Jan Badewien

Hilfestellung im Umgang mit Freien Gemeinden vor Ort

Immer wieder wird bei Beratungsstellen angefragt, ob dieser oder jener freien Gemeinde kirchliche Räume zur Verfügung gestellt werden können, ob Einstellungen z.B. von Erzieherinnen oder Altenpflegerinnen möglich sind (trotz der "ACK-Klausel", wonach Einstellungen nur möglich sind, wenn die Bewerber/innen einer Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehören).

Es gibt viele Möglichkeiten, sich über Absichten und Grundlagen Freier Gemeinden vor Ort ein Bild zu machen: durch einschlägige Handbücher und durch Internetrecherche. Das gelingt vor allem dann, wenn die Gemeinde einem größeren Verband angehört (Gemeinde Gottes, Forum freikirchlicher Pfingstgemeinden, Bund freier Pfingstgemeinden, Vereinigung Evangelischer Freikirchen o.ä) - womit auch ein gewisser Standard vermutet werden kann. Wie es aber tatsächlich in der Gemeinde am Ort zugeht, wie sie strukturiert ist, erfährt man am besten durch einen Besuch und durch Gespräche. Eine Hilfe dazu sollen die folgenden Fragen sein, die zur Orientierung und zur Urteilsfindung helfen können.

Dabei gilt es grundsätzlich zu beachten, dass in diesen Gemeinden Christen leben und wirken, die sich als Teil der weltweiten Christenheit verstehen (im Unterschied zu den "Sekten") und die auf gleichen Grundlagen stehen wie die Mitglieder jener Kirchen, die in der ACK miteinander verbunden sind.

Ratschläge zum Gespräch mit Freien Gemeinden und Missionswerken

I. Zur eigenen Vorklärung

1. Wie macht sich die freie Gemeinde im Ort bekannt?

2. Hat es eine Kontaktaufnahme durch die Gemeindeleiter gegeben (z.B. Besuch oder Einladung)?

3. Womit profiliert sich die Gemeinde - etwa mit einer negativen Darstellung der bestehenden Kirchen?

4. Gibt es schriftliche Zeugnisse/eine Website mit aussagekräftigen Beschreibungen der eigenen Ziele ("Wer wir sind", "Was wir glauben").

5. Werden in den Schriften/im Internet Versprechungen gemacht, die Zweifel an der Seriosität wecken (z.B. im Bereich der Geistheilung)?

6. Haben die Schriften/Internetauftritte eine aggressive, evtl. militaristische Sprache (Armee des Herrn, Inbesitznahme des Landes)?

7. Gibt es Konflikte im Umfeld der Freien Gemeinde (z.B. besorgte Anfragen wegen besonderer Verpflichtungen, besonderer Lebensformen oder Ausgrenzungen)?

8. Gibt es Polemiken gegen die Großkirchen bzw. eine Profilierung der eigenen Gemeinde auf dem Hintergrund einer verzerrten Darstellung der großen Kirchen, die kirchenfeindliche Vorurteile bedient?

II. Fragen im Gespräch mit den Gemeindeleitungen

1. Welche Veranstaltungen gibt es in der Freien Gemeinde (wo liegen ihre Schwerpunkte)?

2. Gehört die Gemeinde zu einem überregionalen Verband (s.o.) - und welche Konsequenz hat das?

3. Beteiligt sich der geistliche Leiter der Gemeinde an einem regionalen Treffen von Gemeindeleitern?

4. Gibt es eine wirksame ausgewiesene (institutionelle) Kontrolle der geistlichen Leiter (z.B. durch den Verband)?

5. Wird der Ältestenkreis von der Gemeinde gewählt oder vom Leiter ernannt?

6. Gibt es eine institutionalisierte Verbindung zur Ev. Landeskirche oder einer ökumenischen Aktivität (Evangelische Allianz, Weltgebetstag der Frauen o.ä.)?

7. Gehört zur Mitgliedschaft in dieser Gemeinde eine sog. Glaubenstaufe, auch wenn die Aufnahmewilligen bereits als Kinder getauft wurden? Kann die Gemeinde Menschen, die als kleine Kinder getauft wurden, als vollgültige Christen anerkennen (Besonders wichtig, wenn ein Patenamt angestrebt wird!)?

8. Versteht sie alle Mitglieder der Kirchengemeinde als Christen oder antwortet sie ausweichend wie "auch in der Kirche gibt es welche, die ..."?

9. Wird die landeskirchliche Gemeinde als Missionsgebiet angesehen? Wird auf Transferwachstum hingearbeitet (Abwerbung von Mitarbeitenden)?

10. Welche Rolle spielen die "Manifestationen des Heiligen Geistes" in der Gemeinde? Gehört nach dortigem Verständnis zum wahren Christen eine Geisttaufe, die sich zeigt in Zungenreden (Sprachengebet), prophetisch-visionärer Rede, Heilen oder Dämonenaustreibung?

11. Wie stark wird auf das Privatleben der Mitglieder Einfluss ausgeübt mit der Autorität einer "Prophetie" oder "Vision"?

12. Bei Raumwünschen: Plant die Freie Gemeinde eine Expansion oder Filiation in den Bereich der landeskirchlichen/katholischen Gemeinde? Sollen Gottesdienste parallel zu den bisherigen kirchlichen Gottesdiensten angeboten werden? Wird der Raum gewünscht für regelmäßige Zusammenkünfte oder für einzelne (Werbe-)Veranstaltungen der Freien Gemeinde - eventuell unter dem Deckmantel einer gemeinsamen Unternehmung?

13.Eine Rückfrage an die eigenen Gremien: Will der Ältestenkreis/Pfarrgemeinderat ein geistliches Angebot in den eigenen Räumen zulassen, das nicht von der Gemeinde selbst getragen bzw. mitgestaltet und mitverantwortet wird?

14. Bei Bewerbung für eine Anstellung im Kindergarten oder einer anderen sozialen Einrichtung der Kirchen: Kann ein Mitglied einer Freien Gemeinde die landeskirchliche Gemeinde anerkennen und darauf verzichten zu missionieren? Würde z.B. im Kindergarten loyal ein landeskirchlicher Gottesdienst mit vorbereitet? (Grundsätzlich gilt die ACK-Klausel!)

Die Antworten auf diese oder ähnliche Fragen sind nicht vorgegeben und sind auch nicht bewertet. Welche Schlüsse und welche Konsequenzen aus den Antworten für das Verhältnis zwischen bestehenden landeskirchlichen und freikirchlichen Gemeinden zu den neuen Gemeinden gezogen werden, liegt weitgehend im Ermessen der Fragenden. Das gilt natürlich nicht für jene Bereiche, in denen landeskirchliche Ordnungen betroffen sind. Beratungsgespräche mit Gemeindegliedern vor Ort lassen sich kompetenter führen, wenn eine bessere Kenntnis voneinander vorhanden ist - und auch eventuelle Anfragen bei den landeskirchlichen Informationsstellen können gezielter behandelt werden, je klarer die Zielsetzungen einer Freien Gemeinde, eines Missionswerks oder einer Überkonfessionellen Initiative geklärt sind.