Alternativkultur

Neben dem ZEGG eröffnet ein "HeilOrt"

Eine der bekanntesten sozialutopischen Lebensgemeinschaften, das „Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung“ (ZEGG, www.zegg.de) befindet sich in Bad Belzig im Land Brandenburg, 80 Kilometer südwestlich von Berlin. Die Gemeinschaft hat im Rahmen ihres diesjährigen Sommerfests Ende Juli ihren 30. Geburtstag gefeiert. Eine aus der „Bauhütte“ hervorgegangene Gruppe gründete 1991 die „ZEGG GmbH“, die das 15 Hektar große Gelände für 2,1 Millionen DM von der Treuhandanstalt kaufte und im Rahmen des „Aufbaus Ost“ eine Anschubfinanzierung in Höhe von 650000 DM erhielt. Nach eigenen Angaben leben heute 110 Menschen dort, darunter 15 Kinder und Jugendliche. Modellhaft versuchen sie, gemeinsames Leben und Bildungsangebote miteinander zu verbinden, die sich als ganzheitlich verstehen.

Die Teilnehmerzahl des Sommerfests wurde aufgrund der Corona-Bestimmungen begrenzt. Um trotzdem möglichst viele Menschen zu erreichen, wurden alle Vorträge aufgezeichnet und stehen im Internet zur Verfügung (https://sommercamp.zegg.de). Neben den klassischen Themen dieser Bewegung wie offene Kommunikation, alternative Gemeinschaftsformen, Ökologie, Kunst und freie Sexualität standen Beiträge im Programm, die sich an der Transpersonalen Psychologie orientierten.

Auf dem Nachbargelände des ZEGG entsteht gerade das ganzheitliche Projekt „HeilOrt“. Es wurde von der ehemaligen Geschäftsführerin des ZEGG initiiert und versteht sich als ein heilsamer Ort von der Geburt (Geburtshaus) bis zum Sterben (Hospiz). Auf dem acht Hektar großen Grundstück soll eine „heilsame Architektur und Landschaftsgestaltung und das Eingebundensein in ein gemeinschaftliches Miteinander“ verwirklicht werden (https://heilort.org). Es soll eine „lauschende und einfühlende Annäherung an das Gelände im Einklang mit der Natur und ihren Wesen“ geschehen. Nach Überzeugung der Initiatoren und Initiatorinnen findet Heilung „auf allen Ebenen statt, auf der körperlichen ebenso wie auf der geistigen, seelischen und spirituellen“. Die spirituelle Dimension wird als konfessionsunabhängig betrachtet. Eine konkrete weltanschauliche Richtung wird nicht vorgegeben, aber es gibt Hinweise auf eine Naturspiritualität in der Tradition der modernen Esoterik. In der Mitte des dorfartigen Geländes soll ein „Lichtraum“ als „Haus der Stille“ stehen, in dem Rituale, Vollversammlungen und Kongresse stattfinden können.

Wichtige Impulse erhielt der HeilOrt vom Heilhaus Kassel und seiner spirituellen Lehrerin Ursa Paul (vgl. MdEZW 9/2011, 339 – 346). Der weite Begriff der „Spiritualität“ knüpft auch dort inhaltlich an die moderne Esoterik an. Im August hat der HeilOrt Bad Belzig sein erstes Sommerfest durchgeführt. Hier hat der gemeinnützige Verein seine Projekte zum Thema Heilung und Gesundheit vorgestellt: das Willkommenshaus (Schwangerschaft, Geburt, Familie), das Abschiedshaus (Abschied, Trauer, Sterben), die Senioren- und Kindertagesstätte, ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt und vieles mehr. Für September hatte der HeilOrt in Kooperation mit dem ZEGG das Seminar „Achtsamkeit, Meditation und Tanz“ geplant, das jedoch kurzfristig abgesagt wurde.

In Zeiten wachsender sozialer Isolierung und Entfremdung haben Gemeinschaftsprojekte an Attraktivität gewonnen. Spannend wird sein, welche Werte, spirituellen Rituale und politischen Überzeugungen sich auf dem Boden einer freien Spiritualität durchsetzen werden. Wie wird die Gemeinschaft es schaffen, spirituelle Führung und gemeinschaftliche Vielfalt zu verbinden und Konflikte zu lösen? Und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit anderen Glaubens- und Religionsgemeinschaften, die sich ebenfalls für Ökologie, Gerechtigkeit und freie Selbstentfaltung einsetzen?


Michael Utsch, 01.09.2021