Robert Jewett, Ole Wangerin

Mission und Verführung. Amerikas religiöser Weg in vier Jahrhunderten

Robert Jewett, Ole Wangerin, Mission und Verführung. Amerikas religiöser Weg in vier Jahrhunderten, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, 340 Seiten, 34,90 Euro.


Der 11. September 2001 stellt wohl einen der tragischsten und zugleich besonders folgenreichen Tage in der amerikanischen Geschichte dar, der nicht nur Amerika, sondern die ganze Welt erschütterte. Er führte unter anderem zu Bushs „Kampf gegen das Böse“, den zahlreiche Amerikaner unterstützten. Wie es dazu kam, wollen Robert Jewett und Ole Wangerin in diesem Buch mit Hilfe eines geschichtlichen Abrisses der religiösen Tradition Amerikas herausarbeiten.

Das Buch entstand aus einer dreijährigen Vortrags- und Seminarreihe der Autoren in den Jahren 2004 bis 2006 am Center for American Studies (HCA). Jewett lehrt biblische Geschichte an der Universität Wales (Lampeter) und ist Gastprofessor für Neues Testament an der Universität Heidelberg. Wangerin hat Geschichte und Evangelische Theologie in Heidelberg und in den USA studiert und ist als Lehrer an einem Gymnasium in Süddeutschland tätig. Laut Vorwort soll das Buch dazu dienen, die historische Entwicklung des aktuellen Einflusses der Religion auf die amerikanische Politik kritisch zu beleuchten. Für einen schnellen Überblick sorgen die detaillierte Zeittafel sowie ein Abkürzungsregister wichtiger Organisationen und Vereine im Anschluss an das Vorwort. Nach einer ausführlichen Einleitung, die über das Ziel sowie die These des Buches informiert, wird das Thema in drei Kapiteln entfaltet: „Die Herausbildung der amerikanischen Religiosität“, „Die Krise des amerikanischen Christentums und der Aufstieg des Fundamentalismus“, „Das amerikanische Christentum – eine Gefahr für die Welt“. Es folgen eine Schlussbetrachtung, Anmerkungen, Literatur, ein Register sowie eine Übersicht über relevante Bibelstellen.

Nach Jewett und Wangerin ziehen sich seit der Gründung Amerikas religiöse Überzeugungen als Hauptinspirationsquelle amerikanischer Handlungsweisen wie ein roter Faden durch die religionsgeschichtliche Tradition. Zu Beginn des Buches berichten die Autoren über die Puritaner des frühen 17. Jahrhunderts, die aus Europa flüchteten, um in Amerika die „Stadt auf dem Hügel“, gleichsam ein neues Jerusalem, zu errichten. Weitere Schwerpunktthemen sind die Suche nach einer amerikanischen Identität im Unabhängigkeitskrieg sowie die Entwicklung des amerikanischen Fundamentalismus von einer Randerscheinung zu einer einflussreichen politischen Kraft. Am Ende der Entwicklung sehen die Autoren den Irakkrieg, „Bushs Kreuzzug gegen das Böse“. Mit ihrer These, „dass die derzeit besorgniserregende Lage Amerikas nicht nur in der Person des George W. Bush begründet ist, sondern eine Entwicklungsstufe innerhalb der amerikanischen Kultur als solcher darstellt“, stehen sie in der jüngsten Debatte weitgehend alleine da. Durch eine fundamentalistische Bibelauslegung ist es ihrer Meinung nach zur Entstehung einer regelrechten Kreuzzugsmentalität gekommen, die wiederholt Einfluss auf die amerikanische Politik nehmen konnte. Es stünden sich zwei entgegengesetzte, miteinander unvereinbare Traditionen gegenüber: einerseits der „missionarisch-eifernde Nationalismus“ mit dem unter Umständen auch mit Gewalt durchzusetzenden Ziel eines irdischen, amerikanischen Friedens, andererseits der „prophetische Realismus“, der nach der Erlösung der Welt zu einem versöhnlichen Miteinander auf friedlichem Wege strebe.

Um aus der Kreuzzugsmentalität herauszukommen und somit die Möglichkeit eines effektiven Dialogs zu schaffen, müssten die Amerikaner nach Meinung der Autoren die theologische Dimension der universellen göttlichen Gerechtigkeit für sich wieder entdecken. Dadurch wäre es möglich, sich von allzu festgefahrenen kulturellen Mustern der amerikanischen Religiosität zu lösen und neue Wege in der Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft in den Blick zu nehmen. Wer einen detaillierten wissenschaftlichen Überblick über die historische Entwicklung der christlichen religionsgeschichtlichen Traditionen Amerikas bekommen möchte, ist mit diesem Buch gut beraten. Jewett und Wangerin zeichnen diese ausführlich nach und binden sie überzeugend in ihre Argumentation ein. Als sehr hilfreich erweisen sich dabei ihre Erläuterungen wichtiger Personen und Gruppierungen. Wer sich allerdings gezielt und ausführlich über eine bestimmte religiöse Gruppierung oder die Entwicklung nichtchristlicher Religionen in Amerika informieren möchte, sollte zusätzliche Quellen heranziehen.


Lene Voigt, Bremen