Pfingstbewegung

„Größter evangelistischer Kreuzzug“ in Deutschland

(Letzter Bericht: 6/2007, 223ff) Am 29. April dieses Jahres trafen sich im Bürgerhaus des Frankfurter Stadtteils Sindlingen ca. 400 Mitarbeiter, Mitglieder und Sympathisanten der brasilianischen neupfingstlerischen Universalkirche vom Reich Gottes (URG) zu ihrem „größten evangelistischen Kreuzzug“ in Deutschland. Aus den Gemeinden der URG in Hamburg, Berlin, Würzburg, Stuttgart und München kamen sie zu dieser ersten deutschlandweiten missionarischen Veranstaltung. Das Publikum bestand überwiegend aus portugiesischsprachigen Einwanderern brasilianischer, portugiesischer und afrikanischer Herkunft.

Große Sensation und Attraktion der Veranstaltung war die Anwesenheit des Gründers und weltweiten Hauptbischofs der URG, Edir Macedo. Mit dem unbescheidenen Titel „Größter Evangelist des Jahrhunderts“ wurde seine Teilnahme in einem Flyer angekündigt. Die URG ließ durch die im selben Flyer abgedruckte Einladung „Leiden Sie unter finanziellen, familiären, gesundheitlichen oder emotionalen Gefühlsproblemen? Kommen Sie!“ bereits im Vorfeld erkennen, worum es bei diesem „evangelistischen Kreuzzug“ ging: um die Lösung dieser Probleme oder – in der theologischen Sprache der Universalkirche formuliert – um Befreiung von ihnen und um das Erlangen eines erfüllten und erfolgreichen Lebens.

Die Veranstaltung war hinsichtlich ihres Verlaufs, ihrer Bestandteile und ihres Inhalts im Großen und Ganzen ein typischer Gottesdienst dieser brasilianischen Kirche: Ein langes Gebet um die Befreiung von „bösen Geistern“, eine fast einstündige Ansprache von Bischof Macedo, Abgabe von Geldspenden, Verteilung von kleinen Dosen mit dem „gesegneten Olivenöl aus dem Heiligen Land“ (Israel) etc. Eine Abweichung von der gottesdienstlichen Praxis der URG und zugleich Höhepunkt der Veranstaltung war der Aufruf zur „Entscheidung für Jesus“, den Bischof Macedo an seine Ansprache anschloss. Er rief alle Anwesenden dazu auf, nach vorne vor die Bühne zu treten und die Entscheidung zu treffen, „entregar a vida para Jesus“, d.h. „das Leben in Jesu Hände zu legen“. Solche „Bekehrungsappelle“ sind in den Gottesdiensten der URG sonst nicht üblich. Eine weitere Abweichung von der gottesdienstlichen Praxis war der Verzicht auf Dämonenaustreibung während der Veranstaltung. Exorzismen im Altarraum sind sonst ein fester Bestandteil des Gottesdienstes der Kirche von Bischof Macedo. Es wurden lediglich in einem abgetrennten Flur vor Beginn der Veranstaltung Exorzismen bei einzelnen Menschen durchgeführt.

In seiner Ansprache wiederholte Bischof Macedo die wesentlichen Eckpunkte der optimistischen und pragmatischen „Wohlstandstheologie“ seiner Kirche: Durch Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes in der Bibel und durch die Abgabe des Zehnten lebe der Mensch als treuer Partner Gottes und erfülle damit alle Bedingungen für ein erfülltes und erfolgreiches Leben. Die Aufforderung zur Abgabe des Zehnten und anderer Geldspenden rechtfertigte Bischof Macedo mit seiner altbekannten Argumentation: Das Geld sei das „Blut“ der Kirche, d.h. das lebensnotwendige Mittel für ihre Ausbreitung. Deswegen habe Gott die Abgabe des Zehnten geboten und mit der Zusage finanziellen Wohlstands verbindlich verknüpft. „Wollt Ihr reich werden“, fragte Macedo das Publikum, dann „gebt den Zehnten ab“! Unter Berufung auf die biblischen Stellen Maleachi 3,10 und Lukas 6,38 nannte er die Abgabe von Geldspenden „das einzige Mittel, um Gott zu prüfen“. Das heißt, wer den Zehnten und andere Spenden treu abgebe, könne Gott zur Rechenschaft ziehen und von ihm ein Leben in Wohlstand, Gesundheit und Glück fordern. Mit Macedos Worten: „Gott muss dich segnen“.

Durch diese erste missionarische Veranstaltung in Deutschland hat die URG vor allem gezeigt, dass sie sich auf dem deutschen „Markt“ kirchlich-religiöser Angebote allmählich etabliert. Die Veranstaltung vermittelte den Eindruck, dass die URG in Deutschland gut funktionierende Gemeinden mit vielen engagierten Mitarbeitern und Mitgliedern bzw. Sympathisanten hat. Die Anreise nach Frankfurt, die erregte und enthusiastische Teilnahme an der Veranstaltung und die sehr positive Reaktion auf den Spendenaufruf sind Zeichen dafür, dass viele Teilnehmer einen Bezug zur URG als sinnstiftende religiöse Gemeinschaft haben und bereit sind, sie durch ihr Engagement in Gestalt von Mitarbeit und Spenden zu unterstützen. Gespräche mit einem Mitarbeiter, einem Einwanderer aus Mosambik, und mit einigen Mitgliedern vor und während der Veranstaltung haben diesen Eindruck verstärkt.

Die überwiegende Teilnahme portugiesischsprachiger Menschen zusammen mit anderen Beobachtungen – z. B. dass die Veranstaltung in Portugiesisch abgehalten und nur eine sehr schlechte Übersetzung ins Deutsche geboten wurde – deuten darauf hin, dass die URG noch stark den Charakter einer „Migrantenkirche“ hat, die eine relativ begrenzte Gruppe erreicht, nämlich Brasilianer, Portugiesen und Afrikaner aus ehemaligen portugiesischen Kolonien. Die portugiesische Sprache sowie bestimmte religiöse und kulturelle Denkkategorien sind für die Etablierung der URG unter dieser Bevölkerungsgruppe von Vorteil. Die Arbeit und die Ausbreitung der URG werden auch dadurch erleichtert, dass sie Pastoren und andere Mitarbeiter aus ihren Gemeinden aus Portugal ohne bürokratische Hürden hierzulande einsetzen kann und zudem ihre von Spanien aus ausgestrahlten Fernsehprogramme auch hier über Satellit empfangen werden können. Es ist außerdem zu vermuten, dass die Botschaft der URG und die erlebte Gemeinschaft den Menschen Hilfestellungen beim Umgang mit ihren typischen Migrantenproblemen geben.

Auch wenn ihr Wirkungsbereich und ihre Attraktivität auf dem deutschen „Markt“ religiöser Angebote noch sehr beschränkt sind, hat die URG mit dieser ersten öffentlichen missionarischen Veranstaltung ihr starkes Sendungsbewusstsein unter Beweis gestellt und gezeigt, dass sie in Deutschland Fuß gefasst hat und sich hierzulande ausbreiten will und kann. Mit ihrer fragwürdigen Wohlstandstheologie und ihren sektiererischen, antiökumenischen Zügen ist sie nicht nur eine neue Herausforderung für die Landeskirchen, sondern zunächst auch eine starke Konkurrenz für andere brasilianische Migrantengemeinden.


João Carlos Schmidt, Aalen