Matthias Pöhlmann

Kürbis, Karneval, Kommerz

Halloween in Deutschland

Der 31. Oktober, in der Evangelischen Kirche als Gedenktag der Reformation begangen, hat in den letzten Jahren Konkurrenz bekommen: "Die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November gehört den Hexen, Geistern und Gruselmonstern. Es ist die Zeit der länger werdenden Nächte, der Kürbisse in Küchenfenstern, der Vampir-Partys und der bettelnden Gespenster an der Haustür - es ist Halloween! Und es wird Zeit für die Vorbereitung..." Dafür hat ein namhafter Buchversand im Internet rechtzeitig die entsprechende Ratgeberliteratur für Eltern und Kinder zusammengestellt: ob Fest-Ideen mit Schminkvorbildern, Deko-Varianten, den ultimativen Halloween-Bastelblock oder für die Dreijährigen den Band "Teddy feiert Halloween". Gefragt sind vor allem Tipps zur Gestaltung des Tages: für Geisterspiele, Vampirsuppen, Frankensteins Pizza und Zauberrezepte für ein Hexenbüffet mit "Spinnenspieß und Krötenschaschlik". Auch im Internet laufen die Vorbereitungen für diesen Tag auf Hochtouren (www.itshalloweenagain.de). In Schaufensterdekorationen finden sich im Vorfeld vielerlei Kürbisse. Überall in Deutschland wird zu Halloween-Partys eingeladen. Süßwaren- und Spielzeughersteller verwenden Halloween immer mehr als Marketing-Idee. Unübersehbar sind - bei aller Differenz - inzwischen auch die Gemeinsamkeiten zwischen Halloween und Karneval: die Lust am Verkleiden, der Spaß an Streichen, der intensivere Genuss von alkoholischen Getränken... Bei den Kostümierungen dominieren allerdings die Farben Schwarz (für Dunkelheit, Nacht) und Orange (Kürbis!). Ein geläufiges Halloween-Symbol ist der Kürbislampion "Jack-O'-Lantern". Er besteht aus einem ausgehöhlten Kürbis, in den Kinder Gesichter schneiden und eine brennende Kerze stellen. So beleuchten sie die große Frucht von innen und erzeugen auf diese Weise eine gruslige Stimmung.

Keltisch-religiöse Wurzeln und christlicher Festkalender

Die Wurzeln von Halloween reichen in die religiöse Vorstellungswelt der Kelten zurück (nähere Hintergrundinformationen im Internet: www.halloween-im-rheinland.de). Im irisch-keltischen Kalender bezeichnete Samhain eines von insgesamt vier Großfesten. Der 1. November mar-kierte für die Kelten den Winteranfang und damit auch den Beginn eines neues Jahres. Gleichzeitig wurde dieser Tag als Erntefest begangen, wobei bereits der Vorabend in die Festlichkeiten miteinbezogen wurde. Er war eine "Zwischenzeit" für Magie und Schutzrituale. Riesige Leuchtfeuer auf den Hügeln sollten die bösen Geister vertreiben. Offenbar ging man davon aus, dass die Menschen in diesen Stunden Zugang zur Welt der Geister finden könnten. Weitere Einzelheiten dieses Festes bleiben aufgrund der schwierigen Quellenlage zur keltischen Religion im Dunkeln. In der Literatur wird teilweise vermutet, an jenem Tag sei auch ein Opferritual zelebriert worden, bei dem die Erstgeborenen geopfert wurden. Mit diesen Opfern sollten die Mächte der Unterwelt beschwichtigt und zugleich um Fruchtbarkeit gebeten werden. Wie auch sonst im archaischen Denken brachte man hier Geburt und Tod in einen engen Zusammenhang und hatte die Vorstellung, dass diese Mächte Fruchtbarkeit schenken und vorenthalten können.

