Bee Scherer

Lama Ole Nydahl und der Diamantweg

Eine neo-orthodoxe Tradition im Umbruch - Teil 1

Mit weltweit über 600 Zentren ist der von Ole Nydahl (geb. 1941) gegründete und geleitete tibetisch-buddhistische Diamantweg eine rasch wachsende globale buddhistische Laienbewegung und wohl die größte ihrer Art in Mittel- und Osteuropa. Im Gegensatz zu anderen Konvertiten zum Buddhismus wie Sangharakshita, dem Gründer der Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens (FWBO, jetzt: Triratna), haben Nydahl und seine verstorbene Frau Hannah (1946 – 2007) sich nie als Initiatoren einer neuen, spezifisch westlichen (hybriden oder eklektischen) Form des Buddhismus betrachtet; vielmehr haben sie immer die Bedeutung einer engen traditionellen Einbettung ihrer Lehren in die globale Karma-Kagyü-Tradition betont. Ihr Diamantweg könnte als missionarisch betrachtet werden;2 die Bezeichnung „Neo-Buddhismus“ oder „Neuer Buddhismus“ (Coleman 2001) passt jedoch nicht (oder nur sehr eingeschränkt) dazu. Besser definiert werden kann der Diamantweg als „neo-orthodoxe“ (in der Terminologie von Peter Berger) oder, besser noch, als „neo-orthopraktische“ tibetisch-buddhistische Laienbewegung (siehe Scherer 2012).

Da die Praxis im Diamantweg traditionell und „technisch“ ist, kann dieser nicht als vorwiegend „charismatisch“ im Sinne der „technisch-charismatischen Dimension“ der Typologie von Anthony kategorisiert werden (Anthony und Ecker 1987, 39-40). „Charismatische“ Aspekte finden sich allerdings in dem Sinne, dass das persönliche Charisma von Nydahl einen wichtigen Faktor für den Zusammenhalt der Bewegung darstellt. Die von Galanter beschriebenen vier psychologischen Elemente einer charismatischen Gruppe (gemeinsames Glaubenssystem, sozialer Zusammenhalt, Verhaltensnormen und charismatische Führung, siehe Galanter 1989, 5) sind auf den Diamantweg weitgehend anwendbar.

Von buddhistischer und nicht-buddhistischer, von wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Seite ist Nydahl für seinen scheinbar unkonventionellen Lehrstil, sein Privatleben, seine politischen Ansichten und seine Rolle in dem andauernden Disput über die Anerkennung des 17. Karmapa, des höchsten Lamas der Karma-Kagyü-Schule, kritisiert worden (Scherer 2009; 2011). In dieser Hinsicht nimmt Nydahl eine eigentümliche Stellung unter den verschiedenen aus dem Westen stammenden buddhistischen Lehrern des 20. und 21. Jahrhunderts ein. Seine missionarischen Aktivitäten sind eindeutig verknüpft mit seiner kompromisslosen Treue gegenüber dem 16. Karmapa (1924 – 1981), nach dessen Tod sich der Diamantweg aus einer begrenzten Bewegung von westlichen buddhistischen Praktizierenden zu einem Akteur in der Politik des globalen tibetischen Buddhismus entwickelt hat. In dieser Periode hat Nydahl schließlich die Bestätigung als Lama (traditionell anerkannter Lehrer) erhalten und seine Bewegung in dem Schisma positioniert, das in der Karma-Kagyü-Schule um die Anerkennung des 17. Karmapa entstanden ist. Nydahl unterstützt den von dem verstorbenen 14. Rothut-Karmapa oder Shamarpa Mipham Chökyi Lodrö (1952 – 2014) anerkannten Trinley Thaye Dorje (geb. 1983) gegenüber Orgyen Thrinle Dorje (geb. 1985). Letzterer wurde von den drei anderen Karma-Kagyü-Regenten, darunter der 12. Tai Situpa (geb. 1954), anerkannt, was außerhalb der Schule unter anderem von der chinesischen Regierung und dem 14. Dalai Lama (geb. 1935) übernommen wurde. Der Diamantweg ist kontinuierlich weltweit gewachsen, bis die Bewegung 2007 mit dem Tod von Hannah Nydahl in ihre aktuelle spät-charismatische Phase eingetreten ist.

