Hansjörg Schmid, Andreas Renz, Jutta Sperber (Hg.)

Heil in Christentum und Islam. Erlösung oder Rechtleitung?

Hansjörg Schmid, Andreas Renz, Jutta Sperber (Hg.), Heil in Christentum und Islam. Erlösung oder Rechtleitung?, Theologisches Forum Christentum – Islam, Hohenheimer Protokolle Band 61, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart 2004, 248 Seiten, 12,00 Euro.

Hansjörg Schmid, Andreas Renz, Jutta Sperber (Hg.), „Im Namen Gottes…“ – Theologie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam, Theologisches Forum Christentum – Islam, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2006, 246 Seiten, 19,90 Euro.


Die angezeigten Titel sind die Tagungsbände der 2. (2004) und 3. (2005) Tagung des Stuttgarter „Theologischen Forums Christentum – Islam“, einer Aktivität der katholischen Akademie in Stuttgart-Hohenheim, das sich als ein wichtiger Ort des regelmäßigen christlich-islamischen Dialoges etabliert hat. Der Band „Heil in Christentum und Islam“, der noch im Rahmen der christlichen Vergewisserung konzipiert ist, wartet mit einigen sehr substantiellen Beiträgen auf. Stefan Schreiners grundsätzlich einführender Aufsatz problematisiert auch die vermeintliche Kompatibilität von Begriffen und weist darauf hin, dass das Wort nadschad (Heil) im Koran nur einmal vorkommt. Hilfreich sind Schreiners Differenzierung des Abraham-Verständnisses in Judentum, Christentum und Islam, zur Geschöpflichkeit des Menschen und zur Unterschiedlichkeit des Themas Sünde: wesenhafter Sündhaftigkeit oder akzidentieller Sünde. Weniger das Stichwort „Erlösung“ als das der Ausrichtung und der Befolgung der Rechtleitung sind im Islam von zentraler Wichtigkeit. Claude Gilliot spitzt die Fragestellung zu auf das Thema „Rechtleitung und Heilszusage im Islam“. Anthropologische Themen wie die Kreatürlichkeit und die Prädestination des Menschen, die unterschiedlichen theologischen Konzepte der Dschamiten, Mutaziliten und Sunniten sowie die Frage nach dem islam als der „Hinwendung“ zu Gott und der menschlichen Teilhabe am geschöpflichen Auftrag sind die Schwerpunkte dieses Beitrags, während Andreas Renz dem Motiv des Weges bzw. der zwei Wege in den monotheistischen Traditionen unter dem Gesichtpunkt der Metaphorik zum Glaubens- und Lebensweg nachgeht. Die formale Gemeinsamkeit einer Metaphorik von Weg und Wegweisung in Judentum, Christentum und Islam darf nicht über die wichtigen Profilunterschiede hinwegtäuschen. Es finden sich im weiteren u.a. interessante Einzelstudien zu dem mutazilitischen Denker Abd al-Dschabbar (Anja Middelbeck-Varwick), zur doppelten Prädestination im Koran und Neuen Testament (Heikki Räisänen), zu Prädestination und Freiheit (Ulrich Schoen), zu Jesus im Koran (Martin Bauschke) und eine Interpretation der „geistlichen Anleitung“ für die Attentäter des 11.9.2001 (Klaus Hock). Assaad Kattan warnt in seinen Überlegungen zum Dialog davor, zu hohe Erwartungen an den Dialog zu stellen, der es nie mit monolithischen Religionen als Essenzen, sondern immer mit konkreten Gesprächspartnern und gegenseitigen Beeinflussungs- und Lerndynamiken zu tun hat. Die zusammenfassende Tagungsreflexion der Herausgeber lässt deutlich erkennen, dass das Theologische Forum einen höheren Anspruch hat als den einer Aneinanderreihung von Beiträgen zu einem Thema, sondern einen gemeinsamen Denkfortschritt und ein gemeinsames Wachsen im Dialog anstrebt. Besser vermittelt werden sollen die inhaltliche und die methodisch-hermeneutische Ebene, falsche Alternativen deutlicher benannt und unklare Begrifflichkeiten besser und präziser profiliert werden, so die Autoren. Zahlreiche Beiträge, etwa die von Gilliot, Bauschke, Troll und Middelbeck-Varwick, lassen noch einmal die Frage aufkommen, welchen konzeptionellen Sinn es hatte, Muslime erst ab der dritten Tagung einzubeziehen, obwohl die Zeit, in der ohne Muslime über den Islam geredet wurde, eigentlich als beendet gelten sollte. Der „notwendige innerchristliche Reflexions- und Verständigungsprozess“ (12) greift hier ja zutiefst in den Islamdiskurs ein. Die sachliche, konstruktive Stimmung der bisherigen vier Tagungen einschließlich der beiden unter muslimischer Beteiligung mag faktisch dieses Vorgehen rechtfertigen, auch wenn es im derzeit erreichten Stadium des Methodendiskurses zum interreligiösen Dialog nicht stimmig ist.

