Werner Thiede

Mobilfunk und implizite Weltanschauung

Geistige Affinitäten einer invasiven Technologie

Friedrich Nietzsche hat einmal sinniert: „Was tun, um sich anzuregen, wenn man müde und seiner selbst satt ist? Der Eine empfiehlt die Spielbank, der Andere das Christentum, der Dritte die Elektricität.“1 Nietzsche selbst empfahl das Ausschlafen. Wem das allerdings nicht genügt und wen auch die Spielbank angesichts der heute üblich gewordenen, den „Hochfrequenz-Handel“ einschließenden Zockerei keinesfalls reizen kann, der hätte laut Nietzsches Diktum noch die Wahl zwischen Christentum und Elektrizität. Im 21. Jahrhundert hätte der Philosoph vielleicht zugespitzt formuliert: zwischen Christentum und Mobilfunk-Hightech.

Aber lässt sich denn eine Religion oder Weltanschauung ernsthaft auf eine Auswahl-Ebene mit einer Technologie und ihren Anwendungen stellen? Sind nicht viele Christen selbst begeisterte Mobilfunk-User? In der Tat wäre eine direkte Kontrastierung dann fragwürdig, wenn damit gesagt sein sollte, der Mobilfunk bzw. seine Entwicklung oder Nutzung stelle als solcher eine alternative „Weltanschauung“ oder gar (Ersatz-)Religion dar. Doch eine indirekte Kontrastierung ist so fernliegend nicht.2 Denn die supermoderne, naturwissenschaftlich fortentwickelte Technik impliziert tendenziell durchaus weltanschauliche, zumindest auf unbewusster Ebene mitunter fast schon religiös anmutende Elemente3 – je übergriffiger sie sich auswirkt, desto mehr! Gerade darum kann sie ja so anregend, sogar existenziell aufregend sein.

In diesem Sinn stellen die Installation und das Betreiben von Mobilfunk-Technologie sowie ihre breite, vernetzte Nutzung Handlungsweisen dar, die als solche sowohl nach ihrer ethischen Legitimation als auch nach ihrer impliziten weltanschaulichen Begründung fragen lassen. Jede Ethik hat ihr Fundament in einem Orientierungsrahmen, der ihrer Regelbildung vorausliegt: Er umfasst sozusagen das „Dogmatische“, das Weltanschauliche4, das jeweilige Gottes- und Wirklichkeitsverständnis im Zusammenhang mit einem entsprechenden Menschenbild.5 Demgemäß lassen auch die mitunter heiß diskutierten Pro- und Kontra-Argumente zur allgegenwärtig gewordenen Mobilfunk-Technologie im Hintergrund ihrer Wertungen tendenziell – freilich nicht unbedingt beim individuellen Nutzer – auf zumindest implizite Grundzüge eines jeweils immerhin umreißbaren Welt- und Menschenbildes schließen.

Ob die Behauptungen von Experten und Medizinern aus vielen Ländern stimmen, dass unter der nicht ionisierenden, meist gepulsten Mobilfunk-Strahlung so manche Menschen, Tiere und Pflanzen6 zu leiden haben, oder ob derlei Beobachtungen und Thesen von anderen Wissenschaftlern und von interessengebundenen Fürsprechern dieser Technologie mit Fug und Recht zurückgewiesen werden, ist keine einfache und schon gar keine unwichtige, ethisch überflüssige Frage. Die so krass divergierenden Wahrnehmungen und Deutungen lassen sich im Grunde kaum ohne den Einbezug weltanschaulicher Wertungen verstehen. In unserer immer mehr von dieser und anderen Technologien beherrschten, dabei immer unübersichtlicher werdenden Welt ist es lohnend, ja dringend, über diese Art von geistigen Bezügen nachzudenken und sich darüber klarer zu werden.7 Das bedeutet Aufklärung anstelle eines lethargischen Verharrens in selbstverschuldeter Unmündigkeit auf einem Gebiet, dessen Problematik wegen seiner technologischen Omnipräsenz ungefähr die gesamte Bevölkerung betrifft.

Zur impliziten Weltsicht des Mythos Mobilfunk

Unsere Kultur wird inzwischen von der Mobilfunk-Technologie in einem Maße unterstützt oder – kritischer formuliert – dominiert, dass sich die Frage nach ihren möglichen geistigen Implikaten eigentlich geradezu aufdrängt. Das Gemenge aus technischem Vorwärtsstreben, industriell-wirtschaftlichem Gewinnstreben, großenteils naiver Nutzer-Begeisterung und gesellschaftlich spürbaren Konsequenzen lässt, wie ich kürzlich in einer Monografie ausführlich dargelegt habe, auf einen regelrecht modernen „Mythos Mobilfunk“8 schließen. Gerade dessen Komplexität bewirkt zugleich seine nur eingeschränkte Wahrnehmung – und wiederum so seine besondere Effizienz. Denn Mythen werden „im Menschen gedacht, ohne daß er etwas davon weiß“, wie der Mythenforscher Claude Lévi-Strauss9 erklärt. Das gilt just in Bezug auf den Zauber einer Technologie, die ihre Wirksamkeit im Kontext einer sogenannten „stillen Revolution“ entfaltet. Könnte doch ohne Mobilfunk von einer umfassenden Digitalisierung unserer Lebenswelt, wie sie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten angestrebt wird, keine Rede sein!

Die vorherrschende Weltsicht, die sich mit dem Mythos Mobilfunk implizit und tendenziell verbindet, lässt sich aus der technisch-naturwissenschaftlichen Zugangsweise zur Wirklichkeit erschließen. Sie setzt voraus, dass der „aufgeklärte“ Mensch seine Weltgestaltung autonom und eigeninitiativ in die Hände genommen hat und in fast ungebrochenem Fortschrittsglauben vorantreibt – mit höchst eingeschränkter ökologischer Rücksichtnahme, wie die exorbitant hohen „Grenzwerte“ auf dem Mobilfunksektor zeigen.10

Dabei lässt der technizistisch ausgerichtete Zeitgenosse gerade dasjenige gern zurück, was die „unaufgeklärten“ Mythologien der Vorzeit und die mindestens teilweise noch mit ihnen verschränkten Religionen charakterisiert hatte: Ängste vor numinosen, verborgenen Mächten und innere Abhängigkeiten von Göttern oder Gott. Insofern besitzt der Mythos Mobilfunk eine gewisse Affinität zu säkularen, ja materialistischen und insofern auch zu atheistischen Weltanschauungen. Georg Picht hat schon 1969 formuliert: „Es kann keinen Zweifel daran geben: die Wissenschaft, die Technik, die Ökonomie, die Verwaltung und die Politik der modernen Welt sind gegen Religion indifferent.“11 Das gilt auch für die heutige Welt der Mobilfunk-Gesellschaft: Sie ist gegen Religion nicht nur indifferent, sondern sie hat einen gewissen Zug zum Agnostizismus. Der Geist der Mobilfunk-Kultur ist tendenziell irreligiös – und verstärkt die Säkularisierungstendenz.12 Insofern gilt das Gesagte erst recht für die Zukunft.13

