ort im Saarland fühlt sich überrannt: von einer christlichen Gemeinde, die vielen dubios erscheint“ folgte eine Reportage in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“26, in der auch Menschen zu Wort kommen, die die GoM verlassen haben. Schließlich erschien im Januar 2006 unter dem Titel „Gott so nah, den Nachbarn fern“ eine Reportage in der „Saarbrücker Zeitung“27. Eine direkte, von außen erkennbare Reaktion der GoM auf diese Berichte ist bisher nicht erfolgt. Allerdings wird seitdem die Gemeindezeitschrift „Koinonia“ nicht mehr im Internet veröffentlicht.

Ausblick

Ob sich das Zusammenleben in Wehingen in Zukunft verbessern wird, bleibt angesichts der aktuellen Entwicklungen dahingestellt. Lediglich im Hinblick auf räumliche Engpässe durch fehlende Parkplätze bei Gottesdiensten und größeren Veranstaltungen der GoM ist durch die Eröffnung des neuen Zentrums in Hilbringen eine gewisse Entspannung eingetreten. „Wir haben die Kraft, den Ort auf den Kopf zu stellen, aber weder das Recht noch die Absicht“ beschreibt Michael Döbrich, ehemaliger Methodistenpfarrer aus dem Erzgebirge und jetzt Pastor der GoM, die gegenwärtige Situation. Dagegen ist aus Sicht vieler eingesessener Wehinger Bürger seit langem ein solcher Veränderungsprozess im Gange, der den Ort bereits bis an seine äußerste Belastungsgrenze geführt hat. Das sieht Döbrich anders. Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass die Angehörigen der GoM „nicht nur glauben, sondern den Glauben leben und vertreten“. Diejenigen, die wünschten, dass sich die GoM mehr in das Gemeinwesen einbringt, „wissen nicht, um was sie bitten“28.


Matthias Neff, Trier


Anmerkungen

 1 „Stiftung Gemeinde ohne Mauern international – Community without walls“, Südallee 2, 66693 Mettlach-Wehingen (www.gemeinde-ohne-mauern.com).

 2 Quelle: Saarbrücker Zeitung v. 14./15.1.2006, Autor: Harald Knitter.

 3 Dawn Europa, Freitagsfax 45/01, 23.11.2001.

 4 Unter http://gemeinde-ohne-mauern.com, Version 2004.

 5 Titzstr. 19a, 66740 Saarlouis.

 6 Amtsblatt des Saarlands, Jg. 2001, ausgegeben am 29.11.2001, Nr. 53, 2065-2112. 23.10.2001 Bekanntmachung gemäß § 17 des Saarländischen Stiftungsgesetzes vom 11. Juli 1984 (geändert durch Gesetz vom 26. Januar 1994) über die Errichtung der Stiftung „Gemeinde ohne Mauern international – Community without walls“.

 7 Merziger Str. 20, 66663 Merzig-Hilbringen.

 8 Koinonia Juli-September 2005

 9 Unter www.gemeinde-ohne-mauern.com, Version 2004.

10 Unter http://gemeinde-ohne-mauern.com/HisPlace/Seminare.htm

11 Programm vom Mai 2002.

12 Unter http://www.gemeinde-ohne-mauern.com/Selbstverstaendnis.htm

13 Unter http://www.gemeinde-ohne-mauern.com/Selbstverstaendnis.htm

14 Unter www.powerhousechurch.com

15 „Der Verein versteht sich als überkonfessionelles, christliches Missions- und Hilfswerk. Die Ausbreitung der biblischen Botschaft und die Übernahme sozialer Verantwortung kennzeichnen gleicherweise die Arbeit des Vereins im In- und Ausland“ (http://www.nehemia-freundeskreis.org/map/ueber%20die%20page/satzung.shtml).

16 Unter http://www.nehemia-freundeskreis.org/map/berichte/arbeitsbericht03.shtml.

17 Dawn Europa, Freitagsfax 45/ 01, 23.11.2001.

18 Dazu erschien in der Koinonia ein ausführlicher Kommentar von Michael Döbrich.

19 Siehe dazu: Neue Freikirchen als Phänomen innerchristlicher Pluralisierung, EPD-Dokumentation Nr. 8, Frankfurt a. M., 17. Februar 2003, darin insbesondere die Beiträge von Reinhard Hempelmann und Harald Lamprecht.

20 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 9.10.2005, 68, Autorin: Julia Schaaf.

21 Saarbrücker Zeitung v. 14./15.1.2006.

22 Christlicher Schulverein Saarland e.V., mit Sitz in 66787 Wadgassen, eingetragen beim Amtsgericht Saarlouis, VR 1083.

23 Unter http://www.mettlach.de/02_verwaltung/raete2.htm.

24 Unter www.gemeinde-ohne-mauern.com.

25 Saarländisches Fernsehen, Magazin „Mag’s“ vom 29.9.2005, Autor: Martin Honnigfort.

26 Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 9.10.2005, 68.

27 Saarbrücker Zeitung vom 14./15.1.2006, 3.

28 Ebd.