Rita Breuer

Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam

Rita Breuer, Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam, Herder-Verlag, Freiburg i. Br. 2012, 159 Seiten, 12,99 Euro.

Die Islamwissenschaftlerin Rita Breuer bearbeitet ein im öffentlichen Diskurs über den Islam sehr vernachlässigtes Thema faktenreich, zuverlässig und sehr differenziert. Weltweit werden nach Schätzungen ca. 100 Millionen Christen verfolgt, sie stellen damit 80 Prozent aller Opfer religiös motivierter Diskriminierung und Verfolgung. Im Weltverfolgungsindex von „Open Doors“, einer christlichen NGO, rangieren acht muslimisch geprägte Verfolgerstaaten direkt hinter dem kommunistischen Nordkorea, und in den „Top 50“ sind amtlich muslimisch geprägte Länder enthalten, auch Marokko, Tunesien und die Türkei, die als vermeintlich „toleranter“ als z. B. Saudi-Arabien, Pakistan oder der Irak gelten. Breuer belegt diese erschütternden Zahlen mit vielen Beispielen, die eines deutlich machen: Es gibt für Christen in der islamischen Welt keine Religionsfreiheit nach westlichen, menschenrechtlich begründeten Maßstäben. Die Islamisierung seit den sechziger Jahren und die Erfolge islamistischer Bewegungen haben die Lage von Christen massiv verschlechtert. Die Verfolgung von Christen umfasst ein breites Spektrum diskriminierender Maßnahmen bis hin zur Bedrohung von Leib und Leben: „politische Willkür und rechtliche Benachteiligung, Einschränkung der Religionsausübung, soziale Diskriminierung in Schule und Nachbarschaft, auf dem Wohnungsmarkt, kurz: die systematische Privilegierung der einen und Diskriminierung der anderen Religionsgemeinschaft, die in der Förderung des Religionswechsels zum Islam, der Tabuisierung des umgekehrten Schrittes und der Verfolgung von Konvertiten vom Islam zum Christentum gipfelt“ (10).

Die Autorin geht der Verfolgungsgeschichte nach und beschreibt den Weg der Christen von einer zunächst noch von Mohammed als „Gläubige“ beschriebenen Minderheit (so z. B. in Sure 2,62) zu einer nur geduldeten, ausgegrenzten, diskriminierten und verfolgten Religionsgemeinschaft. Mohammed hatte sich, nachdem er von Christen (und Juden) nicht als letzter gottgesandter Prophet (das „Siegel der Propheten“) anerkannt wurde, gegen sie gewandt. Als „Schriftbesitzer“ waren die Christen zwar in einer besseren Lage als die sogenannten „Polytheisten“, denen kein Existenzrecht zugestanden wurde, gleichwohl warf Mohammed ihnen Verfälschung der Bibel und Abweichen vom radikalen Monotheismus (Trinität, Gottessohnschaft Christi) vor und verdammte sie als „Ungläubige“ (z. B. Suren 4,171 und 5,17). Mit dieser Abweisung begann im expandierenden islamischen Herrschaftsbereich die Diskriminierung von Christen als „dhimmi“ (Schutzbefohlene), d. h. Bürger zweiter Klasse. Drastisch dokumentiert wird diese Lage durch das sogenannte „Umar-Abkommen“, einer Selbstverpflichtung von Christen im eroberten Gebiet des heutigen Syrien. Danach war es Christen verboten, Kirchen und Klöster zu bauen und baufällige Gebäude instand zu setzen, ihre Religion nach außen hin zu zeigen und Muslime zu „missionieren“. Die später noch hier und da verschärften Bedingungen (etwa durch Vorschriften Kleidung, Berufswahl und Verhalten gegenüber Muslimen betreffend) liefen letztlich darauf hinaus, das Christentum im islamischen Herrschaftsbereich zum Verschwinden zu bringen. Das ist zwar nicht gelungen, gleichwohl blieb – trotz friedlicher und auch „dialogischer“ Phasen – die Stellung der Christen prekär und konnte unter Umständen in offene Verfolgung eskalieren. Rechtssicherheit war und ist vielerorts nicht gegeben. Welchen Einschränkungen, Bedrängnissen, Diskriminierungen und offenen Verfolgungen Christen bis heute ausgesetzt sind, belegt die Autorin gut recherchiert mit vielen Beispielen, wobei die Lage von Christen in Pakistan, Afghanistan, Nigeria, Sudan, Iran, Irak und Indonesien besonders dramatisch ist. Bessere Bedingungen scheinen sie nur in Jordanien, in Syrien und im Libanon zu haben, wobei sich die Lage in Syrien drastisch zu verschlechtern droht.

Die Autorin zeigt auf, dass eine Modernisierung des Islam, d. h. ein toleranter und zur Gleichberechtigung fähiger Islam möglich ist und auch zu einer deutlichen Verbesserung der Lage der Christen führen könnte. Gleichwohl bleibt diese Hoffnung angesichts der fortschreitenden islamistischen Formierung in der islamischen Welt eher schwach. Auch gibt es derzeit, trotz mancher Angebote zum Dialog, in der theologischen Reflexion maßgeblicher islamischer Rechtsgelehrter keine Revision der traditionellen Verwerfungen des Christentums als „verfälschte“ Religion.


Johannes Kandel, Berlin