Im Strudel des göttlichen Selbst. Andrew Terkers „Mysterienschule“

Ein Erfahrungsbericht

Andrew Terker wurde 1950 in New York geboren und wuchs dort auf. Nach dem Studium der Linguistik unterrichtete er nach eigenen Angaben eine Zeit lang an der Universität von Hawaii. Nach eigenem Empfinden hatte Terker damals keinen Zugang zu seinen Gefühlen, er sei „nur ein trockener Wissenschaftler“ gewesen. Im Jahr 1987, so berichtet er auf seiner Internet-Seite, habe er in einem schamanischen Seminar eine Christuserfahrung gemacht. Durch Ausbildungen in transpersonaler Psychologie und besonders durch die zahlreichen gechannelten Sitzungen mit dem „aufgestiegenen Meister“ Sananda erhalte er „eine präzise geistliche Führung, die mich aus der Einengung des normalen menschlichen Daseins heraus bringt in höhere kosmische Sphären. Ich bekomme Wissen und Energien, um andere Menschen aus der Enge ihrer Egos herauszubringen“ (www.ichbin.de). Seitdem tritt Terker unverblümt mit religiösem Anspruch auf. Seit vielen Jahren lebt der spirituelle Lehrer schon in Schriesheim nahe Heidelberg, wo sich auch sein Organisationsbüro befindet. Mittlerweile hat er sein Team um den Arzt Adam Romberg, die Diplom-Theologin Birgit Janetzky und die Krankenschwester Thekla Kolbeck erweitert. Gemeinsam bieten sie Vortragsabende, Satsangs und mehrtägige esoterische Seminare an. In diesem Jahr stehen neben anderen Seminare über „Energiemedizin – neue Wege der Krebsheilung“, „Energetisches Wissen für eine erfolgreiche Geschäftsführung“ und „Die Erschaffung der Materie. Wie ist sie geistig aufgebaut?“ auf dem Programm. Terker selber bietet Interessierten, die wie er in einen höheren Bewusstseinszustand gelangen wollen, eine sechsteilige „Mysterienschule“ an, die pro fünftägiger Einheit 1200,– Euro Teilnahmegebühr kostet. Darin sollen drei Veränderungsschritte gelehrt werden: Die Öffnung zum göttlichen Selbst, die Verankerung des göttlichen Selbst im Herzen und die Ausdehnung des göttlichen Selbst im Körper.

Betroffene von Terker-Seminaren haben in den vergangenen Jahren immer wieder Hilfe und Beratung von Weltanschauungsbeauftragten in Anspruch genommen. Den folgenden Brief schrieb eine ehemalige Teilnehmerin der Mysterienschule kurz nach ihrem Ausstieg an die anderen Teilnehmer. In ihm wird deutlich, mit wie vielen überhöhten Erwartungen diesem spirituellen Lehrer begegnet wird und wie Terker durch das Einreden falscher Diagnosen und Erinnerungen seine Machtposition festigt und dabei keinerlei Verantwortung für die Folgen seines Tuns übernimmt.


Liebe ehemalige MitschülerInnen der Mysterienschule!

Vor vier Wochen stieg ich aus der Mysterienschule aus. Heute möchte ich mich noch einmal an Euch wenden, um Euch mitzuteilen, wie ich die bewegenden Ereignisse mit etwas zeitlichem Abstand betrachte. In meiner Bewertung hat sich in den letzten Wochen einiges getan. Und meine Reflexionen mögen Euch vielleicht helfen, das, was Ihr erlebt habt, noch einmal weiter zu überdenken.

„Und die Wahrheit heilt“, hat Andrew damals gesagt, „und nichts anderes“. Das sehe ich genauso. Aber heute bin ich überzeugt davon, dass ich dort auf der Mysterienschule von ihm in meiner tiefen spirituellen Sehnsucht und Not missbraucht worden bin. Und ich habe mich missbrauchen lassen.


Meine persönliche Geschichte

Vor einer Woche haben mein Mann und ich bei einer sehr erfahrenen Familientherapeutin und Ärztin Rat gesucht. Das Ergebnis war: Es stimmt einfach nicht, dass ich als Kind sexuell missbraucht worden bin. Und auch mein Mann hat unsere Tochter nicht sexuell missbraucht, wie Andrew mir suggeriert hat. Vier Monate haben wir einen Horrortrip durchgemacht. Auf unserer Andrew-Glückseligkeitswolke schwebend waren wir derart vernebelt, dass wir alles etwas abgemildert durchlebt haben.

