Yukio Matsudo

Neue Entwicklungen innerhalb der Soka Gakkai

Der Beitrag (MD 2/2017, S. 58-62) ist als pdf-Datei abrufbar:
Neue Entwicklungen innerhalb der Soka Gakkai

 

Neue Entwicklungen innerhalb der Soka Gakkai

Bei der japanischen buddhistischen Laienorganisation Soka Gakkai (SG) haben sich in den letzten beiden Jahren neue Entwicklungen ergeben, die eine drastische Wende in ihrer gesamten Ausrichtung und neue Perspektiven im Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit anderen buddhistischen Gemeinschaften eröffnen könnten.

Die SG war eine Laienorganisation des Nichiren-Shōshū-Haupttempels (abgekürzt: NSH) und hatte ihre neureligiöse Bewegung konsequent an der NSH-Doktrin ausgerichtet. Dabei zeichnet sich die traditionelle NSH-Doktrin eindeutig durch einen radikalen Absolutheitsanspruch aus, den NSH als die „einzig wahre“ Nichiren-Schule zu proklamieren, während alle anderen Nichiren-Schulen und Religionen als „falsch“ und „häretisch“ betrachtet werden. Aufgrund dieser radikalen Gesinnung des Wahrheitsanspruchs konnte die SG in der Nachkriegszeit große Erfolge verzeichnen, sah sich jedoch gleichzeitig mit einer Reihe von massiven Konflikten und heftiger Kritik vonseiten der japanischen Gesellschaft konfrontiert.

Vor diesem Hintergrund schien dann die Trennung der SG vom NSH im Jahr 1991 den Beginn eines Loslösungsprozesses anzudeuten und positive Entwicklungen zu versprechen. Ich nahm zum damaligen Zeitpunkt kritisch Stellung zu den dogmatischen,exklusivistischen Elementen in der NSH-Doktrin und entwickelte in diesem Zusammenhang ein neues Nichiren-Verständnis mit dem humanistischen Ansatz einer „globalen Laienbewegung“. Mein Buch „Nichiren, der Ausübende des Lotos-Sūtra“dokumentiert den Beginn des Loslösungsprozesses der SG vom NSH und berichtet daher durchaus neutral bis wohlwollend über Nichiren und die SG.1

Die SG hielt jedoch im Wesentlichen weiterhin an der NSH-Doktrin fest, da noch viele ältere Funktionäre und Mitglieder stark darin verhaftet waren und sich nicht so schnell umorientieren konnten. So fand de facto keine nennenswerte Veränderung hinsichtlich der Gesinnung und der Verhaltensweise der Mitglieder sowie der Organisationsstruktur statt. Diese problematische „Tiefenstruktur“ habe ich konkret am Beispiel der Soka Gakkai International-Deutschland (SGI-D) analysiert und kritisch aufgezeichnet, wie sehr manche Mitglieder unter der Indoktrinierung aufgrund des exklusivistischen Anspruchs auf die Alleinheiligkeit und unter den unheilsamen Praktiken der Polarisierung, Ausgrenzung und Verleumdung gelitten haben.2

Die Trennung der SG/SGI vom NSH im Jahr 1991 vollzog sich also lediglich auf der institutionellen Ebene und zum damaligen Zeitpunkt noch lange nicht auf der doktrinären Ebene. Dies geschah erst 23 Jahre später.

Neueste Entwicklungen

SG-Präsident Harada verkündete am 7. November 2014 eine Revision der SG-Doktrin, die am nächsten Tag in der Tageszeitung der SG, Seikyo Shinbun, veröffentlicht wurde. Eine Erläuterung dieser doktrinären Änderung durch die SG-Studienabteilung erfolgte am 29. und 30. Januar 2015 im gleichen Medium.

