Hinduismus

Hindu-Tempel in Berlin

Der erste freistehende Berliner Hindu-Tempel wurde Anfang September 2013 feierlich eingeweiht. Er ist dem jugendlichen Hauptgott der tamilischen Hindus, Murugan, gewidmet, der meist mit Lanze und mit einem Pfau als Reittier dargestellt wird. Der Termin des selten zu sehenen Einweihungsrituals wurde von Priestern astrologisch festgelegt, die symbolträchtige zweitägige Zeremonie zog mehr als 1000 Gäste aus dem In- und Ausland an.

Das farbenfrohe eingeschossige Gebäude mit zwei Türmen ist weithin sichtbar mit bunten Ornamenten, Götterbildern und Tiergestalten geschmückt. Es bietet rund 120 Personen Platz. Der Berliner Mahasabhai-Verein hatte über 20 Jahre lang Räumlichkeiten im Untergeschoss eines großen Wohnhauses in der Kreuzberger Urbanstraße genutzt. Diese sind längst sanierungsbedürftig, zudem ist die Gemeinde nach eigenen Angaben auf 600 Mitglieder angewachsen. Seit 2009 wurde nun der „Sri Mayurapathy Murugan Tempel“ in Britz im Berliner Bezirk Neukölln verwirklicht, in traditioneller südindischer Architektur und unter Mitwirkung indischer Kunsthandwerker. Die Kosten von 800 000 Euro würden durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und einen Bankkredit finanziert, hieß es.

Im Tempel wird sechsmal täglich eine Puja – eine religiöse Zeremonie für eine hinduistische Gottheit – abgehalten, Feste und Segnungen werden stattfinden, einmal im Jahr wird eine Götterprozession (Tiruvila), der Umzug der Götterfiguren auf festlich geschmückten Wagen um den Tempel, einen Höhepunkt bilden. Der größte südindische Tempel Europas (Sri Kamadchi Ampal) steht in Hamm.

Die Tamilen waren nun schneller als die Hindugemeinde, die nur wenige Kilometer entfernt im selben Bezirk am Rand des Volksparks Hasenheide ebenfalls einen Tempel bauen will. Der Verein „Sri Ganesha Hindu Tempel“ wurde unterstützt vom Bezirk Neukölln, bereits 2005 gegründet, um einen Kultort für die etwa 6000 Berliner Hindus und eine interkulturelle Begegnungsstätte zu errichten. Bislang stehen jedoch erst die Betonpfeiler des vorderen Turms. 2007 war der Pachtvertrag unterzeichnet worden, allerdings kam das Projekt immer wieder ins Stocken, weil Gelder fehlten. So gab es zwei Grundsteinlegungen (2008 und 2010), zuletzt gab es Schwierigkeiten wegen einer abgelaufenen Baugenehmigung. Jetzt soll der Bau weitergehen. Provisorisch nutzt die Gemeinde für ihre Zeremonien eine neben der Baustelle liegende alte Lagerhalle.

Der geplante Sri Ganesha Tempel wird mehr als doppelt so groß sein wie der jetzt eingeweihte Britzer Murugan-Tempel. Dass zwei Hindu-Gemeinden in Sachen Tempelbau in so großer örtlicher Nähe eigene Wege gehen, zeigt, dass ethnische und kulturelle Unterschiede auch hier eine Rolle spielen. Die meist als Flüchtlinge aus Sri Lanka zugewanderten Tamilen pflegen aufs Ganze gesehen eher einen engeren Zusammenhalt, auch in religiösen Dingen, während für die Inder, die mit der Arbeitsmigration schon in den 1950er und 1960er Jahren häufig zum Studium nach Deutschland gekommen waren, die Pflege der Religion hierzulande häufig nicht denselben Stellenwert hat. Man versteht sich jedoch nicht als Konkurrenz, hat sich bisher schon ausgetauscht und Feste miteinander gefeiert. Murugan wird zwar fast ausschließlich von tamilischen Hindus verehrt, doch der elefantenköpfige Ganesha integriert, er genießt große Beliebtheit bei allen Hindus. Und schließlich ist Murugan in der Hindu-Mythologie Ganeshas kleiner Bruder.


Friedmann Eißler