Thomas Bohrmann, Werner Veith, Stephan Zöller (Hg.)

Handbuch Theologie und populärer Film

Thomas Bohrmann, Werner Veith, Stephan Zöller (Hg.), Handbuch Theologie und populärer Film, Schöningh Verlag, Bd. 1, Paderborn 2007, 376 Seiten, Bd. 2, Paderborn 2009, 406 Seiten, je 39,90 Euro.

Je mehr „Religiöses“ in der säkularen Kultur entdeckt wird, umso schwieriger scheint es, bestimmen zu können, was das Religiöse bzw. Religion eigentlich ist. Diese Schwierigkeit macht sich auch in dem vorliegenden „Handbuch Theologie und populärer Film“ bemerkbar, das inzwischen in zwei Bänden erschienen ist. Manche Autoren gebrauchen religiöse oder theologische Begriffe inflationär, in anderen Beiträgen fehlen sie dagegen fast gänzlich. Wenige Beiträge werden beidem gerecht: Film und Theologie.

Ausgangspunkt für ein theologisches Interesse am Film sind, so die Herausgeber im Vorwort, die „religiös relevanten Motive“, die in vielen populären Spielfilmen zur Sprache kommen, „ohne dass allerdings Religiosität explizit thematisiert wird“. Das Handbuch möchte den bisherigen Wissensstand zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema „Kirche und Kino“ systematisch ordnen. Die beiden Bände versammeln Beiträge von 28 Autoren und (darunter vier) Autorinnen, die sich professionell im Raum der Kirche mit Filmen beschäftigen: als katholische und evangelische Filmbeauftragte für Deutschland und die Schweiz, als Autoren der konfessionellen Fachzeitschriften (film-dienst und epd Film), als Dozenten an Universitäten sowie als Praktiker in der Erwachsenenbildung und den kirchlichen Medienstellen.

Die Beiträge sind geordnet nach Genres (erster Band: Liebe, Science-Fiction, Horror, Krieg, Fantasy; zweiter Band: Western, Comic, Musical, Sport, Komödien), Regisseuren (erster Band: z. B. Steven Spielberg, David Fincher, Peter Weir; zweiter Band: z. B. Stanley Kubrick, Ridley Scott), Figuren (erster Band: Erlöserinnen / Erlöser, Engel, Märtyrer, Teufel, Priester; zweiter Band: König, Kind, Luther, Superheld, Pfarrer), Themen (erster Band: Künstliche Intelligenz, Tod, Körper, Aufklärung, Selbstentfremdung) bzw. Motiven (zweiter Band: Familie, Schuld und Sühne, Apokalypse, Auferstehung, Passion Jesu). Hinzu kommen ein einführender Beitrag über die Dramaturgie und Analyse des populären Films im ersten Band sowie ein Beitrag über den Einsatz von Filmen im Religionsunterricht im zweiten Band.

Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der besprochenen Filme war deren weltweiter Erfolg an den Kinokassen. Vor allem in den Beiträgen zu Figuren und Themen berücksichtigen die Autoren jedoch neben Hollywoodfilmen auch deutsche und europäische Filme. Die beiden Bände bieten eine anregende Sammlung von Filmen und Themen für die eigene Beschäftigung mit dem Medium in der Gemeinde und im Unterricht. Neben einer ausführlichen Filmographie finden sich im Anhang kommentierte Internetadressen.

Wie die Rede vom Religiösen in der Filmanalyse gelingt oder auch scheitert, sei an folgenden Beispielen verdeutlicht. Wohltuend zurückhaltend mit religiösen Deutungen ist Thomas Bohrmann in seinem Beitrag „Die Dramaturgie des populären Films“. Er stellt das Modell der „Reise des Helden“ vor, von dem sich viele Drehbuchschreiber leiten lassen. In der „Reise des Helden“ sieht er eine „Metapher für das menschliche Leben“, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nicht so zurückhaltend wird in der Einleitung des zweiten Bandes ein „Bedürfnis nach religiöser Sinnorientierung“ mit populären Kinofilmen in Zusammenhang gebracht. Statt in der Kirche suchten die Menschen im Kino „Möglichkeiten zur Deutung und Bewältigung ihrer Existenz“. Im ersten Band werden Kinos mit Kathedralen verglichen mit Hinweis auf die „spirituelle Dimension dieser modernen Kultorte“. Ohne Zweifel hat das Erzählen von Geschichten in der menschlichen Kultur schon immer mehr geleistet als „nur“ Unterhaltung. Aber muss man dem Film deshalb gleich eine religiöse Ersatzfunktion unterstellen?