Schwingt also in der intensiven Weiterentwicklung und Nutzung der Mobilfunk-Technologie unterschwellig ein latenter, praktischer Materialismus mit, so ist weltanschaulich festzuhalten, dass dieser bekanntlich geprägt ist durch eine monistische Denkweise. Philosophisch ausgedrückt: Er deutet die vielgestaltige Wirklichkeit letztlich von einem einzigen Prinzip, im vorliegenden Fall vom Urprinzip „Materie“ her. Deren Gestaltungsmächtigkeit reizt den Techniker, der die Hypothese „Gott“ nicht mehr braucht, um die Natur und ihre Gesetze immer besser beherrschen zu können. Mit Sigmund Freud formuliert: Der Mensch, der früher ehrfürchtig die Götter verehrte, ist nun „beinahe selbst ein Gott geworden“.14

In gewisser Alternative dazu ist ein esoterischer Geist-Monismus in diesem Kontext weltanschaulich weniger zu Hause, allerdings nicht ganz ausgeschlossen. Der „Großvater“ des Mobilfunks, der Jugoslawe Nikola Tesla (1856 – 1943), wäre hierfür ein Beispiel: Ganz technizistisch-naturwissenschaftlich ausgerichtet, war er doch offen für eine Begegnung mit Swami Vivekananda, jenem berühmten Gelehrten des indischen Veda, den er in New York sprechen konnte.15 Von daher interpretierte er seine Entdeckungen vermehrt durch Begriffe östlicher Philosophie: Er begann Sanskrit-Begriffe wie Akascha und Prana sowie das Konzept des kosmischen Äthers zur Beschreibung des Ursprungs und des Aufbaus der Materie zu verwenden – und bewegte sich damit ein Stück weit auf dem Boden eines spirituellen Monismus.16 Fühlt sich der heutige Mensch in Bezug auf die ihn umgebende, vielfach funkgesteuerte Technik mittlerweile geradezu „göttlich“, so tut sich in der Tat für so manchen Zeitgenossen ein Bezug zur Esoterik17 auf, vielleicht auch in den gedanklichen Gefilden einer entsprechend angehauchten Science Fiction-Welt.

Aber als Haupttendenz weltanschaulicher Orientierung im Mythos Mobilfunk lässt sich – so meine These – die eines materialistischen Monismus ausmachen, kurz: die eines impliziten oder gar expliziten Materialismus. Das bestätigt sich indirekt in dem Umstand, dass engagierte Mobilfunk-Apologeten gern pauschal Mobilfunk-Kritiker in die „andere“, nämlich in die Esoterik-Ecke stellen18, was in dieser Form freilich polemischer, die Tatsachen grob verzeichnender Nonsense ist. Geht es doch in dieser Diskussion weniger um den Gegensatz von romantischen Naturauffassungen zu künstlich hergestellten Welten als vielmehr um elementare Fragen des Gesundheitsschutzes, der entsprechenden rechtlichen Situation und eines differenzierten, nämlich medizinisch, biologisch und ethisch zu diskutierenden Menschenbildes.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Mobilfunk wie viele andere Technologien auch – nur besonders breitenwirksam – die ganz säkulare Anverwandlung dieser Welt an menschliche Bedürfnisse intendiert. An irgendwelche Jenseitswelten oder Transzendenzbezüge ist dabei keineswegs gedacht. Und längst handelt es sich bei dieser Technologie nicht mehr darum, Alltagsnöte der menschlichen Lebensbewältigung in einem humanen Sinn überwinden zu helfen, also Erleichterungen von althergebrachten Beschwernissen zu erwirken. Vielmehr steht inzwischen ein Fortschreiten auf dem Sektor der Bequemlichkeiten und Lustbarkeiten, des quasi-magischen Zaubernkönnens im Vordergrund. Dieses ist es primär, was das Gefühl neuer „Göttlichkeit“ des Menschen ausmacht – in nicht mehr ferner Zukunft etwa in Gestalt von fahrerlosen, nämlich funkgesteuerten Autos19, von „smart“ ausgerüsteten, nämlich rundum funkgesteuerten Hauseinrichtungen20, von nur mehr funkenden Bezahlsystemen und so fort. Ob aber diese „schöne neue Welt“ wirklich begrüßenswert ist oder vielmehr eine Horrorwelt21 darstellt, sollte das nicht eine Weltanschauungsfrage sein?

Wissenschaft und Technik sind nicht ideologiefrei

In all den mobilfunkgestützten Produkten und Vernetzungen von heute und morgen tobt sich die säkulare Wissenschaft aus – mit sämtlichen Implikationen einer diesseitsfreudigen, in diesem weiteren Sinn materialistischen Weltanschauung, entsprechend reduktionistisches Menschenbild eingeschlossen. Hierbei gilt es zu bedenken, dass diese säkulare Wissenschaft alles andere als eine schlicht rationale und weltanschaulich neutrale Angelegenheit darstellt.22 Georg Picht bemerkt: „Die Utopie, aus der die moderne Wissenschaft ihre Impulse bezieht, ist das Bild einer total rationalisierten Welt, in der eine schrankenlose Technologie der Wissenschaft alles zu machen erlaubt, was sie machen kann. Ist diese Utopie im oben definierten Sinne eine aufgeklärte Utopie?“23 Die Frage stellen, heißt für Picht, sie verneinen. Er weiß, dass „das vermeintlich aufgeklärte und differenzierte Bewußtsein der Wissenschaftler und der Intellektuellen eine spezifische Anfälligkeit für Ideologisierungsprozesse besitzt, der man so lange nicht bei kommen wird, als man ihre Gründe nicht durchschaut“. Hinter dem Rücken der modernen Rationalität vollziehe sich widerstandslos und ohne Kontrolle eine „kollektive Regression gesamtgesellschaftlichen Bewußtseins auf jene primitiven Stufen, welche die großen Religionen mit der Begründung der alten Hochkulturen und der Ausbildung der mythischen Formen des Denkens überwunden hatten. Dem Aberglauben sind keine Grenzen gesetzt, wenn man es unternimmt, den Glauben aus der Welt zu schaffen.“ Besser könnte man es in unseren Tagen mit Blick auf den Mythos Mobilfunk kaum ausdrücken!

