Esoterik

Hochschulstrukturkommission kritisiert umstrittenes Institut an der Viadrina

Alternative Heilungsansätze und esoterisches Gedankengut haben sich in der Gesellschaft weit verbreitet. Ein Zeichen dafür ist ihr Vordringen bis an die Universität. Am weitesten vorgewagt hat sich bisher das von Harald Walach geleitete „Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften“ (IntraG) an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder (EUV) mit seiner Forschung und dem Master-Studiengang „Kulturwissenschaften – Komplementäre Medizin“. Diese Entwicklung wird nicht nur in akademischen Kreisen, sondern vor allem von den Medien kritisch begleitet, die sich über Esoterik und „Hokuspokus“ an der Universität empören. Jetzt folgt von wissenschaftlicher Seite die dringende Empfehlung an die Viadrina, sich von dem Institut zu trennen. Eine vom Land Brandenburg eingesetzte Hochschulstrukturkommission hat die Hochschulen des Landes evaluiert und äußert sich im Fall der Viadrina durchweg kritisch gegenüber dem „Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften“ und dem dort angebotenen Master-Studiengang. Bemängelt werden in dem Bericht sowohl Struktur als auch Qualität von Forschung und Lehre des Instituts. Zwar sei eine „geisteswissenschaftliche Reflexion an den Rändern der naturwissenschaftlichen Medizin grundsätzlich wünschenswert“, dafür sei aber eine enge Verbindung mit der naturwissenschaftlich-medizinischen Seite „zwingend“ erforderlich. Die Kommission kritisiert, dass die Forschung des Instituts dagegen rein geisteswissenschaftlich ausgerichtet sei, eine institutionelle Verbindung mit der naturwissenschaftlichen Medizin auch international nicht gegeben sei und das Forschungs- und Lehrpersonal über kein medizinisches Fachwissen verfüge. Weder die personelle noch die sachliche Ausstattung des Instituts sei für eine adäquate Forschung vorhanden. Die Hochschulstrukturkommission empfiehlt der EUV deshalb „nachdrücklich den künftigen Verzicht auf das Angebot des MA-Studienganges“. „Eine Fortführung des Instituts für transkulturelle Gesundheitswissenschaften ist weder wie bisher als In-Institut noch als An-Institut zu befürworten. Vertretbar erscheint allenfalls, das Institut privatwirtschaftlich außerhalb der Hochschule zu betreiben.“ So lautet das abschließende Fazit der Kommission (www.mwfk.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/Bericht_HochschulstrukturkommissionLandBRB.pdf , ab S. 197). Die Entscheidung der Viadrina steht noch aus. Als wahrscheinlich gilt laut Medienberichten, dass sich die Universität wie empfohlen von dem Institut trennen wird.

Zwei Forschungsschwerpunkte Harald Walachs im Bereich komplementärmedizinischer Behandlungen sind die Wirksamkeit von Homöopathie und Achtsamkeitsmeditationen. Seine Stiftungsprofessur wird von der Biologischen Heilmittel Heel GmbH finanziert, einem der größten Hersteller homöopathischer Mittel. Der seit 2009 angebotene Master-Studiengang wendet sich an Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten und andere Heilberufe. Im Jahr 2010 meldeten kritische Zeitungsberichte, dass unter anderem die zweifelhaften Methoden Energiemedizin und Geistheilung zum Curriculum gehörten. Mittlerweile wurde die Zusammenarbeit mit dem externen Anbieter dieser Verfahren, der „Deutschen Gesellschaft für Energetische und Informationsmedizin“, eingestellt. Erneut geriet der Studiengang in diesem Jahr in die Schlagzeilen, als eine Masterarbeit der 35 Erstabsolventen bekannt wurde, in der sich der Verfasser mit den telepathischen Effekten eines sogenannten „Kozyrev-Spiegels“ befasste und zu dem Ergebnis kam, dass dieser von hellseherischem Vorteil sei. Die Arbeit entspricht in vielen Punkten nicht wissenschaftlichen Standards (vgl. MD 7/2012, 266-269).

Es ist richtig, wenn die universitäre Beschäftigung mit Phänomenen im Grenzbereich zwischen Medizin, Therapie und Wissenschaft einerseits und neuen religiösen Formen und übersinnlichen Erfahrungen und Deutungen andererseits wie in diesem Fall kritisch begleitet wird. Allerdings ist grundsätzlich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, Reflexion und Deutung populärer Phänomene im Bereich alternativer Heilung, esoterischer Weltanschauung und neuer Religiosität zu begrüßen. Hier besteht in der Tat großer Klärungs- und Aufklärungsbedarf.


Claudia Knepper