Gelehrt werden im Diamantweg neo-orthopraktische Meditationstechniken der Karma-Kagyü-Schule (Scherer 2009), vor allem ein einfaches Guru-Yoga (eine tantrische Meditation über den Lehrer), die 1959 vom 16. Karmapa zusammengestellt wurde.3 Auf dem mittleren Niveau wird ein traditioneller Zyklus aus vier vorbereitenden Praktiken gelehrt, wie ihn der 9. Karmapa (1556 – 1603) zusammengestellt hat.4 Es wird geraten, diesen Zyklus auch dann weiter zu praktizieren, wenn man ihn das erste Mal abgeschlossen hat. Auf der fortgeschrittenen Ebene wird seit 1986 ausschließlich ein Guru-Yoga über den 8. Karmapa (1507 – 1554) gelehrt, das Nydahl in den frühen 1970er Jahren vom 16. Karmapa vermittelt bekommen hat.5 Diese Abfolge ist eine ebenso bewusste wie restriktive Auswahl aus dem reichen Schatz an Kagyü-Praktiken. Im persönlichen Austausch hat ein hoher Karma-Kagyü-Lehrer den Diamantweg mir gegenüber als buddhistische „Grundschule“ bezeichnet, von der man „zu substanzielleren Lehren übergehen“ könne.

Wie bei einer neo-orthopraktischen Bewegung zu erwarten, dient „Übertragung“ im Diamantweg als wichtige hermeneutische Kategorie, um spirituelle Gültigkeit, Identifikation und Authentizität zu behaupten. Nydahl verwendet „Übertragung“ als Motiphem (d. h. als minimales Strukturelement der narrativen Funktion). Aus der Perspektive einer Hermeneutik des Verdachts könnte das als Mittel der Selbststilisierung gelten; aus einer Hermeneutik des Vertrauens kann ein echtes Übertragungs-Narrativ als notwendig für spirituelle Behauptungen gesehen werden; Charisma allein ist unzureichend (vgl. Caplan 2001, 421 – 427). Zwei weit verbreitete, stilisierte Autobiografien bilden den Kern von Nydahls Legitimierungs- und Übertragungsgeschichte (siehe die Quellen am Ende dieses Aufsatzes). Sie erfüllen die Funktion von Hagiografien, die die narrative Dimension des Identitätszusammenhalts im Diamantweg darstellen. Hervorgehoben werden die Aspekte Identität und Gruppenkohäsion von Nydahl selbst bei praktisch jedem öffentlichen Vortrag. Die erste dieser Darstellungen, „Die Buddhas vom Dach der Welt“6, enthält die grundlegende Schilderung von Nydahls Konversion, seiner spirituellen Lehrzeit und seiner Mission (oder Sendung) in den Jahren 1969 bis 1972. Das zweite Buch, „Über alle Grenzen“7, bezieht sich auf die erste charismatische Phase der Bewegung, die mit Ole und Hannah Nydahls Rückkehr nach Kopenhagen am 7. Oktober 1972 begann und bis in die frühen 1990er Jahre andauerte.

Quellen und Methodologie

Die verfügbaren Quellen zu Nydahls Leben und seinen Lehren stellen die Forschung vor diverse Schwierigkeiten. Eine Quellenkategorie stellen die in großem Umfang veröffentlichten und oft veränderten, adaptierten und übersetzten offiziellen Berichte dar, vor allem die beiden erwähnten autobiografischen (oder auto-hagiografischen,tibetisch rang gi rnam thar) Bücher „Die Buddhas vom Dach der Welt“ (1979)8 und „Über alle Grenzen“ (1990)9. Diese Berichte sind wiederholt überarbeitet worden und stellen den „offiziellen“ hagiografischen Standpunkt dar. Verschiedene nicht „gereinigte“ Darstellungen sind in Nydahls mündlichen Belehrungen bei seinen Vorträgen und Kursen zu finden, die häufig im Internet gestreamt werden. Eine Reihe von Büchern mit Fragen und Antworten in mehreren osteuropäischen Sprachen (Polnisch, Ungarisch, Tschechisch und Russisch) stellt eine ausgezeichnete Quelle für nur wenig oder gar nicht redigierte Transkripte von Vorträgen dar. Auch wenn diese simultan vom Englischen in die jeweilige Landessprache übersetzt wurden, bieten sie einen guten Eindruck von Nydahls direktem Lehrstil.10

