Gesellschaft

Für mehr Religionskompetenz in den Medien - eine britische Parlamentsinitiative

Am 12. April 2021 wurde der Abschlussbericht der „All-Party Parliamentary Group on Religion in the Media“ (kurz: APPG) veröffentlicht, eines überparteilichen Zusammenschlusses von ParlamentarierInnen aus dem britischen Ober- und Unterhaus zum Thema Religion in den Medien.1 Der Bericht will Strategien für eine Steigerung der religionskundlichen Kompetenzen unter JournalistInnen entwickeln. Denn der Mangel an entsprechenden Kenntnissen führt in Print-, Bild- und Onlinemedien oftmals zu einer einseitigen und reißerischen Berichterstattung über religiöse Themen, die problematische Vorurteile zu verstärken geeignet ist. Die derzeit 18 Mitglieder der APPG, die selbst unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften angehören,2 wollen dafür eine Dialog-Plattform schaffen, wo sich PolitikerInnen, JournalistInnen, WissenschaftlerInnen und Mitglieder von Religionsgemeinschaften begegnen und austauschen können.

Der Bericht weist als Grundproblem auf die mangelnde „religious literacy“ (religiöse Lese- und Schreibkompetenz) von JournalistInnen hin, selbst im Falle dezidierter ReligionsjournalistInnen.3 Aufgrund des fehlenden Wissens, häufig verbunden mit einer distanzierten Haltung zu Religion allgemein,4 würden die Religionsgemeinschaften oft als problematisch, restriktiv, konfliktträchtig oder schlicht veraltet dargestellt. Hinzu kämen Fehlinterpretationen von Umfragen und bewusst dramatisierende Bebilderungen, die, zusammen mit reißerischen Überschriften und inadäquaten Verallgemeinerungen, mitunter ganze religiöse Traditionen in Verruf brächten. Die Folge: Es würden negative Stereotype und konkrete Fehlinformationen verbreitet sowie ganze Gruppen stigmatisiert.

Zur Verbesserung der Situation fordern die AutorInnen des Berichts zusätzliche religionskundliche Module an den Universitäten und Weiterbildungsmöglichkeiten im Berufsleben. Vor allem aber rufen sie zu mehr Diversität in der Medienlandschaft auf. Je mehr Menschen unterschiedlicher Herkunft und religiöser Vorbildung innerhalb einer Zeitung oder Fernsehanstalt arbeiteten, desto höher sei auch die Sensibilität für kulturelle und religiöse Vielfalt. Zugleich sollten sich gerade Fernsehanstalten und digitale Medien dessen bewusst werden, dass häufig die ausgewählten Bilder und Überschriften den stärksten emotionalen Eindruck bei Leserinnen oder Zuschauern hinterlassen. Religionsgemeinschaften wiederum sollten ExpertInnen bestimmen, die sich regelmäßig und längerfristig mit MedienvertreterInnen austauschen – nicht zuletzt, um versehentliche Fehldarstellungen richtigzustellen.

Der Bericht der APPG macht deutlich, dass religionskundliche Kompetenzen für den Zusammenhalt und ein respektvolles Miteinander in einer pluralistischen Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Dabei ist es wichtig, religiöse Themen wieder zu normalisieren und sie nicht automatisch mit Fanatismus, Konflikt oder rigidem Traditionalismus gleichzusetzen.

Was die – in manchem vergleichbare – Lage in Deutschland angeht, ist der neue Masterstudiengang „Religionen verstehen“ an der Universität Bamberg ein erster wichtiger Schritt, um das Verständnis von religiösen Traditionen und deren Bedeutung im öffentlichen Raum institutionell zu fördern.5 Denn auch hierzulande stößt man immer wieder auf Beiträge, die etwa Evangelikale mit Scientologen unter dem diffamierenden Begriff „Sekte“ in einen Topf werfen und unter dem Vorwurf der Gehirnwäsche gemeinsam ablehnen. Um religionskundlicher Ignoranz in den Medien entgegenzuwirken, wäre auch in Deutschland eine ähnliche überparteiliche Arbeitsgruppe zur Förderung von religiöser Lesefähigkeit sicher nicht unangebracht.


Claudia Jetter, 10.07.2021

Anmerkungen

  1. www.appgreligioninmedia.uk. Bericht Learning to Listen. Inquiry into Religious Literacy in Print and Broadcast Media,https://tinyurl.com/ykea6shp (Abruf: 10.6.2021).
  2. Die derzeitigen Mitglieder gehören unter anderem der anglikanischen Kirche, muslimischen Gemeinschaften, evangelikalen Kirchen oder der Gemeinschaft der Sikh an.
  3. Das Konzept der „religious literacy“ wird in den USA bereits seit über zehn Jahren diskutiert. Die Harvard Divinity School hat 2015 ein breit angelegtes religionskundliches Bildungsprojekt („Religious Literacy Project“) gestartet, welches seitdem regelmäßig Workshops, Summer Schools und Seminare anbietet für verschiedenste Interessenvertreter. Vgl. https://rpl.hds.harvard.edu (Abruf: 11.5.2021).
  4. Unter britischen JournalistInnen sind 61,1 % konfessionslos, während sich gerade mal 27,8 % der Briten insgesamt keiner Religion zugehörig fühlen. Vgl. Grafik im Bericht Learning to Listen (s. Fußnote 1), 44.
  5. Seit dem Wintersemester 2020/21 bietet die Universität Bamberg den Masterstudiengang „Religionen verstehen“ an. Vgl. www.uni-bamberg.de/ma-rellit  (Abruf: 10.7.2021).