Das aber bedeutet auf User-Ebene eine verbreitete, meist naive Bereitschaft, die invasiven24 Absichten modernster Technologie einfach hinzunehmen, problemlos in sie einzuwilligen. Offenkundig verändern diese nicht nur unsere Lebenswelt, sondern oft auch die Welt-Anschauung, Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnisse sowie Wertehierarchien. Bekanntlich „durchdringen die Auswirkungen der Wissenschaft die intimsten Bereiche unseres Lebens“25 – und das ist alles andere als ein „neutraler“, sondern ein von mancherlei Einflüssen und Interessen bestimmter Prozess, der sich durch das Aufkommen der Mobilfunk-Technologie nur noch intensiviert, ja potenziert hat.

Das betrifft nicht zuletzt das Verständnis von Wissenschaft, jener im Hintergrund der technologischen Fortentwicklung und häufig als Zeuge für deren Legitimität aufgerufenen Macht. Picht zufolge „sind die rationalen Apparate der Wissenschaft und ihre unermeßlichen Machtpotentiale dem blinden Spiel von irrationalen Gewalten ausgeliefert. Die Rationalität der Wissenschaft potenziert die Irrationalität der politischen oder wirtschaftlichen Macht; und irrationale Impulse aus Wirtschaft oder Politik führen zu neuen Steigerungen der wissenschaftlichen Rationalität.“26 Von daher nennt Picht die Wissenschaft sogar „vernunftlos“, weil sie zwar alles mache, was sie machen könne, aber nicht darauf reflektiere, was sie machen solle. „Die Wissenschaft käme erst dann zur Vernunft, wenn sie zugleich mit ihren Nebenwirkungen auch die versteckten Triebkräfte studieren würde, von denen ihre Produktion in Gang gehalten wird. Aber dadurch würden vitale Interessen der wissenschaftlichen Kommunität gefährdet. Die Wissenschaft ist also an der Irrationalität ihrer Geldgeber und damit an der Irrationalität ihres Betriebes selbst interessiert.“27

Die Tragweite dieser Feststellung wird laut Picht erst sichtbar, wenn man sich klarmacht, welche Folgen es hat, dass eine Wissenschaft, die durch das Medium der Technik und der industriellen Produktion unsere Lebenswelt beherrscht, sich nicht nur jeder politischen Kontrolle, sondern auch ihrer Selbstkontrolle entzieht. Kurz: „Die Wissenschaft selbst ist rational, doch ihre Anwendung ist blind und wird von undurchsichtigen Interessen bestimmt.“ Jahrzehnte später bestätigt Gregor Taxacher: „Die Wissenschaft und ihre öffentliche Wahrnehmung sind in eine ökonomische Logik eingespannt.“28

Derlei hellsichtige Analysen treffen heute exakt auf die hightech-gestützte Mobilfunk-Entwicklung zu.29 Irrational, also mitnichten vernunftgelenkt, sondern stark beeinflusst von den Interessen eines konsumorientierten „transzendenten Kapitalismus“30 und einer entsprechend hedonistisch-materialistischen Grundtendenz ist insofern nicht nur die Weiterentwicklung, sondern vielfach auch die ihr Schritt für Schritt folgende Nutzung des Mobilfunks. Schon vor der Einführung dieser im Letzten vielleicht noch gar nicht ganz verstandenen31 Hochfrequenz-Technologie wusste Picht: „Die Bürger der wissenschaftlich-technischen Welt sind offenbar schwerer zur Vernunft zu bringen als die Repräsentanten archaischer Kulturstufen. In beiden Fällen sind die Menschen von Magie und Fetischglauben behext; aber der Bann der technischen Magie ist schwerer zu brechen, weil der technische Mensch unter dem Schein der Rationalität die Fähigkeit verliert, seine eigene Macht von den Gewalten, mit denen er spielt, zu unterscheiden.“32 Dass dieses Diktum auf die Magie heutiger Mobilfunk-Hochtechnologie, namentlich jetzt auch LTE-gestützter Smartphones und iPads übertragbar ist, liegt auf der Hand.33

Wie Recht hat doch der britische Biologe Rupert Sheldrake mit seinem neuen Buch „Der Wissenschaftswahn“ (2012) – sowohl hinsichtlich der Wahn-These als auch mit der überzeugenden Kritik an materialistischer Weltanschauung! Die Mobilfunk-Kultur hängt mit eben diesem Wahn zuinnerst zusammen. Schon Picht hatte gemutmaßt: „Vielleicht wird man in späteren Zeiten die Wahnzustände, aus denen sich viele der gegenwärtigen Formen des Umganges mit den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Wissenschaft und der Technik erklären, mit jenen religiösen Epidemien vergleichen, die Europa am Ende des Mittelalters schüttelten. Man kann bisweilen den Eindruck haben, als hätte die Expansion der Wissenschaft eine neue Form von Geisteskrankheit erzeugt, die man ‚dementia rationalis‘ nennen könnte.“34 Wie hellsichtig Pichts Äußerung war, zeigt über vier Jahrzehnte der Umstand, dass das Buch des Hirnforschers und Psychiaters Manfred Spitzer mit dem einschlägigen Titel „Digitale Demenz“ (2012) zum Bestseller avanciert ist. Mobilfunkgestützte Gerätschaften, von Wissenschaft und Technik bereitgestellt, tragen offenbar in sich eine Problematik, die auf einem durchaus fragwürdigen, oberflächlichen Welt- und Menschenbild basiert. Es ist dies die Weltanschauung eines zentral auf technische Machbarkeit abgestellten Wirklichkeitsverständnisses: „Das Machbare ist das Gesollte und damit auch schon das Unvermeidliche.“35 Damit aber stellt sich auch die Machtfrage mit ihrer ganzen politischen und weltanschaulichen Brisanz: Darf jede neue Technologie sich der Allgemeinheit aufdrängen, ja immer mehr in die Menschen, in ihren Leib, in ihre Seele, in ihren Geist eindringen?36

Zum impliziten Menschenbild des Mythos Mobilfunk

Im US-Bundesstaat New York gibt es an der St. Bonaventure-University eine Gastprofessur für Theologie und Computerwissenschaften. Die Inhaberin Anne Foerst ist bekannt geworden durch ihr Buch „Von Robotern, Mensch und Gott. Künstliche Intelligenz und die existentielle Dimension des Lebens“ (Göttingen 2008). Darin berichtet sie ausführlich von Anfeindungen, Unterstellungen und Verdächtigungen, die ihr zuteil wurden, als sie ein Seminar mit dem Titel „Gott und Computer“ anzukündigen wagte. Zunehmend wurde ihr deutlich, dass sie selber „für eine sehr andere Weltanschauung“37 stand, indem sie als Theologin aktuelle Tendenzen zur Verschmelzung von Mensch und Maschine zu hinterfragen begann. Jahrelang hatte sie bereits mögliche Wechselbeziehungen zwischen Theologie und Informatik in verschiedenen akademischen Einrichtungen untersucht. Nun bemerkte sie, wie gerade die Begeisterung für modernste Technologien hochintelligente Menschen zur „Zurückweisung von Religiosität“ brachte – und dass im Hintergrund dieser Entwicklung das Aufkommen profaner Mythen steht: „Naturwissenschaftler und Ingenieure erzeugen ebenfalls Mythen ...“ Das von Georg Picht früher Gesagte bestätigt sich damit, und zwar auch im Hinblick auf den Mythos Mobilfunk.