Viele wichtige Dokumente zur Entwicklung nach 1990, vor allem in Osteuropa, sind durch halbinterne Publikationen und anderes Archivmaterial zugänglich. Zum Beispiel waren Diamantweg-Zeitschriften wie das 1996 in den USA gegründete „Buddhism Today“ im Jahr 1999 bereits in fünf Sprachen verfügbar (Englisch, Deutsch, Dänisch, Ungarisch und Russisch). 2003 waren es 13 Sprachen, und seither ist die Zahl noch gestiegen. Wer eine wissenschaftlich fundierte Biografie erstellen will, muss daher einen methodologischen Pluralismus anwenden, wenn es um die Verfolgung und Auswertung der emischen (auto-)hagiografischen Berichte geht. Ein solcher pluralistischer Ansatz kann sich der Literaturkritik und der Diskursanalyse bedienen, um Fakten und Fiktion zu analysieren; wo nur wenig publiziertes Material verfügbar ist, kann eine qualitative ethnografische und anthropologische teilnehmende Beobachtung die emischen normativen Berichte ergänzen und gelegentlich infrage stellen. Die für die Untersuchung neuer religiöser Bewegungen verfügbaren soziologischen Paradigmata und Typologien, darunter die Konversionstheorie, können angewandt (und gelegentlich infrage gestellt) werden. Während eine ausreichende etische Distanz aufrechterhalten wird, wie sie für eine kritische wissenschaftliche Untersuchung notwendig ist, sollten auch emische hermeneutische Paradigmen aus der Geschichte des tibetischen Buddhismus und besonders der Kagyü-Tradition (wie das Konzept der „verrückten Weisheit“) herangezogen werden. Auch die Position der forschenden Personen – ihre Befangenheit und der Grad ihres Beteiligtseins (die bekannte Insider-Outsider-Problematik bei der Beschäftigung mit Religionen, siehe z. B. McCutcheon 1999, Knott 2005) – muss transparent und, falls nötig, anfechtbar sein.

Was mich als Wissenschaftler und zugleich Praktizierender angeht, habe ich meine Feldforschung vor 2012 als teilnehmender Beobachter durchgeführt. Dabei bin ich ständig von der Insider- in die Outsider-Rolle gewechselt, während ich an dem Entstehen des Diskurses mitgewirkt habe, den ich als Wissenschaftler untersuche. Im vorliegenden Aufsatz ist es mein Ziel, eine buddhistische Perspektive des „sowohl – als auch“ aufrechtzuerhalten; wie ich anderswo dargestellt habe, muss die Hermeneutik des Verdachts durch die Hermeneutik der Wiedergewinnung ausbalanciert werden (Ricœur, siehe Scherer 2009).

Forschungen zum Diamantweg bis 2010

Die wissenschaftliche Rezeption von Ole Nydahl und seinem Diamantweg setzt in den 1990er Jahren ein (vgl. Scherer 2009, 30). Anderson (1994) wendet die von Wallis entwickelte Typologie neuer religiöser Bewegungen auf den tibetischen Buddhismus in Dänemark an und charakterisiert den Diamantweg als „weltbejahend“ (152). Stephen Batchelor bezeichnet Nydahl als „sonnengebräunten Wikinger“, der eine „ekstatische, sinnliche Version des tantrischen Buddhismus“ mit „fundamentalistischen und sektiererischen Untertönen“ präsentiere (1994, 114). Eine ausgewogenere Beurteilung Nydahls hat Andrew Rawlinson auf zwei Seiten vorgenommen (1997, 462f). Aus Deutschland stammt Eva Saalfranks qualitative ethnografische Untersuchung über die Identität von Konvertiten, ursprünglich eine Dissertation von 1995. Sie enthält eine erste ausführlichere Einschätzung von Nydahl und dem Diamantweg (vgl. besonders Saalfrank 1997, 124-140), die trotz aller notwendigen Vorbehalte noch immer wertvoll ist. Es folgen kurze kritische Kommentare von anderen europäischen Religionswissenschaftlern, darunter Oliver Freiberger (2001, 65, 70, Anm. 30), Martin Baumann (2002, 99; 2005, 377) und Lionel Obadia (2002a; 2002b, 182f; 2007, 105). Schließlich bietet Jørn Borup (2005, 156-163; 2007, 46-49; 2008) einen Überblick und eine ausgewogene Bewertung von Nydahl und des Diamantwegs in Dänemark. 2009 habe ich versucht, einen neuen hermeneutischen Rahmen für eine breitere Beurteilung und Analyse der Bewegung zu etablieren (Scherer 2009).