Die SG hat damit offiziell verkündet, dass sie auf den „Glauben an den Dai-Gohonzon“ verzichtet. Das bedeutet den Verzicht auf die Quelle des Absolutheitsanspruchs des NSH und der SG selbst. In der NSH-spezifischen Doktrin geht es einzig und allein um das (angeblich) einzigartige Original-Mandala Nichirens, den „Dai-Gohonzon“, der das Heiligtum im Besitz des NSH und das „einzig wahre Objekt der Verehrung“ (honzon) darstellt. Die Besonderheit des Dai-Gohonzon im Unterschied zu allen anderen Formen des Mandala-Gohonzon besteht darin, dass der Dai-Gohonzon allein als die „Verkörperung der erleuchteten Seele Nichirens“ gilt, wobei Nichiren als der „ewige Urbuddha“ – ursprünglicher als der Urbuddha Shakyamuni im 16. Kapitel des Lotos-Sutra selbst – nahezu vergöttlicht wird. Der Dai-Gohonzon ist demnach der einzig gültige, wahre Mandala-Gohonzon, und erst in Verbindung mit diesem erhält jeder vom NSH ausgegebene Gohonzon für den Haushalt die Authentizität als dessen Abschrift. Alle anderen Mandalas und Gohonzons außerhalb des NSH werden als falsch, häretisch und verleumderisch betrachtet. Dies gilt selbst für alle weiteren noch vorhandenen Original-Mandalas Nichirens, die sich vorwiegend im Besitz der Nichiren-Shū befinden.

Der Dai-Gohonzon stellt also die Grundlage für den exklusiven Absolutheitsanspruch dar, dass der NSH die „einzig wahre Schule Nichirens“ sei. Die SG/SGI hatte von Anfang an diese exklusivistische Haltung des NSH übernommen und konsequent ausgeübt. Vor diesem Hintergrund wurde ebenfalls behauptet, dass die SG die „einzige wahre Organisation“ für Kōsenrufu (Weltfrieden durch Verbreitung des Nichiren-Buddhismus) sei, während alle anderen Nichiren- und auch nicht-Nichiren-buddhistischen Schulen sowie alle anderen Religionen falsch und verleumderisch seien.

Erst jetzt vollzog die SG die endgültige Trennung vom NSH. Sie verzichtet auf ihren problematischen Absolutheitsanspruch und ist damit faktisch offen für eine neue Ausrichtung. Dadurch verfügt sie heute über das große Potenzial, eine positive Entwicklung einzuleiten.

Die Drei Großen Esoterischen Gesetze

In der Lehre des NSH spielt die Doktrin der „Drei Großen Esoterischen Gesetze“ die entscheidende Rolle, wobei dem Dai-Gohonzon in jeder Hinsicht die zentrale Bedeutung zukommt. Doch nach der Zurückweisung des exklusivistischen Glaubens an den Dai-Gohonzon im November 2014 spielt für die SG dieses besondere Mandala keine Rolle mehr. Die neue Doktrin der SG über die Drei Großen Esoterischen Gesetze wurde von der Studienabteilung der SG jetzt offiziell so erläutert:

1. Der Honzon: Das bedeutet, dass alle Mandala-Gohonzons gültig sind, die von Nichiren selbst eingeschrieben oder auch von Priestern abgeschrieben worden sind – die SG verzichtet auf die bisherige Doktrin des NSH, dass der Dai-Gohonzon der einzig wahre Gohonzon sei und dass nur die Gohonzons, die in Verbindung zu diesem Dai-Gohonzon stehen, gültig seien. Die SG bestimmt nunmehr selbst, welcher Gohonzon in der SG benutzt wird, während sie alle anderen Mandala-Gohonzons, die sich im Besitz aller anderen Tempel befinden, als legitim anerkennt.

2. Das Daimoku: Das ist das Daimoku von Nam-myōhō-renge-kyō, das man als Mantra rezitiert.

3. Das Kaidan: Das ist jeder Ort, an dem man Daimoku vor dem Mandala-Gohonzon rezitiert – SG verzichtet somit auf die exklusivistische Deutung des NSH, dass der Ort, an dem der Dai-Gohonzon eingeschreint ist, die einzige heilige Stätte sei.

Aufgrund der Entwicklungen in der SG ist also unbedingt darauf zu achten, aus welcher Zeit welche Aussagen stammen.3

