Politisch-religiöse Bewegungen

Hohlköpfe und Montagsdemos

Die umstrittenen "Montagsdemonstrationen" gegen die Arbeitsmarktreformen und Hartz IV werden inzwischen auch von obskuren Gruppen wie der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) zu Werbezwecken genutzt (vgl. weitere Ausführungen zu dieser Bewegung in MD 7/2004, 268ff). So wurde in Leipzig ein Flugblatt verteilt, mit dem sich die BüSo-Bundesvorsitzende, Helga Zepp-LaRouche, direkt an die "lieben Sachsen" wendet. Inspiriert von den Landtagswahlen am 19. September 2004 war dort zu lesen: "Diesmal geht die Wende von Sachsen aus!"

In der Sache rechnet das Flugblatt mit markigen Worten mit der Politik von Bundesregierung und Opposition ab: "Ein System ging 1989 zu Ende, das zweite - das der freien Marktwirtschaft und der Globalisierung - geht jetzt 2004 unter." Hartz IV sei "wirtschaftspolitisch schwachsinnig und sozial gesehen kriminell". Die Autoren der Gesetzesnovelle werden als "wirtschaftstheoretische Hohlköpfe" bezeichnet. Die Deutschen werden aufgefordert, sich "nicht länger als Untertanen 'abwickeln' [zu] lassen, sondern ... ihr Schicksal selber in die Hand [zu] nehmen".

Die offerierten Alternativen der BüSo klingen ebenso grandios wie nebulös: Es ist viel von der Erschließung neuer "Entwicklungskorridore" nach Osten die Rede, von der "Eurasischen Landbrücke" als Schlüssel künftigen Wirtschaftswachstums, man schwärmt von einem "produktiven Dreieck Paris - Berlin - Wien". Eine "Reindustrialisierung" Sachsens sei nur möglich durch eine "Investitionsoffensive" und die "Beseitigung des Infrastrukturrückstandes" durch den Ausbau der Elbe und den Bau eines Transrapid-Netzes, das Teil eines "gesamteurasischen Verkehrswegenetzes" sein müsste, wobei Sachsen ein "Kristallisationskern für ein gesamteuropäisches Transrapid-Netzwerk" werden könnte. Immer wieder wird die große industrielle Vergangenheit des sächsischen Wirtschaftsraumes beschworen, der quasi zusehends wiedererstehen könnte, wenn der Staat statt zu sparen, nur genügend Kredite bereitstellen würde (vgl. "So kann Sachsens Wirtschaft wachsen!" unter www.bueso.de/sachsen). Wie sich gezeigt hat, haben sich nur wenige Sachsen von diesen Konstrukten blenden lassen. Weder trug der Vergleich mit 1989, noch überzeugten die politischen und wirtschaftlichen Vorschläge der BüSo.

Apropos: Der visionäre Weitblick der BüSo trübt offenbar die Wahrnehmung ganz nahe liegender und augenscheinlicher Realitäten. So behauptet die BüSo auf ihrer Homepage, sie habe die Montagsdemonstrationen initiiert: "Anfang Juli begann die BüSo in Leipzig, Montagsdemonstrationen zu organisieren. Inzwischen entwickelt sich in ganz Ostdeutschland eine Bürgerbewegung gegen soziale Ungerechtigkeit und Demütigung."

Eher als Gegenbeispiel für die von der BüSo immer wieder ins Feld geführte, alles bewegende menschliche Phantasie und Schöpferkraft darf man wohl das von ihr kreierte "Sachsen-Lied" zur Landtagswahl betrachten: "In Sachsen, in Sachsen, die Wirtschaft muss wachsen mit Freude und BüSo, die Zukunft entsteht. Wir sind angetreten, die Trübsal vergeht"...

Andreas Fincke