Anfänge des Diamantwegs

Während des Zweiten Weltkriegs in eine dänische Mittelschichtsfamilie geboren, wuchs Ole Nydahl (geb. 1941) in einem relativ geschützten Umfeld in Lyngby nördlich von Kopenhagen auf. Die „Wildheit“, mit der er sich als Kind charakterisiert (Klein 1998, 55, vgl. Nydahl 1985, 50, ²1999, 38)11 blieb ihm in jungen Jahren erhalten; er geriet regelmäßig in Streitereien und war bei seinem Wehrdienst in der dänischen Armee schwer zu disziplinieren (1960 – 1961; Nydahl 1985, 8 = ²1999, 2). Statt sein Universitätsstudium abzuschließen, wandte er sich dem Motorradfahren, dem Boxen und dem Drogenkonsum zu. Gemeinsam mit seiner Jugendliebe und späteren Frau Hannah (1946 – 2007) experimentierte er unter anderem mit Cannabis und LSD, Drogenschmuggel eingeschlossen. Ein lebenslanger Freund von ihm hat das so ausgedrückt: „Die Leute vergessen immer, dass Ole damals kein besonders netter Mensch war“ (persönliche Mitteilung, 2007). Dieser Kommentar kann als Gegengewicht zu der offiziellen (auto-)hagiografischen Lesart gelten, bei der Nydahls ungestümer Charakter als natürliche Folge seiner in früheren Leben erfolgten Prägung als „Schützer“ gesehen wird.12

Dieses wiederholt auftauchende (auto-)hagiografische Element dient als intratextuelle Vorbereitung und Bekräftigung von Nydahls seit 1980 aufgestellter Behauptung, er sei eine Emanation der buddhistischen Schützergottheit Mahākāla (vgl. Scherer 2009, 24f). Misstrauische Kritiker betrachten dies als Beispiel für Nydahls Neigung zu einem voreiligen Anspruch auf spirituelle Autorität, zu Übertreibung, Selbstmystifizierung und Selbstverherrlichung (vgl. z. B. Saalfrank 1997, 131f). Intertextuell legitimiert Nydahl seine Metanoia (innere Umkehr), indem er sein „Die Buddhas vom Dach der Welt“als ein Buch im Stile von Milarepas Lebensgeschichte bezeichnet.13 Letztere14 erzählt von der Bekehrung, Buße und Befreiung des berüchtigten Schwarzmagiers und Mörders Milarepa (1040 – 1123), der später zu einem berühmten Yogi wird. Er ist einer der verwirklichten Gründer der Kagyü-Schule und ein wichtiges Glied in den Übertragungslinien von deren verschiedenen Zweigen. Als selbsternannter moderner Yogi legt Nydahl es seinen Lesern nahe, seine eigene Lebensgeschichte als moderne Variante von Milarepas dramatischer Verwandlung zu interpretieren.

Die Geschichte von Nydahls Konversion und Sendung wird oft als seine „drei Jahre im Himalaja“15 bezeichnet, in denen er und seine Frau – laut eigener Darstellung – zu den „ersten westlichen Schülern des großen tibetischen Meisters, Seiner Heiligkeit des 16. Gyalwa Karmapa“ wurden (Nydahl 1985, hintere Umschlagseite).16 Seine „drei Lehrjahre“ sind dabei erzähltechnisch so konstruiert, dass sie zu einem Vergleich (wenn nicht gar zu der impliziten Gleichsetzung) mit traditionellen Dreijahresretreats einladen. Solche Retreats werden seit den im 19. Jahrhundert durchgeführten Reformen von Jamgon Kongtrul Lodrö Thaye (siehe Kongtrul 1994) normalerweise als Voraussetzung für den Titel „Lama“ angesehen (Scherer 2009, 35 und Anm. 21). In Wirklichkeit war die Zeit, die Ole und Hannah Nydahl im Himalaja und mit dem 16. Karmapa verbracht haben, kürzer, wenn auch intensiv.

