Neuapostolische Kirche

Namentliches Totengedenken bei Entschlafenengottesdiensten in der NAK

Eine Praxis im Zusammenhang von Entschlafenengottesdiensten der Neuapostolischen Kirche (NAK) erregt in den Internetforen kritischer Neuapostoliker die Gemüter. Vor allem aber wirft sie eine kuriose theologische Frage auf: Was bedeutet es für die ökumenischen Beziehungen, wenn die NAK Ritualhandlungen im Jenseits vornimmt, die auf verstorbene Christen anderer Kirchen zielen?

Konkret: Es gibt Entschlafenengottesdienste der NAK, in denen die Namen bestimmter Verstorbener liturgisch eingebunden werden. Auf der Internetseite der NAK Österreich wird berichtet: „Anschließend trafen sich [die] Erwachsenen und die Kinder zu einem gemeinsamen Rundgang mit selbstgebastelten Laternen auf dem Annabichler Friedhof, zu dessen Abschluss der Vorsteher der Kirchengemeinde ... ein Gebet sprach. Zum Gottesdienst für die Entschlafenen am Sonntag hatten sich die Glaubensgeschwister etwas Besonderes ausgedacht und den Altar u. a. mit Papierwolken geschmückt, auf denen die Namen der Seelen zu lesen waren, an die die Mitglieder der Kirchengemeinde besonders gedacht hatten. Unter vielen anderen Namen waren auch Michael Jackson und Elvis Presley auf den Wolken zu finden“ (www.nak.at/news/ktn/?start=2328-1323990000&berID=1696). Das Beispiel stammt aus dem Jahr 2010, allerdings ist das Vorgehen heute weit verbreitet. Wahlweise werden die Namen von Verstorbenen – und oft wird explizit um die Namen nicht neuapostolisch Verstorbener gebeten – auf Zettel, Steine o. Ä. geschrieben und für den Entschlafenengottesdienst am Altar deponiert. Bisweilen finden sich dabei auch ganze Todesanzeigen.

Hinter diesem sogenannten „Entschlafenenwesen“ steht eine ausgefeilte Vorstellung von der jenseitigen Welt, der zufolge die Menschen dort als erlöste (in der Regel neuapostolische Verstorbene) oder als unerlöste Seelen fortexistieren. Die letzteren sind dabei in einem betrüblichen „Zustand der Gottferne“. Doch auch im Jenseits besteht für die Unerlösten die Möglichkeit, sich noch zur NAK zu bekehren. Das geschieht genau wie im Diesseits durch Taufe und Versiegelung bzw. nur durch Versiegelung, wenn die betreffende Seele schon die Taufe einer anderen Kirche ins Jenseits mitbringt. Zu diesem Zweck werden in sogenannten Entschlafenengottesdiensten die beiden Sakramente Taufe und Versiegelung stellvertretend an zwei lebenden neuapostolischen Gläubigen vorgenommen (vgl. 1. Kor. 15,29). Die jenseitigen Seelen werden eingeladen, diese Sakramente für sich zu akzeptieren und damit nach dem Tod noch neuapostolisch zu werden.

Bisher war in den ökumenischen Gesprächen mit der NAK davon ausgegangen worden, dass diese Einladung verstorbener Seelen zum Empfang der neuapostolischen Taufe und Versiegelung generisch, also ohne Namensnennung geschehe. Die gesamte Praxis war sozusagen als Evangelisation im Jenseits zu sehen. Namensnennungen im Kontext von Totentaufen, wie sie aus der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) bekannt sind, hatte die NAK nur in ihrer Frühzeit, damals unter anderem für Martin Luther und andere Reformatoren, vorgenommen. Sie wurden schon im frühen 20. Jahrhundert abgeschafft. Die beschriebene Praxis ähnelt dem aber wieder.

Friedhofsbesuche vor Entschlafenen- und Jugendgottesdiensten sind heute vielerorts in der neuapostolischen Kinder- und Jugendarbeit üblich, wobei es sich naturgemäß um evangelische, katholische oder kommunale Friedhöfe handelt. Diese pädagogische Beschäftigung mit Tod und Sterblichkeit hilft zur Vermittlung der spezifisch neuapostolischen Jenseitsvorstellungen. Dabei beschäftigen sich die Jugendlichen auch mit bestimmten Gruppen von Toten, Katastrophenopfern oder Suizidopfern zum Beispiel. Daraus erarbeiten sie dann eine sonntägliche Fürbitte.

Fürbitte für Verstorbene kennen viele Kirchen, und das beschriebene Heranführen junger Menschen an existenzielle Fragen und Anteilnahme ist Teil einer guten christlichen Erziehung. Allerdings hat das Nennen konkreter Namen im Entschlafenengottesdienst ein ausdrückliches Ziel: Einladung anderer Christen zum Beitritt in die NAK durch Versiegelung. Denn man muss davon ausgehen, dass viele der dort namentlich Genannten vor ihrem Tod Christen waren. Eine solche explizit an Christen anderer Kirchen gerichtete Einladung in die eigene Kirche verträgt sich jedoch schlecht mit dem ökumenischen Miteinander, zum Beispiel in der ACK, das die NAK anstrebt. Fände es im Diesseits statt, wäre das auch jedem klar.

Andererseits kennt keine andere Kirche die Idee, man könne noch im Jenseits ein ökumenefeindliches „sheep-stealing“, ein gezieltes Abwerben fremder Christen, vollbringen. Man könnte gelassen reagieren und argumentieren, es sei gleichgültig, was die NAK dort versucht. Allerdings geht es beim Thema Evangelisation unter anderen Christen nicht primär um Verlustängste, sondern vielmehr um das darin zum Ausdruck kommende exklusive Selbstverständnis und die mangelnde Achtung vor dem Anderen. Daher wird ökumenisch zu besprechen sein, ob die Praxis namentlicher Fürbitte für Christen anderer Kirchen zumindest im direkten Zusammenhang der Gottesdienste mit Entschlafenentaufe notwendig ist oder ob die NAK dafür nicht einen anderen gottesdienstlichen Ort finden könnte.


Kai Funkschmidt