Inzwischen geht es um ein Menschenbild, dem zufolge ein mittels Funk und anderer Technologien forciert angestrebtes Verschmelzen mit Maschinen anzustreben sei. Sogenannte Cyborgs faszinieren im Kontext des Mythos Mobilfunk unterschwellig auch deshalb, weil man meint, hier würden Grundübel der menschlichen Existenz schlechthin überwunden. Gedacht ist im Extremfall an nicht weniger als an den digital zu erringenden Sieg über menschliche Unvollkommenheit, Hinfälligkeit und Sterblichkeit. Die Vorstellung einer quasi-mystischen Einheit mit quasi-perfekten Maschinerien treibt das materialistisch-atheistische Menschenbild eines Julien Offray de La Mettrie (1709 – 1751), niedergelegt in der 1747 erschienenen Schrift „L‘homme machine“, in abstruser Weise auf die Spitze. Hellsichtig beschreibt Miriam Meckel in ihrem Roman „Next“, wie das Leib-Seele-Problem in digitaler Zukunft veralten werde, so „dass ‚Materialisten‘ am Ende unsere Verbündeten in der Bemühung wurden, der Menschheit zu einem Zustand physischer Unabhängigkeit zu verhelfen“.38 Mit „unsere“ sind in diesem Zitat verselbstständigte und zur Herrschaft gelangte Algorithmen gemeint. Die Mensch-Maschinen-Ewigkeit soll in der Folge den Himmel der Religionen ersetzen. Norman Spinrad hatte schon 1998 düster prophezeit: „Durch Wissenschaft und Technik werden wir den Aliens begegnen, und das werden wir selbst sein.“39 All das steht weltanschaulich am Horizont einer zunehmend digital und durch Mobilfunk verzauberten Welt.40

Damit zeichnet sich deutlicher ab, welches unbewusst wirksame Menschenbild den Mythos Mobilfunk prägt. Es ist das des mit seinesgleichen und vielen ihn umgebenden Dingen allvernetzten, dadurch sich selbst gleichsam innerweltlich vergöttlichenden Menschen. Die dem Mobilfunk zu verdankende Vernetzung41 repräsentiert in weltanschaulicher Hinsicht die Einheit des monistischen Prinzips, der die Vielheit der erfahrbaren Wirklichkeit korrespondiert. Die Apotheose des Menschen aber bedeutet hier praktisch seine zunehmende Perfektionierung im permanenten Zusammenspiel mit dem mobil gewordenen Internet und quasi-intelligenten Maschinen – und damit gewissermaßen die fortschreitende Überwindung seiner Unvollkommenheit oder traditionell sogenannten Sündhaftigkeit.

Rückgängig gemacht wird auf diese Weise sozusagen die Vertreibung aus dem Paradies nach dem Sündenfall. Wo der Gottesglaube entfällt und desgleichen der Gedanke der Entfremdung von Gott, dort wird die Realisierung des Paradieses auf Erden zum technizistischen Großprojekt. Mobilfunk spielt dabei eine zentrale Rolle: Eben nicht nur um Kommunikationstechnologie, um Telefonie geht es dabei, sondern um die Realisierung des mobilen Internets mit all seinen revolutionären Folgen. Stellt nun der Mensch mittels Technologie gleichsam das Paradies wieder her, dann lässt er „seine (Un-)Heilsgeschichte hinter sich“.42 Die Welt wird perfektioniert, und dass der angeblich wachsenden „Sicherheit“ eine steigende Unsicherheit korrespondiert, wird systematisch ausgeblendet. Denn der Mythos Mobilfunk muss blühen. Sein Messias ist „iGod“ Steve Jobs, der trotz seines Todes 2011 „irgendwie unsterblich ist“43. Und das nun herrschende Menschenbild bringt Eric Schmidt, langjähriger Vorstandschef von Google, mit der Formulierung zum Ausdruck: „99 Prozent der Menschen sind gut.“44 Von daher gibt sich Schmidt mit Blick auf die Effekte der neuen Technologien zuversichtlich. Weil das Internet allen Menschen mehr Fähigkeiten und schließlich immer mehr Macht geben würde, nehme er an, dass die Guten sich eher durchsetzen könnten: „Ich glaube fest daran, dass die überwiegenden Auswirkungen positiv sind.“

Gewiss nicht alle, aber doch wiederum nicht wenige Nutzer der Mobilfunk-Technologie dürften ansatzweise, vielfach noch unbewusst, in dieser Richtung empfinden. Immer spürbarer wächst dadurch ein immer noch mehr gestützter Narzissmus heran45, der auch die Gesellschaft zunehmend narzisstisch strukturiert sein lässt. Was Christopher Lasch schon vor Jahrzehnten in seinem Buch „Das Zeitalter des Narzißmus“ darlegte, bestätigt heute Hans-Joachim Maaz mit dem Buch „Die narzisstische Gesellschaft“ (2012). Das dank ausufernder Strahlung „mobil“ gewordene Internet verstärkt den narzisstischen Effekt enorm. „Die Ich-Bezogenheit nimmt zu, Vereinsamung wird zu einem breiten Problem“46 – trotz, ja gerade auch wegen der ohne Mobilfunk undenkbaren Social Media.47

Unethische Konsequenzen des Mobilfunk-Mythos

Der damit benannte, überbordende Narzissmus in der Mobilfunk-Gesellschaft macht psychologisch korrupt im Hinblick auf die nachteiligen Aspekte dieser technologischen Entwicklung. In der Tat zeitigt der Mythos Mobilfunk nicht nur vielfältigen Nutzen, sondern auch ethisch höchst fragwürdige Konsequenzen, von denen die wichtigsten hier aufgezählt seien.

