Islam

König-Fahd-Akademie in Bonn wird geschlossen

Die König-Fahd-Akademie in Bonn-Bad Godesberg (KFA) wird 2017 geschlossen. Laut Medienberichten steht die Entscheidung in engem Zusammenhang mit dem Reformprozess Saudi-Arabiens zum Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft „Vision 2030“. Der Berliner Tagesspiegel schrieb Ende August 2016: „Die Entscheidung zur Schließung hat nach Angaben der saudischen Diplomaten Vizekronprinz Mohammed bin Salman selbst getroffen. Es sei eines der wichtigsten Anliegen der Regierung in Riad, der saudischen Jugend zur bestmöglichen Ausbildung und Erziehung zu verhelfen, hieß es zur Begründung. Nur so könne das Ziel der ‚Vision 2030‘ erreicht werden, Saudi-Arabiens Wirtschaft von der Abhängigkeit vom Erdölexport zu befreien und international wettbewerbsfähig zu machen. Weil Deutschland über ‚eines der weltweit besten Bildungssysteme‘ verfüge und Saudi-Arabien von diesem lernen könne, sehe die Regierung in Riad keine Notwendigkeit mehr für eine saudische Schule in Deutschland.“

Die im September 1995 eröffnete König-Fahd-Akademie (auch „König-Fahad-Akademie“) wurde von der saudischen Herrscherfamilie für 30 Millionen Mark errichtet. Anfangs galt die „Diplomatenschule“ als Prestigeprojekt. Jahrelang wurden großzügig Ausnahmegenehmigungen zum Besuch der Schule erteilt. Unterrichtet wurde – Unterrichtssprache Arabisch – unbeachtet von der deutschen Schulaufsicht nach saudischen Lehrplänen und mit saudischem Material, das antiwestliche und antijüdische Geschichtsklitterungen enthielt und Hass gegen Andersgläubige schürte. Im Herbst 2003 deckte das ARD-Magazin Panorama auf, dass in der Moschee der Akademie während des Freitagsgebetes zum „Heiligen Krieg“ gegen Nichtmuslime aufgerufen wurde und sich in deren Umfeld muslimische Extremisten aufhielten. Gegen eine zunächst geplante Schließung der Schule intervenierte damals das Auswärtige Amt, um die diplomatischen Beziehungen zu Saudi-Arabien (und eine deutsche Schule in Riad) nicht zu gefährden. Eine Prüfung der Lehrbücher bestätigte das alarmierende Gesamtbild, die Reaktionen darauf hatten jedoch keinen durchgreifenden Erfolg. Die Schülerzahlen nahmen über die Jahre allerdings deutlich ab.

Noch 2015 zum 20-jährigen Jubiläum gab es von einer saudischen Ölfirma u. a. ein neues Sprachlabor und einen Physikfachraum. Es wurde betont, die Schule habe sich nach außen geöffnet und setze sich gegen Extremismus ein. Sie ist auch Mitbegründerin des örtlichen Interreligiösen Dialogkreises und bot Raum für Kunstausstellungen. Dennoch ist jetzt nach über 650 Schulabschlüssen (saudi-arabisches Abitur) Schluss. Auch die Pläne für eine Erweiterung des Akademie-Ablegers in Berlin-Charlottenburg, die seit 2009 bekannt waren, sind damit vom Tisch. Unter diplomatischem Druck war der Schulneubau beim Olympiastadion (400 Plätze) genehmigt worden, der inzwischen im Rohbau steht. Jetzt wird auch dieses Projekt von Saudi-Arabien gestoppt.

Bonn war schon kurz nach dem 11. September 2001 ins Visier der Ermittler geraten, da der Todespilot Marwan Al-Shehhi nicht lange zuvor eine Zeit lang in Bonn gewohnt hatte. Weitere Spuren von Terroristen führten nach Bonn, die Stadt galt bald als Hochburg von Islamisten, die KFA mittendrin. 2005 wuchs die Islamisten- und Salafitenszene, u. a. durch eine Gruppe, die nach der Schließung des Multikulti-Hauses in Neu-Ulm an den Rhein kam. Die Dschihadisten Bekkay Harrach und die Gebrüder Chouka wuchsen in Bonn auf. Harrach ging als Jugendlicher an der KFA zur Schule.

Saudi-Arabien spielt weltweit eine herausragende Rolle in der Bereitstellung von kompletten Moschee- und Bildungszentren mit der entsprechenden Infrastruktur, Bibliotheken, Literaturkontingenten und Personalausstattung. Ob in London, Sarajevo, Paris, Basel, Madrid oder Genf – die saudische Mission ist in Europa breit aufgestellt. Seit Jahrzehnten exportiert das Königreich weltweit erfolgreich seine Variante des wahhabitisch-salafitischen Islam.

In Wien wurde Ende 2012 neben einer von Saudi-Arabien bezahlten Moschee (1979) das Internationale König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) mit einer Summe der Saudis von bis zu 15 Millionen Euro ins Leben gerufen. Das KAICIID basiert auf einem völkerrechtlichen Abkommen zwischen Spanien, Österreich und Saudi-Arabien und ist dem Dialog der Religionen und Kulturen gewidmet, der Heilige Stuhl hat den Status eines Beobachterstaates. Das Zentrum ist wegen der Führungsrolle Saudi-Arabiens, wo es keine Religionsfreiheit für Nicht-Muslime gibt, umstritten. Es veranstaltete Konferenzen zu Presse- und Religionsfreiheit, ohne die Situation in Saudi-Arabien zum Thema zu machen. Im September 2015 wurde unter dem Dach des KAICIID der „Muslim-Jewish Leadership Council“ (MJLC) eingerichtet, der zur Unterstützung des interreligiösen Friedens dieser beiden Religionen beitragen soll. Mit Ibrahim El-Zayat hat diese Plattform einen Mitgründer, der Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft hat. Die Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ) forderte die sofortige Schließung des KAICIID.

Ob sich Saudi-Arabien künftig stärker gegenüber europäischen Einflüssen öffnet, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Dass es in der Ölmonarchie aber bedeutsame Veränderungen und möglicherweise grundlegende neue Weichenstellungen gibt, ist offenkundig.


Friedmann Eißler