In seiner tibetischen Biografie (rnam thar, „Befreiungsgeschichte“) des 16. Karmapa (1924 – 1981) referiert der 14. Shamarpa kurz die Konversion Nydahls und dessen folgende missionarische Aktivitäten (Shamar Rinpoche 2013, 102-105): „1968 AD begab sich S. H. [Seine Heiligkeit, gemeint ist der 16. Karmapa] in die Hauptstadt von Nepal; zu dieser Zeit gewährte er zwei Westlern aus Dänemark namens Ole Nydahl und dessen Frau Hannah Nydahl, die Hippies waren, Zuflucht und die Bodhisattva-Gelübde; er machte sie zu seinen Schülern. Nachdem sie den Gebrauch von Drogen aufgegeben hatten, gewährte S. H. ihnen (einige der) Upāsaka- (Laien-) Gelübde ... 1972 sagte S. H. den beiden, sie sollten nach Europa zurückkehren, um überall die Vier Edlen Wahrheiten zu verkünden ... Er sagte Ole Nydahl, wenn jemand die Zufluchtsgelübde ablegen wolle, so habe er die Erlaubnis, diese zu gewähren“ (Shamar Rinpoche 2013, 102, Übersetzung B. S.).

Die folgende Passage in Shamarpas Buch bezieht sich auf Nydahls rhetorische Fertigkeiten und seinen Erfolg beim allmählichen Aufbau von weltweit etwa 600 Dharma-Zentren, wobei die grundlegende Wirkung des 16. Karmapa hervorgehoben wird. Ansonsten konzentriert sich die kurze Erwähnung Nydahls auf die Gründung des Zentrums in Kopenhagen und auf Nydahls Unterstützung für den dortigen Besuch des Dalai Lama in den Jahren 1973 und 1988. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Text Nydahls eigene Aussage bestätigt, er habe die Autorität zum Gewähren von Zuflucht erhalten, was für ihn einen Meilenstein in der Anerkennung als Lama darstellte. Der Grund dafür, Nydahl in der Biografie (rnam thar) des 16. Karmapa zu erwähnen, wird vom Autor abschließend so wiedergegeben: „Wenn ich in der Befreiungsgeschichte [des Karmapa] über [Nydahls Aktivitäten] schreibe, während Lama Ole [noch] am Leben ist, damit es später keine Missverständnisse gibt, so zeigt dies, dass [Nydahls Aktivitäten] zugleich das Ergebnis der Aktivitäten des Gyalwa Karmapa sind. Daher habe ich dies hier explizit einbezogen“ (Shamar Rinpoche 2013, 104f, Übersetzung B. S.).

In seinen frühen Phasen ist der Diamantweg tatsächlich von der Mission eines engagierten Konvertiten zu einem bemerkenswerten Vehikel der Globalisierung der Kagyü-Schule herangewachsen. Im Herbst 1972 hat Nydahl Vorträge auf der dänischen Insel Møn und in Kopenhagen gehalten, dann führten ihn seine missionarischen Aktivitäten bereits im November dieses Jahres über die Grenzen Dänemarks hinaus, indem er zum ersten Mal im österreichischen Graz buddhistische Zuflucht gewährte. Wenig später stellten die Nydahls die Kagyü-Lehren bei einer spirituellen Veranstaltung in Odense vor. In der Folge wurde die Praxis auf charakteristische Weise verwestlicht, indem statt der Rezitation von Pūjās auf Tibetisch geführte Meditationen in der jeweiligen Landessprache präsentiert wurden. In dieser Periode hat Nydahl außerdem eine vor-vorbereitende Praxis entwickelt, die es nur im Diamantweg gibt.17 Dies ist die „kurze Zuflucht“, eine Meditation aus 11 111 vereinfachten Mantra-Wiederholungen, die der Zuflucht samt Niederwerfungen (111 111 Wiederholungen) des sngon gro’ vorausgehen.

Nachdem die Nydahls 1972 ein Zentrum in Kopenhagen gegründet hatten, entstanden nach und nach Gruppen in Schweden und Deutschland; gute Kontakte zur Theosophischen Gesellschaft in Utrecht sorgten für die Verbreitung der missionarischen Aktivitäten in den Niederlanden. Eine wichtige Rolle spielten die Nydahls bei den Aufenthalten von Kalu Rinpoche (Mai 1974 bis Ende 1976) und des Karmapa (Winter 1974/1975 und Sommer 1977). Im Juni 1975 zog das Kopenhagener Zentrum an seinen derzeitigen Standort um. Es folgten einige Rückschläge in Schweden und bei ersten Aktivitäten in Griechenland. 1976 führten Nydahls missionarische Bemühungen ihn hinter den Eisernen Vorhang in die Tschechoslowakei und nach Polen, wo in Krakau eine Gruppe entstand.