Zunächst ich selber und später auch Andrew haben meinem Mann eingeredet, er habe schlafwandlerisch meine Tochter missbraucht. Ich habe meiner neunjährigen Tochter eingeredet, ihr Papa habe sie missbraucht. Sie hatten beide keine wirkliche Erinnerung daran, doch ich deutete das Verhalten meiner Tochter in die mir vorgegebene Richtung. Ich habe meinen Mann gezwungen, am Seminar mit Andrew teilzunehmen, was er auch machte, um unsere Ehe nicht zu zerstören. Danach sah er sich als Schatten in ihr Zimmer gehen. Wir waren wirklich alle bereit, uns auf diese unglaubliche Geschichte einzulassen. Meine Tochter und ich hatten stundenlange Weinkrämpfe. Mein Mann erzählte sogar seinen Eltern, er habe seine Tochter missbraucht. Ich ging zu meinen Eltern und beschuldigte meinen Vater, er habe mich missbraucht. Aber er konnte sich auch an nichts erinnern. Es führte zwar jeweils nicht zum Bruch, aber das Ganze versetzte unsere Eltern, bzw. Schwiegereltern in riesige Aufregung und Schrecken und riss einen großen Graben auf.

Nach dem Gespräch bei der Familientherapeutin zeigte sich eine ganz andere Dynamik, die mir viel glaubwürdiger ist und die auch eine Erklärung für den ganzen Spuk liefert, den ich nach dem Seminar in unserer Familie angerichtet habe. Als Ursache für die Verstrickungen konnte ein riesiges, unbewusstes Schuldgefühl benannt werden. Mein Gefühl, den Anforderungen nicht zu genügen, mich nicht so zu akzeptieren, wie ich bin, hat mich jahrzehntelang geplagt. Hier liegt für mich auch die Erklärung, weshalb ich diesen inneren Sog hin zu Andrew verspürte: Ich hoffte, dort endlich die ersehnte Liebe und den Frieden auf Erden zu finden. Es war damals wirklich eine ganz existentielle Not.

So ein heimliches Schuldthema kann sich in einer Familie ganz ähnlich anfühlen wie ein sexueller Missbrauch. Ich bin heilfroh, dass mein Mann und ich und unsere Ehe die letzten Monate überstanden haben, ohne daran zu zerbrechen. Das verdanke ich wohl der großen Hingabefähigkeit meines Mannes und einer gewissen Fähigkeit von mir, mich immer wieder zu hinterfragen. Und wir sind wohl ganz gewiss auch zu uns selbst zurückgeführt worden.

Meine beiden älteren Kinder führten an dem Tag, als in mir der Entschluss reifte, die Mysterienschule zu verlassen, mit ihrem Kinderchor ein Singspiel vom Goldenen Kalb auf. Darin wird das Verhalten der Israeliten beim Berg Sinai erzählt: Ihr Wunsch nach einem nahen Gott bringt sie während Moses Abwesenheit dazu, ein goldenes Kalb als ihren neuen Gott zu schaffen. Als ich meine Tochter da so um das goldene Kalb tanzen sah in einem fetzigen israelischen Volkstanz, da sah ich uns auch in der Mysterienschule sitzen. Wie die Israeliten damals, so sehnten wir uns doch nur danach, dass Gott uns nah ist!! Dass er bei uns ist!!! War es nicht so? Ich wollte danach nicht mehr zum Seminar fahren, sondern lieber allein in diesen fünf Tagen wandern gehen und neu offen sein für die Natur, das Sein. Das Wandern hat mir sehr geholfen.

Meine heutige Kritik an Andrews Arbeit

Die Arbeit von Andrew sehe ich heute als hochgradig manipulativ an. Sein vermeintlich hellsichtiges Wissen ist erst einmal wenig nachprüfbar. Die körperlichen Reaktionen, die sich auch bei mir einstellten, betrachte ich inzwischen auch sehr skeptisch. Sie lassen sich suggestiv in einer Gruppe leicht initiieren. Von ihm häufig benannte Themen wie z.B. sexueller Missbrauch oder psychisch unaufgearbeitetes Grauen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges verbinden uns kollektiv. Jeder kann, wenn er dazu bereit ist, sich jederzeit dahin einfühlen bis hin zu körperlichen Reaktionen. Das gleiche passiert ja z.B. bei Familienaufstellungen in Gruppen. Dies gilt umso mehr bei Personen, die gegenüber allen sie umgebenen Schwingungen so offen sind, wie z.B. ich es bin. Ihr habt ja gesehen und mitbekommen, wie ich wirklich zu allem bereit war und auch dazu, alles auf mich und meine Familie zu nehmen.

Bei Andrew nehme ich ein ganz starkes Machtstreben wahr. Er braucht es, die Menschen an sich zu binden. Spirituell freie Menschen brauchen dies meiner Ansicht nach aber nicht. Dieses an sich Binden gelingt ihm einerseits, indem er verspricht, dass bei ihm endlich Lösung zu finden sei aus tiefsten inneren Notlagen. Gerade das Thema Sexualität scheint er hier besonders wirksam einzusetzen. Sein (vermeintlich) wahres, heilendes Wissen stimmt aber leider manchmal eben letztlich doch nicht. Aus früheren Mysteriengruppen wurden mir ähnliche Geschichten wie meine berichtet. Und andererseits gelingt ihm die Bindung, indem er die zu ihm kommenden Menschen auf einen Sockel stellt als ganz besondere Inkarnationen. Die Häufung dieser Personen ist ja eigentlich schon wieder grotesk!!!! Aber wer von uns trägt nicht in sich den narzisstischen Wunsch, etwas ganz Besonderes zu sein. Mich hat er da jedenfalls an einem ganz verletzlichen Punkt geködert. Auch das Gefühl, endlich etwas Bedeutendes für den Weltfrieden tun zu können, mächtig hierfür zu werden – aber eben nur in Abhängigkeit von Andrew –, empfand ich als unheimlich anziehend.

