Gesellschaft

Kirche darf vor Psychopraktiken warnen

Die Kirche darf sich kritisch über Organisationen und Einzelpersonen äußern. Dabei ist dieses Recht nicht nur auf die geistige Auseinandersetzung mit anderen Glaubensgemeinschaften beschränkt, sondern schließt auch weltanschauliche Bewegungen sowie allgemeinpolitische und gesellschaftliche Themen mit ein. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf kürzlich in einem Gerichtsurteil festgestellt (Aktenzeichen 18 U 48/00). Die Düsseldorfer Richter erklären darin, dass die Kirche grundgesetzlich garantiert das Recht habe, auch Lebenshilfe-Angebote kritisch zu beleuchten, wenn dadurch im weitesten Sinne religiöse Bereiche berührt werden.

Dieser wichtigen Entscheidung in Bezug auf das Äußerungsrecht der Kirchen war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen der Kirche und einem in Neuss ansässigen Anbieter von Weiterbildungskursen vorausgegangen. Der Sektenbeauftragte der rheinischen Landeskirche hatte sich öffentlich kritisch über die Praktiken des Neussers geäußert und hatte vor den vermittelten Psychotechniken und -methoden des fraglichen Instituts gewarnt, nachdem ihn ehemalige Klienten um Hilfe gebeten hatten. Der Anbieter fühlte sich durch die Darstellung des kirchlichen Sektenbeauftragten geschäftlich geschädigt und klagte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, da ihm aufgrund dieser Darstellung Millionenverluste entstanden seien. Zunächst wies das Landgericht Düsseldorf die Klage als unbegründet ab, in der nächsten Instanz kam das Oberlandesgericht Düsseldorf zu der gleichen Entscheidung.

Generell hat das Oberlandesgericht Düsseldorf festgestellt, dass die Kirche aufgrund ihres grundgesetzlich garantierten Rechtes aus Artikel 4 GG berechtigt sei, "ohne Störung durch den Staat eine – auch scharfe – Kritik an allen Bereichen des religiösen und weltanschaulichen Lebens zu üben". Der Schutzbereich des Artikels 4 GG erstrecke sich "nicht nur auf Auseinandersetzungen mit anderen Glaubens- und Heilslehren", sondern "auf den gesamten Bereich des religiösen und weltanschaulichen Lebens ...". Der Kirche stehe das Recht zu, "ihr religiöses Verständnis in der Welt zur Entfaltung und Wirksamkeit zu bringen. Hierzu gehört es auch, zu allgemeinpolitischen und gesellschaftlichen Themen Stellung zu nehmen, soweit hierdurch auch Bereiche berührt werden, die im weitesten Sinne auf die Ausübung des Glaubens, auf die Lebensgestaltung aus der gläubigen Gesinnung, auf die Verkündigung oder die Verbreitung der christlichen Heilslehre Einfluss haben könnten."

Michael Utsch