Während Nydahl sich auf die Gründung von Zentren konzentrierte, ließ er eine eindeutige neo-orthopraktische Vorgehensweise erkennen, als er im Herbst 1977 aus Sorge um die Reinheit der Übertragung Stellung gegen ein nicht auf eine einzelne Schule beschränktes (tib. ris med) Zentrum in Hamburg bezog.18 In München wurde der Karma-Kagyü Verein mit Nydahl als Vorsitzendem gegründet. Später wurde Tenga Rinpoche, der 1978 und 1979 mehr als ein Jahr in Kopenhagen verbrachte, zum zweiten Vorsitzenden.

Nachdem der 16. Karmapa 1981 in Chicago gestorben war, etablierte Nydahl sich als einflussreiche Stimme in der globalen, traditionellen, monastisch dominierten Karma-Kagyü-Schule. Mit der sechsmonatigen Übertragung des Rin chen gter mdzod durch Kalu Rinpoche 1983 – zusätzlich zu (unter anderem) der Übertragung des kLong chen snying thig ’pho ba durch Ayang Tulku (1972), der „Sechs Yogas von Nāropa“ (nā ro chos drug, 1975) und des bKa’ brgyud sngags mdzod (1976) durch den Karmapa – konnte Nydahls Ausbildung und spirituelle Übertragung als vollständig betrachtet werden. In der ersten Phase entstand ein westlicher Meditationsstil, während zugleich das tibetische Ritual beibehalten wurde. Innerhalb von Karma-Kagyü kam es zu einem politischen Machtkampf zwischen Kalu Rinpoche, Chime Rinpoche, Ayang Tulku und den Nydahls. Die Vorstellung einer territorialen Aufteilung entstand, wobei Nydahl sich als speziell für die deutschsprachigen Länder, Skandinavien, die Niederlande und die slawischen Länder autorisiert sah, während er Frankreich den monastischen Karma-Kagyü-Vertretern überließ (Scherer 2009, 32f). Zur selben Zeit wurden neo-orthodoxe Aspekte erkennbar, und eine erste Phase der Institutionalisierung setzte ein.

Nydahls missionarischer Impuls führte ihn zu der für ihn typischen umfangreichen Reisetätigkeit, nachdem er sich ursprünglich auf Dänemark, Deutschland und Österreich konzentriert hatte. Beispielsweise reiste er 1988 dreimal rund um die Welt (Nydahl ²1989, 244). Ab den 1980er Jahren besuchte er mehrere kommunistische Länder, und auch in den Vereinigten Staaten sowie in Mittel- und Südamerika verbreitete sich der Diamantweg.19

Anfang der 1990er Jahre hatte Nydahl sich als anerkannter buddhistischer Lehrer – als Lama – etabliert. Seine Autorisierung und spirituelle Legitimation als authentischer Karma-Kagyü-Lehrer gehört zu den immer wiederkehrenden Themen in den hagiografischen Schriften des Diamantwegs. Auf dem Hintergrund des tibetischen Genres der hagiografischen rnam thar („Befreiungserzählungen“) ist das nicht weiter überraschend, da die Konstruktion von Authentizität, Übertragung und spiritueller Abstammungslinie einen zentralen Bestandteil der rnam thar darstellt. Es scheint offenkundig, dass Nydahls spirituelle Entwicklung nicht abgeschlossen war, als er ins kalte Wasser der buddhistischen Missionsarbeit im Westen geworfen wurde. Die erste charismatische Phase (1972 – 1981) war daher eindeutig nicht nur eine Zeit des Lehrens, sondern auch – und vorwiegend – eine Zeit des Lernens.

Als „buddhistischer Meister“ formell anerkannt wurde Nydahl schließlich im August 1983 von dem Linienhalter Shamar Rinpoche.20 Dennoch ist es durchaus plausibel, dass der Karmapa ihn bereits als „Lama“ bezeichnet hat, wie Nydahl selbst behauptet. Das hätte der Karmapa aus Rücksicht auf die traditionelleren Zweige seiner Schule dann inoffiziell und nur innerhalb des Diamantweg-Kreises getan. Die Verwendung des Titels „Lama“ bei der Autorenangabe von Nydahls Büchern setzt 1992 ein; seit 1995 ist dokumentiert, dass höhere Lamas diesen Titel auf Nydahl angewendet haben.


Bee Scherer, Canterbury (UK)


Der zweite Teil dieses Beitrags folgt im nächsten Heft. Darin geht es dann um die Ausbreitung des Diamantwegs ab 1992 und die Phase der Konsolidierung und Institutionalisierung, die nach dem entscheidenden Einschnitt einsetzte, den der Tod von Hannah Nydahl (2007) bedeutete.