Mobilfunk bietet mit seinen unzähligen Möglichkeiten viele neue Freiheiten. Doch diese werden zu einem erschreckenden Teil in unguter Weise genutzt. Da ist insbesondere an die Cyber-Kriminalität zu denken, die sich inzwischen auch auf das mobile Internet erstreckt. So nimmt die Intensität von Cyber-Attacken auf Deutsche zu, wie der Cybercrime-Report 2012 erkennen lässt: Die Schadsoftware für Angriffe auf andere Computer oder Smartphones sei professioneller geworden (60 000 Fälle pro Jahr); immer öfter seien Kriminelle ohne Fachkenntnisse am Werk, die nötigen Programme kauften oder mieteten sie im Untergrund. Der Schaden sei im vergangenen Jahr um auf 71,2 Millionen Euro gestiegen. Zu denken wäre aber auch an das schon unter Kindern und Jugendlichen vorkommende Cyber-Mobbing sowie an mancherlei Verführungen in den Social Media.

Sodann kippt die durch Mobilfunk gebotene Freiheit allzu oft um in Unfreiheit und Abhängigkeiten. Das gilt für die immer unerträglicher werdende Beschleunigung unserer Kultur, die dank steter Erreichbarkeit in oft anhaltende Hetze ausartet, ja nicht selten Multitasking erzwingt – und dabei auch kritisches Nachdenken über einen solchen Strudel verhindert.48 Es gilt aber auch für das Abrutschen in Internet-Sucht49 und für so manches Sich-Verlieren in den Second Worlds virtueller Realitäten, die dank Funk an allen Orten zur Verfügung stehen. In der Zeitschrift „Neon“ war kürzlich zu lesen: „Dass sich manche Menschen zwischen Tweets, E-bay-Auktionen, Trending Topics und E-Mails verzetteln, ist nicht die Schuld der digitalen Technik, sondern es zeigt die Schwächen der menschlichen Nutzer.“50 Aber so einfach ist es nicht. Vielmehr ist die Technik nicht selten sogar darauf angelegt, Menschen in die Abhängigkeit oder in die Sucht zu treiben – nachgewiesenermaßen etwa bei manchen Computerspielen. Im Übrigen ist sie einfach so ausgelegt, dass sie menschlichen „Bedürfnissen“ sehr zu entsprechen scheint – und den Menschen insofern per se zu (allzu) intensiver Nutzung verführt.

Die innere Freiheit eines Menschen wird in der Folge porös, wenn er die funkenden Geräte in einer Häufigkeit und Art nutzt, dass ihm mit der Zeit „digitale Demenz“ blüht.51 Schon Nicholas Carr und Frank Schirrmacher haben deutlich gemacht, dass die Forschung in diese Richtung weist.52 Zudem zeigt der Technik-Philosoph Gernot Böhme auf, dass der Umgang mit solchen und ähnlichen Gerätschaften das Abschleifen des Individuellen angesichts der Uniformierung durch das Technische fördert: „Im Prinzip sind alle gleich, Individualität wird zu einem Oberflächenphänomen.“53 So seien es gerade die technischen Attraktionen, kraft derer sich der Mensch „Schritt für Schritt von ethischen Zwängen entlastet fühlen kann“.54 Dies aber drohe weltanschaulich mit der Zeit zu einer Ersetzung von moralischen durch technische Normen zu führen, und das Gefühl für Ethik schwinde: „In der technischen Zivilisation zu leben heißt in einer Umgebung leben, die einem eine objektive, coole und nicht­emotionale Haltung abverlangt.“ Deshalb spricht Böhme von bedenklichem „Veralten der Ethik“55 in unserer Zeit. Auch das ist ein weltanschauliches Implikat des Mythos Mobilfunk: Welt wird zunehmend unethischer betrachtet.

Damit erklärt sich auch ein ganzes Stück weit die überhandnehmende Rücksichtslosigkeit in unserer Gesellschaft, wie sie Jörg Schindler in dem neuen Buch „Die Rüpelrepublik. Warum sind wir so unsozial?“ aufzeigt. Zunehmender Narzissmus, digitale Demenz und wachsende Maschinen-Ebenbildlichkeit des Menschen sind Charakteristika unserer Mobilfunk-Kultur, die sich in einem bedenklichen Abbau an Wohlverhalten auswirken.

Tragischerweise bekommen das insbesondere die Opfer der Mobilfunk-Technologie zu spüren56, nämlich die sogenannten Elektrohypersensiblen. Das sind Menschen, die auf die hochfrequente, meist gepulste Funkstrahlung gewissermaßen allergisch reagieren: mit Schmerzen, Unwohlsein, Kreislaufbeschwerden und dergleichen. Dieses vor allem Umweltärzten bekannte „Mikrowellensyndrom“ wird in vielen Ländern – auch in den deutschsprachigen – nicht als körperliche Krankheit anerkannt, sondern als Folge psychischer Verarbeitungsprobleme ausgegeben. Dabei wird gern so getan, als gebe es in der Forschung einen völlig eindeutigen Befund in dieser Richtung.57 In Wahrheit sind die biologischen Wirkungen der Mobilfunk-Strahlung inzwischen kaum mehr ernsthaft bestreitbar.58 Gleichwohl wird ihre Existenz von den zuständigen Behörden weiter nach Kräften ignoriert, nämlich pauschal als reines Angst-Phänomen gedeutet59 – denn in die Weltanschauung technikfaszinierter Funk-Befürworter passt dieses Phänomen einfach nicht hinein.60 Würden sie die betreffenden Leiden anerkennen, müssten sie ja ihr gesamtes Programm neu bewerten und unter anderem die exorbitant hohen Grenzwerte massiv nach „unten“ korrigieren. Die zum Teil unsäglichen Leiden von Elektrohypersensiblen stellen eine der beschämendsten Folgen der weltanschaulichen Dominanz des gesellschaftlichen Mobilfunk-Mythos dar. Mit guten Gründen hat der Ständige Ausschuss des Europarates Ende Mai 2011 von der Politik gefordert, „besondere Aufmerksamkeit ‚elektrosensiblen Personen’ zu widmen, die an einem Syndrom aus Intoleranz gegenüber elektromagnetischen Feldern leiden, und hierbei die Einführung spezieller Maßnahmen zu veranlassen, um diese Personen zu schützen, einschließlich der Errichtung strahlungsfreier Gebiete, die nicht durch das drahtlose Netzwerk abgedeckt sind“.61 Der Mythos Mobilfunk wiederum hat bislang nicht zugelassen, dass dieser Forderung entsprochen wurde.