Von Irland aus entstand der Brauch, das Gedenken der Heiligen mit dem Beginn des keltischen Jahres am 1. November zu verbinden. Mit Unterstützung von Papst Gregor IV. (828-844) setzte sich dieser Termin schließlich im Abendland durch. Bereits im 4. Jahrhundert begingen die Christen im Orient ein Fest zum Gedenken der Märtyrer. Das Allerheiligenfest bildete sich im 7. Jahrhundert heraus: Alljährlich begingen Christen in der österlichen Zeit die Kirchweihe des Pantheon in Rom zu Ehren der Jungfrau Maria und aller Heiligen. Im Jahr 835 ordnete Papst Gregor IV. das Fest für die Gesamtkirche an und legte den 1. November als Termin fest. In Großbritannien hieß Allerheiligen "All Saints' Day" oder auch "All Hallows' Day". Halloween meint ursprünglich den Abend vor Allerheiligen. Das ursprünglich keltische Samhain-Fest fand bereits am Vorabend des Allerheiligentages statt, also an "All Hallows' Evening" oder kurz "Hallows' E´en". Daraus wurde später "Halloween".

Irische Einwanderer brachten Halloween-Bräuche im 19. Jahrhundert an die Ostküste der Vereinigten Staaten mit. Dort - in einem sonst traditionsarmen Raum - konnte es sich zum populären Fest, v.a. von Kindermaskeraden und Partys (mit Kürbiskuchen u.a.), entwickeln. Wohl erst im 20. Jahrhundert ist in den USA der Brauch mit Umzügen maskierter Kinder aufgekommen: Kinder ziehen verkleidet durch die Straßen und bitten an den Haustüren um Süßigkeiten. Hierbei wird der typische Spruch: "Trick or Treat" ("Süßes oder Saures!") gerufen. Häufig werden den Kindern Süßigkeiten zugesteckt - falls nicht, wird den Hausbesitzern ein Streich gespielt. Seit den neunziger Jahren kam das Fest, nicht zuletzt durch die Medien und die Werbeindustrie, auch nach Deutschland. Hierzulande findet es vor allem unter der jüngeren Generation Anklang.

Gruselspaß in der Erlebnisgesellschaft

Der ursprünglich keltisch-religiöse Hintergrund bei Halloween ist ebenso verloren gegangen wie der spätere Bezug zum katholischen Gedenktag "Allerheiligen". Nur noch die Wurzeln des englischen Begriffs deuten darauf hin. Im Zuge wachsender Säkularität und Kommerzialisierung hat sich Halloween in Deutschland als neues Fest etabliert. Es ist hierzulande kein "gewachsenes" Brauchtum, es wurde vielmehr über die Medien eingeführt und entsprechend bekannt gemacht. Dieser Tag wird nicht nur als "Event" mit einschlägigen Angeboten in irischen Pubs, sondern auch als Fest mit stark karnevalistischer Ausrichtung (Hexen- und Geisterkostüme) bis hin zu "Gruselpartys" begangen. Die Popularität von Halloween hierzulande lässt sich einerseits auf die neue Lust am Verkleiden und Gruseln in einer Erlebnisgesellschaft, zum anderen auf geschickte Vermarktungsstrategien einzelner Halloween-Veranstalter zurückführen. Im Halloween-Boom als "Import-Brauchtum" zeigt sich die Suche nach einem fantasievollen, fast kindlichen Fest. Im Gegensatz zu institutionalisierten Karnevalsfeiern in den jeweiligen regionalen Hochburgen mit Vereinsfeiern gibt es bei Halloween individuelle Gestaltungsmöglichkeiten. Der Halloween-Boom lässt sich auch als Begleiterscheinung zunehmender Säkularisierung betrachten: Vor allem die jüngere Generation hält nach neuen Festen Ausschau, da sie überkommenen, traditionell christlich-konfessionell geprägten Feiertagen offenbar nichts mehr abgewinnen kann. Auffällig ist im Unterschied zum Karneval: Halloween-Feiern drehen sich ausschließlich ums Gruseln. Als Durchbrechung des Alltags nimmt dieses Fest aber auch Ängste auf und bietet Menschen die Möglichkeit, Verdrängtes, Unheimliches und Unberechenbares im Leben spielerisch auszuleben. Mit Blick auf die Hexen-, Zauberer- und Gespensterkostüme stellt sich aus weltanschaulicher Sicht die Frage, ob mit der Lust am Unerklärlichen und Geheimnisvollen nicht jene "Geister" zurückkehren, derer sich die moderne Säkularität entledigt zu haben glaubt. Der Geist von Halloween als "Nacht der Geister mit ihren frechen Fratzen" wird in dieser Gesellschaft nicht so schnell gebannt werden können.