Johannes Kandel

Für Demokratie und Menschenrechte

Gegen Denkverbote und Meinungsdiktatur, für einen freien zivilgesellschaftlichen Islamdiskurs

 

Der Autor des „Manifests Islam“, das wir im Folgenden dokumentieren, ist Johannes Kandel, Historiker, Politikwissenschaftler und langjähriger Dozent und Akademieleiter im Bereich Politische Bildung bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Islamismus in Deutschland. Zwischen Panikmache und Naivität“, Freiburg i. Br. u. a. 2011.

 

Thesen

1. Statt Fortsetzung eines scharf polarisierten und emotionalisierten Islamdiskurses mit „politisch korrekter“ Tabuisierung der wirklichen Problemlagen brauchen wir eine nüchterne Sachdebatte über den Zusammenhang von Islam, Islamismus und Dschihadismus. Dem Versuch einiger Politiker, muslimischer Verbandsvertreter und Medienvertreter, im Gefolge des Pariser Anschlags den Eindruck zu erwecken, dass, wer Islam mit Islamismus in Verbindung bringe, Islamfeindlichkeit verbreite oder gar das „Geschäft der Terroristen“ betreibe, muss entschieden begegnet werden.

2. Im Islamdiskurs muss der Islam selbst in seiner gegenwärtig real existierenden und dominierenden Gestalt („realdominanter Islam“) Gegenstand der Erörterungen sein. Denn Islamisten und Dschihadisten beziehen sich auf diesen Islam und legitimieren ihre Gräueltaten mit diesem Islam. Und dieser „realdominante“ Islam lässt sich nicht mit den universalen Menschenrechten, Demokratie, Pluralismus und Rechtsstaat vereinbaren.

3. Es ist daher nicht nur das legitime Recht, sondern die staatsbürgerliche Pflicht jedes Demokraten, die Anhänger des Islam zum Zusammenhang von Islamismus und Islam zu befragen und auf die Reform des „realdominanten Islam“ zu drängen, weil nur auf diese Weise die Vereinbarkeit des Islam mit universalen Menschenrechten, Demokratie, Pluralismus und Rechtsstaat zu erreichen ist.

4. Zahlreiche Muslime in Deutschland sehen in ihrer islamischen Lebensweise keinen Widerspruch zur Demokratie des Grundgesetzes und leben friedlich mit uns. Sie sind ebenso zu respektieren wie jene muslimischen Verbandsvertreter, die wiederholt ihre Loyalität zum Grundgesetz unterstrichen haben. Dies ist zu respektieren und zu würdigen.

5. Eine Reihe von Muslimen (vor allem Intellektuelle), die sich der Reform des Islam verschrieben haben, fordert seit Langem eine grundlegende Revision des „realdominanten“ Islam. Dies ist ebenfalls zu respektieren und zu würdigen. Ihr Dilemma ist allerdings ihre geringe Wirkung in die muslimischen Gemeinschaften hinein.

6. Alle Reformbestrebungen und darauf gerichteten interreligiösen und interkulturellen Dialoge sollten nachhaltig durch staatliche Förderung und zivilgesellschaftliche Unterstützung vorangebracht werden.

Erläuterung

Eine sachgerechte Beschreibung des gegenwärtig „real existierenden“, ja „dominanten“ Islam ist die Grundvoraussetzung für einen realistischen und ehrlichen Diskurs. Muslime, die den Grundprinzipien des „realdominanten Islam“ folgen,