Ein Beispiel für inflationären Gebrauch theologischer Begriffe ist Thomas von Scheidts Beitrag „Liebe im Film: Erlösung hat viele Gesichter“. In den Liebesfilmen Hollywoods gehe es „um die Befreiung aus Gefangenschaft, um die Errettung aus bedrückenden Verhältnissen, um das Entkommen aus der Obhut einer ‚bösen’ Macht, oder – theologisch gesprochen – Erlösung“. Hier werden theologische Begriffe ausverkauft. Scheidt spricht davon, dass die Kirchen ihr „Erlösungsmonopol“ verlieren, lässt aber eine genaue Bestimmung vermissen, was Erlösung theologisch meint.

In anderen Beiträgen kommt Religion dafür kaum in den Blick, es sei denn in einer Aussage wie der, dass „das Leben eine absolute Größe ist“ (Matthias Wörther über den Regisseur Peter Weir). Das tut der Filmanalyse gut, die nicht vorschnell mit überzogenen religiösen Deutungen belastet wird. Es bleibt aber offen, warum sich die Theologie mit diesem Thema beschäftigen sollte. An anderer Stelle verleihen bestimmte Vokabeln der Analyse einen religiösen Anstrich. So schreibt zum Beispiel Charles Martig über David Finchers „religiöse[n] Ernst in der moralischen Fragestellung und sein[en] spirituellen Furor in der Ästhetik“. Unklar bleibt, was damit gemeint ist. Oder hervorgehobene Wörter in der Nacherzählung markieren allein noch nicht den „religiösen“ Gehalt eines Films: z. B. „roter Teufel“, Magdalena, Heilerin, Medizinmann, Gebet, versöhnt, Fluch, Bibellektüre, heilen, opfern (Wolfgang Luley in seinem Beitrag über „Religiöse Motive im Post-Western“). Von einer theologischen oder auch nur „religiösen“ Deutung würde man mehr erwarten.

Andere Autoren blicken nicht nur durch eine irgendwie religiöse, sondern tatsächlich durch eine theologische Brille auf die Kinoleinwand. So betrachtet Gerhard Hroß das Genre des Horrorfilms im Licht theologischer Dogmatik und sieht eine „Welt ohne Gott“: „Für den Menschen ist nur eines sicher: Eine Welt ohne einen gütigen und allmächtigen Gott – das ist Horror.“ Diese theologische Deutung macht es sich zu einfach. Auch Liebesfilme zeigen in der Regel eine „Welt ohne Gott“, ohne dass diese Horror hervorruft. Ganz anders geht Jochen Bohn in seiner Interpretation der Matrix-Trilogie vor. Er nimmt den Film als Deutungsmuster für eine christliche Existenz unter dem Gesetz. In seiner engagiert, aber auch problematisch entwickelten Rechtfertigungstheologie dient der Film nur als Anregung, eine genaue Analyse bleibt auf der Strecke.

Wie es gehen kann, Theologie und Filmanalyse sinnvoll zu verbinden, macht der Beitrag von Roberto Daniel über den Regisseur Steven Spielberg deutlich. Einer genauen Untersuchung von explizit religiösen Motiven in Spielbergs Filmen folgt eine „theologische Annäherung“ an die dort gezeigten menschlichen Grunderfahrungen.

Das Handbuch zeigt, dass eine große Faszination am Film und den dort erzählten Geschichten auch theologisch aufgenommen werden will. Allerdings steckt die „theologische Filmanalyse“ noch in den Kinderschuhen. Kriterium für eine plausible theologische Deutung kann nicht sein, dass sie „für den Rezipienten – also subjektiv-orientiert – bereichernd sein kann“, wie es im Vorwort heißt. Die Herausgeber haben einen dritten Band in Aussicht gestellt, der die vorgestellten Themen stärker theologisch systematisieren will. Wünschenswert wäre auch eine Reflexion darüber, was eine theologische Beschäftigung mit Film leisten kann und soll und wie dabei vorzugehen ist.


Claudia Knepper