Dieser ganze Komplex hat für mich aus heutiger Sicht suchtartige Züge. Meine Wahrnehmung der Wirklichkeit in dieser ersten Zeit nach dem Seminar sehe ich heute als ganz verzerrt an. Ich glaubte ja auch schon, hellsichtige Wahrnehmungen zu haben, die sich dann allerdings fast durchweg als falsch herausstellten. Dies führte bei mir zu einer beginnenden sozialen Isolation. Denn ich verstand die Welt ja jetzt angeblich schon viel wirklicher. Und die anderen lebten noch voll in und mit ihren Blockaden. Man selbst schwebt wie auf einer sanften Wolke. Meine normalen zwischenmenschlichen Kontakte verflachten, weil ich vieles verschwieg.

Ich kann jetzt sehr gut verstehen, wie sich Sekten von innen heraus anfühlen. Mir tat es gut, dass ich trotzdem mit einigen anderen Menschen über alles sprach. Und ich schenkte auch meinem zweifelnden Anteil immer auch noch Aufmerksamkeit. Das half mir ungemein, dann kurz vor dem zweiten Abschnitt noch den Absprung zu schaffen. Darauf bin ich jetzt stolz, weil mich dieser neue Abschnitt sicher noch viel mehr in diesen Andrew-Komplex verstrickt hätte.

Andrew zieht sich total aus der Verantwortung für sein Tun und dessen Folgen. Denn alles, was er tue, so sagte er uns doch im April, sei zu dem Besten für unsere Seele, nur hätten wir das vielleicht noch nicht verstanden. Selbst wenn er mal die Unwahrheit sage, sei das zu unserem Besten. Er nimmt sich selbst und die Menschen aus ihrer Verantwortlichkeit, alles wird zum kollektiven Liebesbrei.

Heute bin ich davon überzeugt, dass Fehler zu machen und anderen Menschen gegenüber schuldig werden zu können zur großen Freiheit des Menschen gehört. Und es seine Würde ausmacht, wenn der Mensch es schafft, zu seinen Fehlern zu stehen. Bei Andrew wartete ich die ganze Zeit darauf, dass er einmal einen Fehler einräumt. Und dass er das nie machte, war das erste, was mich stutzig werden ließ. Er hat vergessen, dass er bei allem eben doch ein Mensch ist!

Auch an anderer Stelle hat sich Andrew selber entlarvt. Denn die angeblich grenzenlose Liebe, mit der uns Andrew begegnet, hat mit der Abmeldung aus der Mysterienschule sofort aufgehört. Bis heute habe ich noch keine Reaktion auf meine zwei Schreiben bekommen. Auf meine Bitte nach einer zumindest teilweisen Rückzahlung meines schon überwiesenen Teilnehmerbeitrages für den zweiten Kursabschnitt habe ich bis heute keine Antwort erhalten. Mein Eindruck ist, dass ich Andrew durch mein Aussteigen auch mit den Grenzen seiner Macht konfrontiert habe. Und diese muss Andrew ignorieren. Er kennt ja seine Grenzen in keinster Weise mehr. Er hat in seinen Augen gar keine Grenzen mehr, ist höchstes Wesen, Buddha, Jesus, Bach und Mozart ... Mit meinem Aussteigen werde ich so zur Unperson für ihn und wohl auch für viele von Euch, die Ihr Euch entschlossen habt weiterzumachen. Insofern setzt Andrew bewusst riesige Blockaden, indem er die Menschen in seine treuen Anhänger und in noch vermeintlich unwissende Menschen spaltet. Auch wenn er behauptet, alle Blockaden zu lösen.

Ich würde mich sehr über Antwort von Euch, auch von Euch, die Ihr weitermacht, freuen. Ich weiß, dass gerade Ihr Euch mit meinem E-Mail schwer tun werdet. Und ich wünsche mir, dass Ihr es wenigstens bis hierher gelesen habt. Denen, mit denen ich in der Woche nach meinem Aussteigen telefonieren oder Mails austauschen konnte, möchte ich auf diesem Weg noch einmal herzlich danken. Alle haben mir auf ihre Weise geholfen, meinen Weg zu finden.

Über die starke materielle Komponente von Andrews Arbeit möchte ich jetzt gar nicht mehr viel schreiben. Je mehr Abstand ich gewinne, umso stärker wird der Eindruck, dass es eben doch auch um materielle Bereicherung geht.