Zweifache Trennung der SG vom NSH

Die SG hat also im Hinblick auf ihre Rahmenbedingungen zwei große Einschnitte erfahren, durch die sie sich gezwungen sah, ihre Doktrin zu ändern. Der erste, für die Mitglieder weitaus tiefere Einschnitt erfolgte, wie gesagt, in der Exkommunikation durch den NSH im Jahr 1991. Als Laienorganisation des NSH war die SG hinsichtlich der zwei wichtigsten Angelegenheiten auf den NSH angewiesen: auf die doktrinäre Auslegung und auf die Vergabe des Mandala-Gohonzon. Nach der Trennung begann die SG, den Gohonzon eigenständig an ihre Mitglieder zu verleihen, damit sie zu diesem vor dem Altar zu Hause praktizieren konnten. Der Mandala-Gohonzon, der zuvor sozusagen für einzelne Haushalte verliehen wurde, war immer – zumindest vom doktrinären Anspruch des NSH aus – eine Abschrift (ausgedruckte Kopie) des Gohonzon, den der jeweilige Hohepriester auf der Grundlage des Dai-Gohonzon angefertigt hatte. Nach der Trennung entschied sich die SG für denjenigen Gohonzon als Vorlage zur Verleihung an die Mitglieder, der von Nichikan, dem 26. Hohepriester des NSH (1665 – 1726), eingeschrieben worden war. Dieser Gohonzon wurde der SG zu diesem Zeitpunkt von einem Tempel, der sich ebenfalls vom Haupttempel getrennt hatte, zur Verfügung gestellt.

Der zweite Einschnitt betrifft die Änderung des „Artikels über den Glauben“ in der SG-Satzung vom November 2014, in der die SG sich endgültig vom NSHverabschiedet hat. Dies stellt eine Erschütterung der Grundlage auf der doktrinären Ebene der SG dar, jedoch nicht so sehr auf der allgemeinen Ebene der Mitglieder, die sich schon lange mit der Abwesenheit von Tempel und Priester sowie dem Verbot von Pilgerfahrten zum Dai-Gohonzon im NSH abgefunden haben. Dieser Kurswechsel der SG/SGI zieht jedoch eine weitere wichtige Konsequenz in der neuen Orientierung der Laienbewegung nach sich.

Ansätze für eine Neuausrichtung

Mit der jüngsten doktrinären Änderung verkündet die SG den Beginn einer neuen Ära der SG als „Weltreligion“. Kōsenrufu (s. o.) wird daher auch mehr im Sinne des Prozesses verstanden, in dem die SG/SGI-Mitglieder ihre „menschliche Revolution“ und den „Humanismus“ im Sinne der Achtung der Menschenrechte vorantreiben sowie sich für das Glück aller Menschen und die Verwirklichung des Weltfriedens einsetzen (s. SG-Studienabteilung). Die alte Verbreitungsmethode des Shakubuku, das lange als eine aggressive Bekehrungsmethode von „Brechen und Unterwerfen“ angesehen wurde, wird heutzutage von der SGI im Zuge ihrer Loslösung von dem NSH vollkommen anders praktiziert und hat in dieser Entwicklung auch eine neue inhaltliche Ausrichtung erfahren. Das bedeutet konkret in der Praxis der SG/SGI, dass das Wort Shakubuku seinen fanatischen Zwangscharakter und seine aggressive Bedeutung verloren hat und im Sinne eines normalen, vernünftigen Gesprächs zur Einführung in den Nichiren-Buddhismus verwendet wird.4

Es ist für die SG/SGI als eine laienbuddhistische Bewegung charakteristisch, sich mit Konzerten, Vorträgen zu kulturellen, ökologischen und friedenspolitischen Themen u. a. „für die Bereicherung der Gesellschaft durch Friedensaktivitäten und die Förderung von Kultur und Erziehung zu engagieren“.5 Diese Aktivitäten schaffen zweifelsohne eine positive Präsenz und leisten einen positiven Beitrag in der Gesellschaft. Auf lokaler Ebene finden auch diverse Versammlungen in den Wohnungen der Mitglieder statt.6 Gerade diese Aktivitäten der einzelnen Mitglieder sind insbesondere als die eigentliche Basis der SGI-D hervorzuheben. Denn insgesamt lässt sich die „moderne“ Ausrichtung der SGI nicht nur als „engagierter“, sondern auch als „reformierter Buddhismus“ charakterisieren.7 Die folgenden positiven Aspekte sind in der Form des Nichiren-Buddhismus, wie er in der SGI als „Laienbuddhismus“ rezipiert und praktiziert wird, begründet:

  • Das Daimoku-Chanten stellt eine Mantra-Meditation dar, um in sich selbst nicht nur Ruhe und Frieden zu finden, sondern auch die Buddhaschaft (Buddha-Natur) zu aktivieren.
  • Die Aktivierung der Buddhaschaft ermöglicht, sich von den seelischen Wunden der Vergangenheit zu befreien.
  • Das Chanten für die Verwirklichung der eigenen Wünsche und Ziele wird empfohlen, da man – im Unterschied zu einer rein meditativen Übung der Versenkung – die Buddhaschaft im eigenen Leben konkret zur Lebensgestaltung einsetzt.
  • Die laienbuddhistische Weltzuwendung verstärkt nicht nur den Bezug zum eigenen Alltags- und Berufsleben, sondern auch das soziale Engagement.
  • Die Ethik der Selbstverantwortung wird in der Weise gefördert, an der Transformation des individuellen, familiären und gesellschaftlichen Karmas zu arbeiten.
  • Aspekt der Lebenshilfe. Das Mitgefühl zeigt sich in der Anteilnahme am Leiden der anderen. Man möchte anderen Menschen so helfen, dass sie sich selbst helfen können. Daher führt man sie in den Nichiren-Buddhismus ein und betreut sie in ihrer Ausübung.
  • Die Glaubensgemeinschaft stellt ein soziales Netzwerk von Menschen dar, die gemeinsam den Nichiren-Buddhismus studieren und praktizieren sowie sich gegenseitig ermutigen und auch persönliche Erfahrungen miteinander austauschen.

Aufhebung des Absolutheitsanspruchs

Die neue doktrinäre SG-Ausrichtung ist vielversprechend. Denn der Verzicht auf den exklusivistischen Absolutheitsanspruch kann durchaus zu weiteren Verbesserungen im Umgang sowohl mit den eigenen Mitgliedern als auch mit anderen buddhistischen Traditionslinien führen. Es bleibt zwar noch abzuwarten, ob und wann diese doktrinäre Erneuerung bei der SGI-D ankommt und organisatorisch auf der Ebene der Mitglieder auch umgesetzt wird. Eine praktische Umsetzung würde z. B. unter den folgenden Aspekten zum Ausdruck kommen:

  • Man achtet darauf, andere Nichiren-buddhistische Organisationen und andere buddhistische Schulen und auch alle anderen Religionsgemeinschaften nicht als falsch und verleumderisch zu stigmatisieren mit der Begründung, dass die SGI den einzig wahren Buddhismus vertrete.
  • Man achtet darauf, keinen psychologischen Druck auszuüben, indem man den Mitgliedern suggeriert, dass ihnen bei Austritt aus der Organisation eine Verschlechterung ihrer Lebenslage drohe.
  • Man achtet darauf, ideologisch nicht in der Art zwischen „Gläubigen (Ingroup)“ und „Nicht-gläubigen (Outgroup)“ zu polarisieren, dass Feindbilder gegenüber anderen aufgebaut werden. Dies hat vor allem auch zur Konsequenz, ehemalige Mitglieder nicht mehr als „Abtrünnige“ oder als „anti-SGI-Kritiker“ zu stigmatisieren und zu verleumden. Stattdessen pflegt man mit ihnen einen normalen gesellschaftlichen Umgang.
  • Man achtet darauf, die geistige Freiheit der Mitglieder nicht dadurch einzuschränken, dass man ihnen nahelegt, sich nicht „kritisch“ über die eigene Organisation und die Leiter zu äußern, bestimmte Bücher nicht zu lesen oder sich nicht am freien Meinungsaustauch in Facebook-Foren und dergleichen zu beteiligen.

Eine neue Möglichkeit der SGI-D für die Zusammenarbeit mit allen Buddhisten

Es ist richtig, dass sich die SGI-Gruppen in Deutschland auf regionaler bzw. lokaler Ebene guter Kooperationsbeziehungen zu anderen buddhistischen und andersreligiösen Gruppen erfreuen.8 Die neue Entwicklung der SG/SGI ist äußerst offen und birgt durchaus das Potenzial, unheilsame Elemente zu überwinden. Im Buddhistischen Bekenntnis der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) wird eine wichtige Grundhaltung beschrieben, deren praktische Umsetzung für eine Mitgliedschaft in der DBU Voraussetzung ist: Ich bekenne mich zur Einheit aller Buddhisten und begegne allen Mitgliedern dieser Gemeinschaft mit Achtung und Offenheit. Der Trend zur Öffnung nach außen lässt sich bei der SGI-D bereits erkennen. Wenn sie darüber hinaus den neuen Kurs ihrer japanischen Mutterorganisation zur Überwindung des Absolutheitsanspruchs auch auf Mitgliederebene praktisch umsetzt, stünde auch einer Kooperation mit der DBU, die bisher nicht zustande gekommen ist, nichts mehr im Wege.9