Auf der darauffolgenden Tagung zum Thema Gebet stellte man sich dem von den Herausgebern formulierten Anspruch unter Einbeziehung von muslimischen Referenten und Tagungsteilnehmern. Hier ist nun auch die Tendenz deutlich, muslimische Themen von muslimischen Gesprächspartnern behandeln zu lassen – und die Unterlassung dieses Schritts auf den ersten beiden Tagungen wird auch in diesem Band nicht plausibel begründet. Der Eröffnungsvortrag von Kenneth Cragg, dem Altmeister der christlichen Islam-Studien, führt tief hinein in die Dimensionen des Gebets in beiden Traditionen und im Sufismus, während Michael Bongardt die christliche Sicht vertieft und die Verknüpfungen des Gebets mit dem Bekenntnis, mit dem Glauben an Gott als Vater, Sohn und Geist, und in Sonderheit mit der Menschwerdung Gottes entfaltet. Hamideh Mohagheghi ist die erste muslimische Referentin, die nun mit ihrem Beitrag in die vielfältigen Formen, Traditionen und die theologischen Hintergründe des muslimischen Gebetes einführt. Sie beendet ihren Vortrag mit einigen interessanten Fragen an die Christen: Wie steht es in diesem Zusammenhang mit der Gemeinsamkeit des einen und selben Gottes als Adressat unserer Gebete, von dem in Koran und muslimischem Glauben ausgegangen wird? Kann das Thema des Gebets Muslime und Christen zusammenführen, wenn diese theologische Grundlage in Frage gestellt wird? Kann das Gebet allen einen direkten Weg zu Gott bieten (der nicht über Jesus führt)? Eine Phase des Bandes ist dem Thema des Fürbittgebets und des Bittgebets gewidmet, in einem weiteren Teil werden Wort und Leiblichkeit miteinander ins Verhältnis gesetzt: Gebetsgesten, Liturgie, Leiblichkeit im umfassenden Sinne.

Säkulare Aspekte des Gebets in seiner öffentlichen oder auch privaten Handhabung (christlich – Klaus Hock, muslimisch – Mohammed Heidari) sind eines der Themen im weiteren. Einen kleinen Farbtupfer in diesem weithin linear-konstruktiven Dialog bietet das Duo Martin Bauschke/Friedmann Eißler. Bauschke, hervorgetreten u.a. als Mitherausgeber eines jüdisch-christlich-muslimischen Gebetbuchs, plädiert für den gemeinsamen Bezug der „abrahamischen“ Religionen auf den einen und selben Gott, für das religionsübergreifende Fürbittgebet und überhaupt für gemeinsames Beten auch mit gemeinsamen Texten. Eißler macht demgegenüber das trinitarische Gebet und die notwendige Differenzierung der unterschiedlichen Glaubens- und Gebetsformen stark, ohne allerdings die These des einen und selbigen Gottes in Abrede zu stellen. Der Respekt vor der jeweils anderen Gebetsweise sollte der Gemeinsamkeit vorausgehen und sollte zu einer „spirituellen Gastfreundschaft“ führen.

Es tut dem Buch gut, dass auch diese kritischen Akzente hier Platz gefunden haben, die eine Ahnung von dem Diskursspektrum vermitteln. Auch dieser Band schließt mit zusammenfassenden Reflexionen der Herausgeber.

Beide Bücher sind, unter der genannten Einschränkung des späten Einbezugs muslimischer Referenten, mit Gewinn zu lesen, bieten Reflexionen auf hohem Niveau und mit großer Fachkompetenz und nähren das Interesse, selbst Zeuge der Tagungen zu werden, zumal hier nur die Vorträge, nicht jedoch die Diskussionen dokumentiert werden. Das Unternehmen als solches, das bereits mit einer weiteren Tagung im März 2006 fortgesetzt wurde, hat hohes Lob und Interesse verdient.


Ulrich Dehn