Mythos Mobilfunk: Herausforderung für Theologie und Kirche

Christentum oder Mobilfunk-Hightech – das ist für viele Zeitgenossen, wie schon eingangs betont, keineswegs eine Alternative. Dennoch dürfte hier deutlich geworden sein: Es gibt gewisse weltanschauliche Implikationen und Tendenzen der Entwicklung und Anwendung von Mobilfunktechnologie. Mit Recht fordert Axel Siegemund eine „Offenlegung der sozialen, kulturellen, weltanschaulichen – kurz: ethikrelevanten – Konstruktionen der Technik auf dem Weg ihrer Deutung“.62 In diesem Sinn kann es theologisch und kirchlich mitnichten einfach gleichgültig sein, wie man sich gerade zur so breitflächig wirksamen Mobilfunk-Problematik stellt und mit ihr umgeht. Materialistische, vielleicht sogar ausdrücklich atheistische Farben sind es vor allem, durch die sich die gedanklichen Affinitäten auf diesem Feld ebenso charakterisieren lassen wie durch den Verlust ethischer Konnotationen. Das Menschenbild verflacht, digitale Demenz und Abhängigkeiten werden gefördert, der Bezug zur Schöpfung Gottes tritt zugunsten von Second Worlds in den Hintergrund, die Strahlung droht zum Teil kurz- und langfristig zu schädigen. Kann der gewiss auch kirchlich und theologisch namhaft zu machende Nutzen von Mobilfunk-Technologien zu all dem spirituell noch ernsthaft in eine „abwägende“ Beziehung gesetzt werden?

Zumindest eine reflektierte Distanz dürfte für Theologie und Kirche angebracht erscheinen. Einseitige Empfehlungen zugunsten dieser Technologie63 oder gar ihre Gebrauchnahme auf Kirchtürmen um finanzieller Vorteile willen sind ethisch als fragwürdig einzustufen.64 Zu ernst steht es um die Zweifelhaftigkeit von sogenannten wissenschaftlichen Fürsprachen zugunsten der Unschädlichkeit von Mobilfunk-Strahlung;65 zu groß ist die Verantwortung auf dem Gebiet politisch und moralisch gebotener Vorsorge. Annette Scheunpflug hat Recht: „Wir leben in einer menschheitsgeschichtlichen Phase, in der die Folgenabschätzung menschlichen Handelns für die Zukunft entscheidender ist als je zuvor, da die Folgen entweder global oder regional sehr langfristige Auswirkungen haben können.“66 Demgemäß fordert Georg Sperber radikal „ein Umkrempeln bis tief hinein in das Wesen dieser Industriegesellschaft“.67

Öffentliche Theologie kann zu der international durch Politiker und Ärzte angemahnten Mobilfunk-Problematik68 schwerlich länger schweigen. Und Kirchenleitungen sollten sich davor hüten, Pfarrern oder Priestern womöglich einen Handy-Zwang zwecks gut gemeinter „ständiger Erreichbarkeit“ aufzuerlegen. Wer in der Überzeugung, „dass Gott Licht ist und keine Finsternis in ihm ist“ (1. Joh 1,5), selber „Licht der Welt“ (Mt 5,14) sein will, muss seine Handlungsweise auch auf diesem Gebiet gewissenhaft bedenken. Nicht bloß um rationale Vernunftabwägung geht es: Gottes Geist will die Gewissen erhellen und dazu antreiben, einfühlsam und verantwortungsbewusst gemäß dem Doppelgebot der Liebe zu verfahren.

Gefragt ist im Kontext theologischer Ethik eine humane69 Mobilfunk-Politik, deren Zielvorgaben sich nicht nach ökonomischen, sondern nach ökologischen Maßstäben bemessen und deren weltanschauliche Orientierung sich nicht von technisch-industriellen Interessen und sonstigen „weltlichen“ Horizonten, sondern von der christlich ganz tief begründeten Menschenwürde70 bestimmen lässt. Dann zählen Weisheit und Minderheitenschutz mehr als Zeitgemäßheit und technologisches Angepasstsein. Das Wort des Paulus gilt auch auf diesem Gebiet: „Prüft alles, und das Gute behaltet!“ (1. Thess 5,21). Zur Prüfung aber gehören deutliche Kriterien und ein klarer Standpunkt jenseits weltanschaulicher Beliebigkeit.


Werner Thiede, Regensburg


Anmerkungen

1 Friedrich Nietzsche, Morgenröthe (1881), IV. Buch, Abs. 376.

2 Schon vor Jahrzehnten erkannte Klemens Brockmöller, man habe „die Funktion der Technik für den modernen Menschen als Ersatz für die alte Magie erklärt, mit der man in primitiver Natur-Religiosität sich die Natur dienstbar zu machen versuchte, so daß also Technik als Religionsersatz dient“ (Industriekultur und Religion, Frankfurt a. M. 71964, 88). Im Streben nach absoluter Macht mit den Mitteln der Technik könne die Versuchung stecken, sich von der transzendentalen Abhängigkeit befreien zu wollen.

3 Vgl. bereits Ludwig Büchner, Über religiöse und wissenschaftliche Weltanschauung, Leipzig 1887 (Reprint 1999).

4 „Jede Weltanschauung impliziert aufgrund des ihr inhärenten Erkenntnisanspruchs immer auch handlungsleitende Aspekte“ (Werner Thiede, Art. Weltanschauung, V., in: RGG4 Bd. 8, 2005, 1405).

5 Laut Eilert Herms involviert jede als Akt verstandene Handlung die Weltanschauungsfrage (Menschenbilder und Weltanschauungen in der ethischen Urteilsbildung, in: Friederike Nüssel [Hg.], Theologische Ethik der Gegenwart, Tübingen 2009, 49-71).

6 Dazu das VII. Kapitel meines Mobilfunk-Buches – und zur Schädigung von Bäumen jetzt http://timesofindia.indiatimes.com/city/vadodara/Cellphones-ring-in-death-knell-for-plants-Study/articleshow/16715290.cms (Zugriff: 14.10.2012).

7 „Die rasante Entwicklung der modernen Naturwissenschaft und Technik hat zu einer weit gehenden Abkoppelung von Geisteswissenschaften und Kunst und zu einem Rückstand der kulturellen Verarbeitung technischer Entwicklungen geführt“, gibt Michael Kloepfer zu bedenken (Art. Technik, in: Evangelisches Staatslexikon3 Bd. 2, Stuttgart 1987, 3590). Das aber ist ungut: „Seit unsere wissenschaftliche Neugierde ohne die Korrekturen des Warum arbeitet, laufen tatsächlich viele selbstzündende Prozesse – gewissermaßen ohne uns –, deshalb vielfach gegen uns“ (Gertrud Höhler, Das Glück, Düsseldorf 1981, 99).

8 Werner Thiede, Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft, München 2012.

9 Claude Lévi-Strauss, Mythos und Bedeutung, Frankfurt a. M. 1980, 15.

10 Zu deren Problematik vgl. Karl Hecht u. a., Warum Grenzwerte schädigen, nicht schützen – aber aufrechterhalten werden. Beweise eines wissenschaftlichen und politischen Skandals, St. Ingbert 2009; Thiede, Mythos Mobilfunk, a.a.O., 128-135.