Yukio Matsudo, Heidelberg


Anmerkungen

  1. Vgl. Yukio Matsudo, Nichiren, der Ausübende des Lotos-Sūtra, Norderstedt 2004/2009.
  2. Vgl. Yukio Matsudo, Das Vier-Schichten-Modell für die Einschätzung einer Glaubensgemeinschaft. Dargestellt am Beispiel der Soka Gakkai, in: MD 9/2015, 337-349. Ebenfalls im Materialdienst (8/2016,285-295) erschien ein Artikel von Ulrich Dehn über „Die buddhistische Laienbewegung Sōka Gakkai“. Darin macht er eine Randnotiz, dass er es als „irritierend“ empfinde, dass ich zu den wohlwollenden Darstellungen seinerseits und von anderen über die SG in meinem MD-Artikel „kritisch“ Stellung bezog, nachdem ich mich in meinem buddhologisch angelegten Nichiren-Buch (s. vorherige Fußnote) eher „wohlwollend“ über Nichiren und die SG geäußert hatte. Meine Ausführungen in diesem Beitrag schließen an den Artikel von Ulrich Dehn an.
  3. Dehns Beschreibung dieser „Drei Großen Esoterischen Gesetze“ bleibt ambivalent und unverständlich, jedoch nicht nur, weil er sich auf zwei ältere Publikationen von 1980 und 1998 stützt, sondern auch, weil er den Zentralbegriff „Dai-Gohonzon“ an keiner Stelle verwendet und stattdessen von „das (angebliche) Gohonzon“ spricht (Dehn 2016 [s. Fußnote 2], 291). Dagegen erwähnt selbst die von ihm herangezogene Literatur von 1998 (Richard Causton, Der Buddha des Alltags, Augsburg) sowohl den Begriff „Dai-Gohonzon“ als auch die Vollendung der Heiligen Stätte (kaidan) für den Dai-Gohonzon. Es ist daher nicht ganz nachvollziehbar, warum Dehn den Begriff „Dai-Gohonzon“ durchgehend vermeidet.
  4. Deshalb ist an dieser Stelle die Darstellung von Dehn irreführend, wenn er schreibt: „shakubuku heißt in der säkularen Lesung seppuku“ (Dehn 2016 [s. Fußnote 2], 289). Das Wort seppuku, eher als Harakiri bekannt, bedeutet eine ritualisierte Art der Selbsttötung durch das Aufschneiden des Bauches aus der alten Samurai-Zeit. Der Begriff Seppuku kann jedoch weder sprachlich noch inhaltlich noch historisch in irgendeinen Zusammenhang mit dem Begriff shakubuku gebracht werden. Die shakubuku-Ausübung der SG/SGI-Mitglieder zur Verbreitung ihres Glaubens konnotativ mit der Praxis eines ritualisierten Selbstmords in Verbindung zu bringen, stellt somit nicht nur eine absurde Verzerrung dar, sondern muss entschieden zurückgewiesen werden, da diese Assoziation eine fatale Fehlinterpretation zur Folge haben kann. Dies könnte sich nicht nur schädlich auf den Ruf der SG/SGI, sondern auch auf den des Nichiren-Buddhismus insgesamt auswirken.
  5. Vgl. www.sgi-d.org .
  6. Vgl. Dehn 2016 (s. Fußnote 2), 295.
  7. Nichiren kann als einer der „Reformatoren“ in den neuen buddhistischen Bewegungen im Japan des 13. Jahrhunderts betrachtet werden, die unter bestimmten Aspekten auch mit den neuen christlichen reformatorischen Bewegungen im Europa des 16. Jahrhunderts vergleichbar sind. S. dazu Yukio Matsudo, Hairetischer Protest. Eine vergleichende Studie über buddhistische und christliche reformatorische Bewegungen, Norderstedt 2005. Zum „protestantischen Buddhismus“ vgl. ders., Protestant Character of Modern Buddhist Movements, in: Buddhist Christian Studies 20 (2000), Honolulu 59-69. Zu einer Parallele des NSH zur katholischen Kirche vgl. Matsudo 2004 (s. Fußnote 1), 438.
  8. Vgl. Dehn 2016 (s. Fußnote 2), 295.
  9. Auch Susanne Matsudo-Kiliani, Ratsmitglied der DBU und deren Beauftragte für interreligiösen Dialog, begrüßt diese Möglichkeit einer neuen positiven Entwicklung der SGI-D.