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Scherer, Burkhard (2014b): Trans-European Adaptations in the Diamond Way. Negotiating Public Opinions on Homosexuality in Russia and in the U.K, in: Heidelberg Journal of Religions on the Internet 6, 103-125, http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/religions/article/view/17362/11173.

Shamar Rinpoche (2013): Scent of the Kumud Flower. Biography of the 16th Karmapa, Kalimpong.

Soucy, Alexander (2010): Asian Reformers, Global Organizations. An Exploration of the Possibility of „Canadian Buddhism“, in: Harding, John S. / Sōgen Hori, Victor / Soucy, Alexander (Hg.): Wilde Geese. Buddhism in Canada, Montreal / Kingston, 39-60.

Yamamoto, Carl Shigeo (2009): Vision and Violence. Lama Zhang and the Dialectics of Political Authority and Religious Charisma in Twelfth-century Central Tibet, Dissertation, University of Virginia.

Anmerkungen

  1. Dieser Aufsatz in seiner revidierten und aktualisierten Form basiert teilweise auf Bee Scherer: Conversion, Devotion and (Trans-)Mission: Understanding Ole Nydahl, in: Todd Lewis (Hg.): Buddhists: Understanding Buddhism Through the Lives of Practitioners, Wiley-Blackwell, London 2014, 96-106 (mit freundlicher Erlaubnis).
  2. Scherer 2009, 27; zur Anwendung des Begriffs auf buddhistische Bewegungen siehe Learman 2005.
  3. In Nydahls auto-hagiografischen Büchern wird die Übertragung dieser grundlegenden Meditation merkwürdigerweise nicht erwähnt. Laut Nydahls späterer Erinnerung hat der Karmapa ihm die Praxis 1970 übertragen (s. Nydahl 2007, 24; der tibetische Text findet sich in KKD 1999; s. auch Scherer 2009, 36). Diese einfache „Drei-Lichter-Meditation“ wird gemeinhin zwar als charakteristische Praxis des Diamantwegs angesehen, es ist jedoch erwähnenswert, dass sie gelegentlich auch außerhalb dieser Bewegung praktiziert wird.
  4. Die vorbereitende (oder einleitende) Praxis besteht aus der Rezitation von jeweils 100 000 oder 111 111 Wiederholungen der Zufluchtsformel, verbunden mit Verbeugungen (um den Körper zu reinigen), der Rezitation des Hundert-Silbigen-Mantras von Vajrasattva (um Rede und Geist zu reinigen), der Rezitation der Formel für das Mandala-Opfer (um allen Buddhas voll Dankbarkeit das ganze Universum darzubringen und den Geist mit zahllosen positiven Eindrücken zu füllen) sowie der Rezitation der Formel der Hingabe an die Gurus (um die Übenden auf den Segen der höheren tantrischen Meditationen vorzubereiten).
  5. Siehe Nydahl 1979, 211; 1983, 194f; 1985, 216; ²1989, 224; ³1994, 185; ausführlicher in Nydahl ²1999, 191; 42003, 227f.
  6. Deutsch: 1979, ²1989, ³1995, 42003; Dänisch: 1983; Englisch 1985, ²1999.
  7. Deutsch: 1990, ²1994, ³2005; Englisch: 1992.
  8. Diese Ausgabe bildet die Grundlage der 1985 erschienenen englischen Ausgabe. Für die zweite deutsche Auflage wurde Nydahls „dänisches Deutsch“ gründlich von zwei Schülern überarbeitet (Nydahl ²1989, 7). Außerdem enthielt diese Ausgabe einen Anhang mit einem 1982 in der Zeitschrift Esotera erschienenen Interview. In der dritten Auflage (1994) wurden dieser Anhang und einige andere „überholte“ Passagen weggelassen. Die aktuelle deutsche Version von 2003 wurde von Nydahls deutschem Team vollständig redigiert und neu formuliert. Die in allen Ausgaben seit der zweiten deutschen Auflage enthaltenen Meditationen wurden kontinuierlich modifiziert und modernisiert.
  9. Die zweite deutsche Auflage (1994) beschreibt die Aktivitäten bis 1994; im Vorwort schreibt Nydahl: „Die erste und zweite Auflage dieses Buchs trennen Lichtjahre“ (6). Die dritte deutsche Auflage enthält schließlich eine zweiseitige Aktualisierung mit dem Titel „Ausblick 1994 – 2005“, Nydahl ³2005, 440f.