11 Georg Picht, Mut zur Utopie, München 1969, 133.

12 Dass Religion in unseren Breitengraden mitnichten „wiederkehrt“, zeigt mein Aufsatz „Wiederkehr der Religion in Westeuropa?“ in: MD 1/2011, 3-15.

13 „Es ist kein Gott, keine Religion, keine Bibel ...“ (Birgit Gebhardt, 2037. Unser Alltag in der Zukunft, Hamburg 2011, 170).

14 Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, in: Kulturtheoretische Schriften, Frankfurt a. M. 1986, 191-270, hier 222.

15 Vgl. Michael Krause, Wie Nikola Tesla das 20. Jahrhundert erfand, Weinheim 2010, 203ff.

16 Vgl. z. B. Oliver Simón, Nikola Teslas Äther-Energie Auto, in: Newsage Online 3/2010 (http://newsage.de/2011/04/nikola-teslas-ather-energie-auto, Zugriff 12.3.2012).

17 Vgl. mein Büchlein „Theologie und Esoterik“ (FThLZ 20, Leipzig 2007).

18 Z. B. wird die Schweizer Mobilfunkkritiker-Interessengemeinschaft „Gigaherz.ch“ unsachlich als ein „Esoterik-Verein“ abgetan in http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Elektrosensibilität&diff=prev&oldid=40525522  (Zugriff: 5.10.2012).

19 Vgl. z. B. Christian Rauch, Fahrer? Überflüssig! Das vollautomatische Auto wird bald Realität, in: Münchner Merkur vom 25.8.2012, 15.

20 Vgl. Marcus Rohwetter, „Smart Home“, in: DIE ZEIT 38/2012, 27: Schon bald „werden wir alle in Smart Homes wohnen ... Wenn wir erst die tollen Dinge gekauft haben, die wir kaufen sollen. Dahinter steckt die Idee, dass sämtliche Haushaltsgeräte und Einrichtungsgegenstände intelligent werden und kommunizieren – mit sich, mit uns, mit wem auch immer.“

21 „Technische Utopien, Science fiction nämlich, sind durchweg Horrorszenarien ...“ – so Gernot Böhme, Invasive Technisierung, Kusterdingen 2008, 21.

22 Primär weltanschaulich bedingt dürfte auch die bisher immer noch durchgesetzte, aber sachlich höchst fragwürdige Durchsetzung des Satzes „Für eine biologische Wirkung von Mobilfunkgeräten existieren keine Belege“ im Wikipedia-Artikel „Mobilfunk“ sein (siehe die dortige neuere Diskussion dazu).

23 Picht, Mut zur Utopie, a.a.O., 91. Nächste Zitate 136.

24 Böhme zufolge „ist die moderne Technik tief in die gesellschaftlichen Handlungsvollzüge eingedrungen, greift die technische Regulierung des menschlichen Lebens in der Tiefe des Organismus an“ (Invasive Technisierung, a.a.O., 17).

25 Vgl. Picht, Mut zur Utopie, a.a.O., 16.

26 Ebd., 102. Nächstes Zitat 103.

27 Ebd., 98. Nächstes Zitat 99.

28 Gregor Taxacher, Apokalypse ist jetzt. Vom Schweigen der Theologie im Angesicht der Endzeit, Gütersloh 2012, 52.

29 Dazu Näheres bei Thiede, Mythos Mobilfunk, a.a.O., bes. 70ff, 112ff.

30 Jochen Hirschle, Die Entstehung des transzendenten Kapitalismus, Konstanz/München 2012. Auch laut Taxacher gleicht der Spätkapitalismus „der Religion in traditionellen Gesellschaften, also der unreflektierten Weltanschauung, die nicht wirklich von außen angesehen, in Frage gestellt werden konnte (Apokalypse ist jetzt, a.a.O., 55).

31 Ins Grenzwissenschaftliche ragen etwa die Studien von Konstantin Meyl, Elektromagnetische Umweltverträglichkeit: Skalarwellen und die technische, biologische wie historische Nutzung longitudinaler Wellen und Wirbel, Teil 3, Villingen-Schwenningen 2003; Marco Bischof, Tachyonen, Orgonenergie, Skalarwellen: Feinstoffliche Felder zwischen Mythos und Wissenschaft, Aarau 2002.

32 Picht, Mut zur Utopie, a.a.O., 24. Schon Georg Simmel wusste: „Es gibt eine Unzahl von Gefühlsbeziehungen zu sehr irdischen Objekten, Menschen wie Dingen, die man nur als religiös bezeichnen kann“ (Beiträge zur Erkenntnistheorie der Religion, in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik 119 [1901], 11-22, hier 15).

33 Dazu Thiede, Mythos Mobilfunk, a.a.O., bes. 20ff und 99ff. Die derzeit anzutreffenden Werbeplakate für die neu eingeführte LTE-Technologie stehen in krassem Widerspruch zu den Leiden mancher Elektrohypersensibler just unter dieser besonders breitbandigen Strahlung.

34 Picht, Mut zur Utopie, a.a.O., 23f.

35 Taxacher, Apokalypse ist jetzt, a.a.O., 47.

36 Hier sei nur angedeutet, dass auch die Frage im Raum steht, inwiefern Mobilfunkfrequenzen sogar die Gehirntätigkeit beeinflussen können (womöglich eines Tages gezielt? Vgl. Thiede, Mythos Mobilfunk, a.a.O., 95ff). Schon 1995 erklärte Michael Persinger, der am US-Navy-Projekt für nichttödliche elektromagnetische Waffen arbeitete: „Die technische Möglichkeit, direkt auf den größten Teil der Milliarden Gehirne der menschlichen Spezies ohne Vermittlung durch die klassischen sensorischen Modalitäten Einfluss zu nehmen mittels der Erzeugung neuronaler Informationsverarbeitung innerhalb eines physischen Mediums, in das alle Mitglieder der Gattung eingetaucht sind, ist jetzt leicht realisierbar ...“ (Perception and Motor Skills 80, 791-799, hier 797 – übersetzt vom Vf.).

37 Anne Foerst, Von Robotern, Mensch und Gott, Göttingen 2008, 56. Nächstes Zitat 60.

38 Miriam Meckel, NEXT. Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns, Reinbek 2011, 117f.

39 Norman Spinrad, Die Neuromantiker. Nachwort zu William Gibson, Neuromancer, Berlin 1998, 366.

40 Der Utopie-Verdacht, dass „die Tendenz zum Totalitären zum Wesen der Maschine gehöre“, hat sein Recht (Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. 2: Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution, München 1980, 439). Eine solche Tendenz besteht auch in der Mobilfunk-Kultur (vgl. Thiede, Mythos Mobilfunk, a.a.O., 89ff).

