Yoga

Mit Yoga Milliarden einsparen?

(Letzter Bericht: 1/2013, 31f) Yoga-Verbände weisen verstärkt auf präventive, therapeutische und heilende Wirkungen von Yoga hin. Sie werben dafür, dass der positive Nutzen vor dem Hintergrund medizinischer Studien von den Krankenkassen und den kassenärztlichen Vereinigungen einheitlicher anerkannt und in transparenteren Leistungskatalogen berücksichtigt wird.

Rücken- und Nackenerkrankungen verursachten als Volkskrankheit für Krankenkassen und Volkswirtschaft Milliardenkosten, hebt der Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDY) unter Berufung auf wissenschaftliche Studien hervor. Experten schätzten den volkswirtschaftlichen Gesamtschaden allein für Deutschland auf 49 Milliarden Euro. Yoga biete als Ressource für Wirtschaftsunternehmen und den Gesundheitssektor weitaus mehr als gemeinhin angenommen. Der BDY verweist u. a. auf eine randomisierte und kontrollierte klinische Pilotstudie zum Thema Yoga bei chronischen Nackenschmerzen von 2012, die im Rahmen laufender Projekte von einem Wissenschaftsteam um Andreas Michalsen und Arndt Büssing durchgeführt wurde. Michalsen ist Chefarzt der Naturheilkunde und Stiftungsprofessor an der Charité in Berlin, Büssing ist Lehrstuhlinhaber für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin an der Universität Witten/Herdecke. Das von beiden geleitete Projekt „Behandlung chronischer Rückenschmerzen durch nicht-pharmakologische Interventionsverfahren“ untersucht die Wirksamkeit von Heileurythmie, Yoga und Standard-Physiotherapie im Vergleich. Es wird von Stiftungen aus dem Bereich der anthroposophischen Medizin unterstützt.

Laut Pressemitteilung des BDY würden nur ein bis zwei Prozent der Gesamtausgaben der Krankenkassen in die „langfristige Gesundheit“ der Versicherten investiert. Hier sei das Potenzial von Yoga noch lange nicht ausgeschöpft. Dabei sei ein wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung eine bundesweit einheitliche Anerkennung von professionell ausgebildeten Yogalehrenden BDY/EYU (Europäische Yoga Union), die der BDY schon seit langem fordert.

Vier Wochen nach dem BDY ging Yoga Vidya bzw. der Berufsverband der Yoga Vidya Lehrer/innen (BYV) mit einer eigenen Mitteilung zum Thema „Yoga lohnt sich“ an die Öffentlichkeit. Yoga Vidya beruft sich mit anderer Diktion teilweise auf dieselben Studien, legt aber im Ergebnis vor allem eine „in sich stimmige Yogapraxis“ und intensives Üben nahe im Sinne des Yoga Vidya, das „als ganzheitlich wirkende Gesundheits- und Weisheitslehre“ gelehrt wird, „die bereits über Jahrtausende erfolgreich praktiziert wird, um sich dem Wesen von Mensch und Natur anzunähern“ (Sukadev V. Bretz, Gründer und Leiter von Yoga Vidya).

Die Wissenschaftler beurteilen die Ergebnisse vorsichtiger: „Inwieweit Yoga-Interventionen als Heilbehandlungen betrachtet werden können, muss erst noch festgestellt werden; gegenwärtig kann davon ausgegangen werden, dass Yoga als nützliche, unterstützende Ergänzung oder Zusatzbehandlung dienen kann.“

Der BDY ist mit ca. 3600 Mitgliedern der größte deutsche Berufsverband für Yogalehrende (deren es in Deutschland geschätzt rund 20 000 gibt), er kooperiert mit 37 Ausbildungsschulen, die eine vierjährige Ausbildung durchführen. Der BYV konkurriert als – mit deutlichem Abstand – zweitgrößter Verband auf dem Feld der Yoga-Angebote. Während der BDY die „segensreichen Wirkungen“ des Yoga eher weltanschaulich neutral vermitteln will, ist Yoga Vidya nach eigenem Verständnis „eine spirituelle Gemeinschaft, die dem Leben und den Lehren des klassischen ganzheitlichen Yoga in der Tradition von Swami Sivananda und Swami Vishnu-Devananda gewidmet ist“. Yoga Vidya betreibt nach eigenen Angaben Europas größtes Yoga-Seminarhaus und ist weltweit führender Anbieter von Weiterbildungen für Yogalehrende. Zu den Hauptzielen der Gemeinschaft gehört die Verbreitung des Yoga „als Dienst für andere Menschen“ zur persönlichen gesundheitlichen, energetischen und spirituellen Entwicklung.

Die konkurrierenden Yoga-Anbieter eint die Intention, gegen jüngst diskutierte, ganz anders lautende Thesen anzugehen. „Wie Yoga Ihren Körper ruinieren kann“, hatte die New York Times Anfang 2012 getitelt. Autor des Artikels, der eine Lawine an unterschiedlichsten Reaktionen lostrat, war der Wissenschaftsjournalist William J. Broad. Dessen Buch, das seine kontroversen Thesen hinter dem schlichten Titel „The Science of Yoga“ verbirgt, erschien wenig später. Auf knapp 300 Seiten fasst der zweifache Pulitzerpreisträger darin Forschungsergebnisse zusammen und berichtet mit kritischem Tenor über Risiken und Nebenwirkungen des Yoga, die er mit Fachleuten aus Medizin, Psychologie und Sportwissenschaften erörtert. Das Buch ist inzwischen auf Deutsch bei Herder erschienen.

Die Auseinandersetzung um den medizinischen Nutzen von Yogaübungen wird den Aufwärtstrend nicht stoppen. Wahrscheinlicher ist eher das Gegenteil, bilanzieren auch aktuelle Titelstorys bekannter Magazine (Spiegel 21/2013 „Der heilende Geist“; GEO Magazin 6/2013 „Alternative Medizin: Was Yoga kann“). Der Markt für Yoga ist jedenfalls vorhanden. Das Wall Street Journal hat den Börsenwert der internationalen Yoga-Industrie auf 42 Milliarden Dollar geschätzt, 500 Millionen Euro lassen sich die Deutschen ihre Yogapraxis kosten, Tendenz nach wie vor steigend.

BDY: www.yoga.de/presse/  bzw. www.yoga.de/fileadmin/Presse/PM_Nackenschmerzen_2013_final.pdf 

Yoga Vidya / BYV: www.ptext.de/nachrichten/yoga-vidya-studien-zeigen-yoga-lohnt-594801 

Wissenschaftsbericht (Arndt Büssing, Andreas Michalsen u. a.): www.hindawi.com/journals/ecam/2012/165410 


Friedmann Eißler