  10. Nydahl 1993; 1998ab; 2001; 2002; 2003; 2004; 2006; 2008; 2009.
  11. Nydahl bezeichnet sich als „ungeeignet für jede Dressur“ (Nydahl 1990, 90 = ²1994, 80 = ³2005, 88).
  12. Siehe z. B. Nydahl 1996, 33; 1997, 31; ²1999, 2 (nicht jedoch in der ersten Ausgabe von 1985!).
  13. „Ein Buch im Stil der Lebensgeschichte Milarepas“ (Nydahl ²1994, 118 = ³2005, 127).
  14. Eine berühmte Übersetzung ins Englische stammt von Walter Y. Evans-Wentz (1928); für eine neuere Übersetzung siehe Quintman 2010.
  15. Nydahl 1992, 9; der Ausdruck „Lehrjahre“, der auf das literarische Genre des Bildungsromans verweist, stammt aus den deutschen Ausgaben (1990, 9 = ²1994, 9 = ³2005, 13).
  16. Das Mythologem, die Nydahls seien die ersten westlichen Schüler des 16. Karmapa gewesen, kann bis mindestens 1982 zurückverfolgt werden. Offenbar ist es kurz nach dem Tod des Karmapa entstanden. Während es in der ersten Ausgabe von „Die Buddhas vom Dach der Welt“ (Nydahl 1979) und im Haupttext von allen folgenden deutschen Ausgaben fehlt, stellt Nydahl diese Behauptung in der dänischen Ausgabe (Nydahl 1983, 61) und den englischen Ausgaben auf (Nydahl 1985, 66: „Pretty or not, we were his [d. h. des 16. Karmapa] first Western disciples“ = ²1999, 54, aber mit „students“ statt „disciples“). Den frühesten Nachweis habe ich in einem Interview in der deutschsprachigen Zeitschrift „Esotera“ aus dem Jahr 1982 gefunden (wiedergegeben als Anhang zu Nydahl ²1989). Hier stellte Nydahl diese Behauptung auf, als er nach der Bestattungszeremonie für den 16. Karmapa gefragt wird (Nydahl ²1989, 255): „Hannah und ich waren seine [d. h. des 16. Karmapa] ersten westlichen Schüler.“ Laut persönlichen Mitteilungen von Tenzin Peljor und Carola Roloff (Jampa Tsedroen) gibt es genügend Belege dafür, dass die Nydahls in Wirklichkeit nicht die ersten westlichen Schüler des 16. Karmapa waren. Zum Beispiel wurde die Britin Freda Bedi bereits 1960 eine Schülerin des Karmapa (vgl. Mackenzie 1998, 96); 1966 wurde sie von ihm als erste westliche Frau als tibetisch-buddhistische Nonne ordiniert (vgl. Mackenzie 1998, 138f). Im folgenden Jahr (und damit ebenfalls bevor die Nydahls dem Karmapa begegneten) wurde eine zweite Frau aus dem Westen von ihm ordiniert: Diane Perry, die den Namen Jetsunma Tenzin Palmo erhielt. Nydahls Äußerungen zu Freda Bedi in seinen auto-hagiografischen Schriften verdeutlichen eine Entwicklung, wenn man die verschiedenen Ausgaben betrachtet. Anstelle der anfänglichen Wertschätzung für diese westliche Nonne tritt im Laufe der Zeit eine herablassende Kritik, die Freda Bedis Rolle als Lehrerin Nydahls und bei der Förderung des tibetischen Buddhismus im Westen herunterspielt. Diese Entwicklung scheint zu Nydahls Neigung zu Selbstverherrlichung und zu seiner anti-monastischen Agenda zu passen.

  17. Nydahl 1979, 231; 1983, 214; 1985, 235; ²1989, 244, in folgenden Ausgaben weggelassen.
  18. Nydahl 1990, 117f = 1992, 123 = ²1994, 104f = ³2005, 113f.
  19. Für eine ausführlichere Analyse der zweiten charismatischen Phase (1981 – 1992) siehe Scherer 2014, 100-102.
  20. Das betreffende Dokument wird reproduziert in Nydahl 1983, 219, und in allen folgenden englischen und deutschen Ausgaben von „Entering the Diamond Way“ bzw. „Die Buddhas vom Dach der Welt“ bis hin zur vierten deutschen Auflage Nydahl 2003), wo es weggelassen wird; inzwischen hatte diese Authentifizierung offenbar ihre Funktion erfüllt.