41 Vgl. Werner Thiede, Zunehmende Vernetzung – Segen oder Fluch?, in: Brennpunkt Gemeinde 3/2012, 86-91.

42 So Hartmut von Hentig, Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben, Weinheim/Basel 2002, 57 und 69.

43 http://aufschreiblog.blogspot.com/2011/10/danke-steve.html  (Zugriff 5.3.2012).

44 Zitiert nach Götz Hamann/Uwe Jean Heuser, Der Weltinternetlobbyist, in: DIE ZEIT 21/2011, 36. Nächstes Zitat ebd.

45 So fragt der Psychologe Wolfgang Bergmann: „Wenn sich nun also mit Hilfe der neuen Technologien urplötzlich Erlebnislandschaften und Kommunikationsfelder auftun, die den harten, widerständigen Charakter der gegenständlichen Welt zeitweise widerrufen – sollten dann die zurückgedrängten archaischen und narzißtisch-untröstlichen Wunschanteile nicht nach ihnen greifen wie nach einer unvergleichlichen Befreiung?“ (Abschied vom Gewissen. Die Seele in der digitalen Welt, Asendorf 2000, 150).

46 Gebhardt, 2037, a.a.O., 106; siehe auch 146.

47 Vgl. Sherry Turkle, Verloren unter 100 Freunden, München 2012.

48 „Das Wandlungstempo ist zu hoch, aber die Warnsignale stellen sich erst spät ein, sie sind unvollständig und verzerrt, werden missachtet oder kurzerhand geleugnet“ (Donella H. Meadows u. a., Die neuen Grenzen des Wachstums, Reinbek 1992, 22).

49 „Je stärker sich die Sucht entwickelt, umso mehr entgleist die Gehirn-Chemie ... Das logische Denken erscheint immer öfter wie ausgeblendet“ (Gabriele Farke, Gefangen im Netz?, Bern 2011, 76).

50 „Wie digital sind wir?“ in: Neon, Oktober 2012, 22ff, hier 28.

51 Vgl. Manfred Spitzer, Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, München 2012.

52 Vgl. Nicholas Carr, Wer bin ich, wenn ich online bin ...?, München 2010; Frank Schirrmacher, Payback, München 2009.

53 Böhme, Invasive Technisierung, a.a.O., 18. Lévi-Strauss betonte schon vor dem Aufkommen des Mobilfunks: „Ich bin nicht der erste und wahrscheinlich auch nicht der letzte, der feststellt, daß die Entwicklung unserer großen modernen Gesellschaften die Tendenz hat, die Zwischenglieder zu pulverisieren, Individuen zu austauschbaren Atomen zu reduzieren, sie zu Gunsten einer anonymen Zentralgewalt zu enteignen“ (Mythos und Bedeutung, a.a.O., 242).

54 Böhme, Invasive Technisierung, a.a.O., 16. Nächstes Zitat 89.

55 Ebd., 87 und 92.

56 Im Ökonomismus wird „alles faktische ökonomische Geschehen gerechtfertigt durch seine unumstößliche innere Rationalität, selbst wenn die über Leichen geht“ (Taxacher, Apokalypse ist jetzt, a.a.O., 49).

57 Vgl. Alexander Lerchl, Macht Mobilfunk krank? Germering 2007. Ganz anders Hans-Christoph Scheiner, Mobilfunk, die verkaufte Gesundheit, Peiting 2006.

58 Dazu der instruktive Vortrag der renommierten Professorin Devra Davis, Handyexposition – Toxikologie und Epidemiologie. Eine Aktualisierung zum Forschungsstand (http://diagnose-funk.org/wissenschaft/risikowahrnehmung/prof-davis---vortrag-zum-stand-der-wissenschaft.php, Zugriff 24.9.2012), sowie Ulrich Warnke, Ein Wirkmechanismus der Schädigung ist beweisbar!, in: Hecht u. a. (Hg.), Grenzwerte, a.a.O., 44-49.

59 Siehe näherhin Thiede, Mythos Mobilfunk, a.a.O., 112ff und 186ff.

60 Dazu passt der in anderem Zusammenhang stehende Satz von Richard David Precht: „Nicht wissenschaftliche Erkenntnis, sondern Weltanschauung diktiert hier die Spielregeln“ (Die Kunst, kein Egoist zu sein, München 22012, 61).

61 Punkt 8.1.4 (Übersetzung durch diagnose-funk.de).

62 Axel Siegemund, Transzendenzmodifikationen, in: Katharina Neumeister u. a. (Hg.), Technik und Transzendenz, Stuttgart 2012, 79-108, hier 107.

63 Der Theologe Tonu Lehtsaar etwa meint: „Der Gebrauch eines Handys steht auch im Zusammenhang mit spirituellem Fortschritt“ (Handy/Fortschritt, in: Dietrich Korsch/Lars Charbonnier [Hg.], Der verborgene Sinn, Göttingen 2008, 210).

64 Vgl. Werner Thiede, Wenn’s vom Kirchturm funkt, in: Publik-Forum Nr. 23/2011, 21.

65 Vgl. z. B. Medizinprofessor Karl Hecht, Zu den Folgen der Langzeiteinwirkungen von Elektrosmog, St. Ingbert 2012, sowie die Broschüre der Professoren Franz Adlkofer und Karl Richter, Strahlenschutz im Widerspruch zur Wissenschaft, St. Ingbert 2011.

66 Annette Scheunpflug, „Erbittert Eure Kinder nicht!“, in: zeitzeichen 6/2011, 15.

67 Zitiert nach: Ulrich Grober, Ausstieg in die Zukunft, Berlin 1998, 248.

68 Neben der erwähnten Resolution des Europarat-Ausschusses sei auf den im Herbst 2012 erschienenen Internationalen Ärzte-Appell hingewiesen: Siehe http://freiburger-appell-2012.info/media/Internationaler%20%C3%84rzteappell_%202012_Okt_-1.pdf  (Zugriff 7.10.2012).

69 Taxacher hat Recht: „Weil Humanität nicht teilbar ist, wird sie insgesamt verletzt, wo sie nicht geteilt wird, wo anderen ihr Anteil daran verweigert und geraubt wird“ (Apokalypse ist jetzt, a.a.O., 80).

70 „Dass es nun so oft um den Schutz der Persönlichkeit und damit um die Garantie der Menschenwürde geht, liegt auch daran, dass die gesellschaftlichen und die technologischen Verhältnisse sich so schnell ändern. Es sind dadurch neue Gefährdungslagen für die Freiheit der Menschen aufgetreten, an die vorher niemand gedacht hat“ – so Hans-Jürgen Papier, früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichts, im SPIEGEL-Interview (52/2009, 38-40, hier 40).