Dominik Schmolz

Kleine Geschichte der Neuapostolischen Kirche

Dominik Schmolz, Kleine Geschichte der Neuapostolischen Kirche, Edition Punctum Saliens, Steinhagen 2013, 292 Seiten, 15,00 Euro.

Die Geschichte der katholisch-apostolischen Bewegung bzw. der aus ihr hervorgegangenen Neuapostolischen Kirche (NAK) ist reich an Irrungen und Wirrungen, Abspaltungen und Zerwürfnissen. Durch die Öffnung und die Aufnahme ökumenischer Kontakte seitens der NAK ist auch ihr lange Zeit nicht sehr glücklicher Umgang mit der eigenen Geschichte in den Fokus gerückt, sodass eine möglichst objektive Darstellung der historischen Entwicklung der NAK geradezu das Gebot der Stunde war. Dominik Schmolz, von Beruf Studienrat für Geschichte und Musik an einem Heidelberger Gymnasium, hat sich an diese Aufgabe gewagt und, um es gleich vorwegzunehmen, ein hervorragendes Buch vorgelegt. Oder anders gesagt: Wer sich für die Geschichte der NAK interessiert, musste lange auf ein Werk wie dieses warten. Der Autor nennt es bescheiden ein „Büchlein“ (3) – doch es ist viel mehr als das. Dominik Schmolz ist ein Buch gelungen, das sich hoffentlich den Ruf eines Standardwerks zur Geschichte der NAK erwerben wird.

Originell ist der Ansatz, nicht eine Jahreszahl nach der anderen abzuhandeln, sondern anhand wichtiger Daten „Wegmarken“ (3) zu bieten. Mit Spannung liest man naturgemäß vor allem die Kapitel über die NS-Zeit, zur NAK in der DDR, zur umstrittenen Endzeit-Botschaft von Stammapostel Bischoff und zu den Umwälzungen in jüngster Zeit.

Schmolz zeigt auf sehr überzeugende Weise, dass die Nähe der NAK zum NS-System bedingt durch die autoritätsgläubige, reaktionäre und bildungsfeindliche Grundhaltung der meisten Kirchenmitglieder und Amtsträger geradezu in der Natur der Sache lag (85). Und so kommt man nicht umhin festzustellen, dass keine andere Religionsgemeinschaft den Nationalsozialismus so frühzeitig, einheitlich und umfassend begrüßte wie die NAK (87ff). Im Gegensatz zu anderen religiösen Vereinigungen, die entweder behindert oder – wie die Zeugen Jehovas – sogar verfolgt wurden, gelang der NAK im „Dritten Reich“ ein Mitgliederzuwachs, die Gründung neuer Gemeinden und die Errichtung neuer Kirchengebäude (100).

Ein weiterer Schwerpunkt des Buchs ist die irrtümliche Botschaft des Stammapostels Johann Gottfried Bischoff, der Anfang der 1950er Jahre verkündete, dass Jesus noch zu seinen Lebzeiten wiederkehren werde – eine Prophezeiung, die sich bekanntlich nicht erfüllte, fatalerweise aber im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Glaubensdogma erhoben worden war, das über Zugehörigkeit oder Ausschluss entscheiden konnte, zu Konflikten und Abspaltungen und damit verbunden zu großem persönlichen Leid führte.

Schmolz zeigt, dass die „Botschaft“ auch Zeichen der Angst und Abscheu vor dem Tod und keine Erfindung Bischoffs, sondern Ausdruck kollektiver Sehnsüchte und Glaubensüberzeugungen innerhalb der NAK gewesen sei (137ff). Es könne daher kaum erstaunen, dass die „Botschaft“ mit „einer zunehmenden Fanatisierung der Gläubigen“ (173) verbunden gewesen sei. Der Autor macht auch plausibel, warum das Ausbleiben der Parusie nicht – wie man eigentlich hätte erwarten können – das Ende der NAK bedeutete, denn dieser gelang es, sich nach Bischoffs Tod relativ schnell an die neue Lage anzupassen und ihren Mitgliedern Erklärungen anzubieten. So wurde beispielsweise argumentiert, dass das Ausbleiben der Wiederkunft Jesu eine Glaubensprüfung sei und Gott seine Pläne offenbar geändert habe (182ff).

Schade ist, dass Dominik Schmolz, der auch auf die jüngsten Entwicklungen der NAK recht ausführlich eingeht, viel zu wenig Gewicht auf die Geschichte der NAK in der DDR gelegt hat – mit gerade einmal drei Seiten ist dieser Aspekt angesichts der unrühmlichen Verstrickung einiger Amtsträger der NAK mit dem Überwachungsapparat der Stasi viel zu knapp abgehandelt worden (205ff). Den Wert des Buches vermag dies allerdings nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Es ist ihm daher zu wünschen, dass es auch und gerade viele Mitglieder und vor allem Amtsträger der NAK zur Hand nehmen und aufmerksam lesen mögen.


Christian Ruch, Chur/Schweiz