  • leiten aus der göttlichen Offenbarung im Koran, der als unerschaffen, widerspruchsfrei und absolut zeitlos geltend verstanden wird, einen umfassenden monopolistischen religiös-politischen Herrschaftsanspruch ab. Die „Religion bei Gott ist der Islam“ (Sure 3,19), und die Muslime bilden die „beste Gemeinschaft, die je unter den Menschen hervorgebracht worden ist. Ihr gebietet das Rechte und verbietet das Verwerfliche und glaubt an Gott“ (Sure 3,110). Friede auf Erden und harmonisches Zusammenleben werden erst dann erreicht, wenn die ganze Welt diesem Islam unterworfen ist.
  • glauben, dass Allah Mohammed als den letzten der Propheten (als „Siegel“ der Propheten, Sure 33,40) der Welt gesandt hat (rasul Allah), um die Menschheit rechtzuleiten. Das Leben Mohammeds (sira) gilt in allen seinen Ausdrucksformen und Handlungsmaximen als unbedingt nachahmenswert, eine Beleidigung des Propheten als todeswürdiges Verbrechen.
  • bleiben im Blick auf die Scharia unklar und ambivalent. Das Verhältnis von unveränderlichem „Gottesrecht“ und flexiblem „Menschenrecht“ bleibt letztlich unaufgeklärt und bietet somit fundamentalistischen und extremistischen Auslegungen breiten Raum. Solche Auslegungen sind im Blick auf das Strafrecht, Erb-, Ehe- und Familienrecht nicht mit den universalen Menschenrechten kompatibel.
  • nehmen eine scharfe Trennung von „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ vor und verweigern anderen Religionen und Weltanschauungen die gleichberechtigte Anerkennung im Sinne menschenrechtlich definierter Religionsfreiheit. Auch Juden und Christen werden, obgleich gelegentlich positiv gesehen (in der Frühzeit Mohammeds), letztlich als Ungläubige stigmatisiert, weil sie die „wahre Religion“ bei Gott (z. B. Sure 3,19) in ihren heiligen Schriften angeblich verfälscht und verzerrt haben (tahrif). Gleichwohl wird ihnen als „Schriftbesitzer“ (ahl al-kitab) die (eingeschränkte, weitgehend nicht-öffentliche) Pflege ihrer Religion zugestanden. Jahrhunderte mussten Juden und Christen für diese Duldung (euphemistisch als „Schutz“ gedeutet, arab. dhimma) eine demütigende „Kopfsteuer“ (djizya) bezahlen. Gegenwärtig ist die Lage insbesondere von Christen in manchen islamischen Staaten mehr als prekär. Sie reicht von Belästigungen und Diskriminierungen bis zu offener Verfolgung (z. B. in Iran, Irak, Syrien, Ägypten, Saudi-Arabien, Sudan, Somalia, Nigeria, Mali, Eritrea, Pakistan, Afghanistan, Malediven, Jemen).
  • nehmen latent oder offen antisemitische Haltungen ein, wobei an judenfeindliche Aussagen im Koran, in der Tradition und an den Umgang Mohammeds mit den Juden seiner Zeit angeknüpft wird. Hinzu tritt der Import des modernen Antisemitismus in verschiedenen Varianten, der durch den Nahostkonflikt fortwährend angeheizt und verschärft wird (siehe z. B. die Charta der Hamas).
  • ahnden die Abwendung vom Islam als verabscheuungswürdigen „Abfall“ (Apostasie), der sowohl eine schwere Strafe im Jenseits nach sich zieht (z. B. Suren 3,86-91; 88,23-24; 16,106-107; 109) als auch – nach einhelliger Auffassung aller vier Rechtsschulen – im Diesseits mit dem Tode bestraft werden soll, da der Apostat (murtadd) nicht nur Gott beleidigt, sondern gegenüber der muslimischen Gemeinschaft (umma) Hochverrat begangen habe (z. B. Suren 2,217; 4,88-89; 9,11-12; im Hadith: Bukhari, Band 9, Buch 84, Nr. 57; Bukhari, Band 9, Buch 83, Nr. 17 u. a.).
  • verstehen den Kampf für die Dominanz des Islam als „Dschihad“, der als verdienstliches Werk „auf dem Wege Gottes“ bezeichnet wird und erst endet, wenn die Weltgemeinschaft sich zum Islam bekennt. Entgegen der spiritualistischen Tradition, die Dschihad vornehmlich als Ringen um persönliche Nähe zu Gott und Bekämpfung individueller Verfehlungen und Laster darstellt („großer Dschihad“), bleibt in Geschichte und Gegenwart die militante Version des Dschihad, verstanden als physischer Kampf (qatl = Töten, Kampf mit der Waffe) gegen die Ungläubigen, eine herausragende und letztlich dominante Interpretation („kleiner Dschihad“). Die „Schwertverse“ (Suren 9,5; 9,29; 47,4 etc.) dokumentieren dies unmissverständlich.1
  • weigern sich entweder gänzlich, die Säkularität des neuzeitlichen Staates (Trennung von Staat und Religion) als das friedensverbürgende Grundprinzip für das Zusammenleben im religiös-kulturellen Pluralismus anzuerkennen, oder akzeptieren lediglich pragmatisch den säkularen Rechtsstaat, ohne theologisch plausible Begründungen anzubieten. Eine solche Haltung steht dem vom Bundesverfassungsgericht mehrfach unterstrichenen fundamentalen Verfassungsprinzip der „Rechtstreue“ entgegen.
  • verweigern Frauen in Familie und Gesellschaft die Gleichberechtigung unter Verweis auf gottgegebene biologische und wesensmäßige Unterschiedlichkeit und errichten ein Regime der Geschlechtertrennung: Im Koran seien unterschiedliche Rechte und Pflichten von Frauen und Männern sowie die Vorrangstellung des Mannes fixiert. Dies verhindert individuelle (vor allem auch sexuelle) Selbstbestimmung der Frauen und zementiert die Unterordnung unter die gottgesetzte Autorität des Mannes, die auch ein Züchtigungsrecht einschließt (Sure 4,34). Das Kopftuch ist symbolischer Ausdruck dieser Unterordnung. Dass es Musliminnen gibt, die das Kopftuch auch freiwillig tragen, ist kein Argument gegen seine repressive Deutung und die mit ihm verbundene frauenfeindliche Körperpolitik.

Wer gegenwärtig die Frage „Gehört der Islam zu Deutschland?“ stellt, betritt ein vermintes Gelände. Er wird von einer unorganisierten, „unheiligen Allianz“ von Politikern, muslimischen Verbandsfunktionären, Medien- und Kirchenvertretern mindestens als Störenfried gebrandmarkt. Die aufgeregten Reaktionen auf die PEGIDA-Demonstrationen, bei denen diese Frage ebenfalls offen gestellt wird, zeigen die tiefe Kluft an, die sich zwischen des „Volkes Stimme“ und den politischen und medialen Meinungsführern in der Islam-Frage aufgetan hat. Bei der Mehrheit der Deutschen ist mindestens eine tiefe Skepsis gegenüber dem weltweit vielfach mit Gewalt und Terror agierenden Islam festzustellen (siehe die jüngste Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zum Islam). Doch anstatt die Gründe für diese Skepsis herauszufinden, sie abzuwägen und in einer Sachdiskussion zu bearbeiten, haben es zahlreiche Politiker, Medienvertreter und Aktivisten im interreligiösen Dialog der Kirchen unternommen, den Menschen unlautere Motive zu unterschieben, um sie anschließend mit erhobenem Zeigefinger zu belehren und zu verurteilen. Zweifellos auch vorhandene muslimfeindliche Ressentiments und rassistische Positionen werden aufgebauscht, mit dem Ziel, einen wirklich kritischen zivilgesellschaftlichen Diskurs zum Islam als tendenziell islamfeindlich zu denunzieren. Sachliche und gut begründete Kritik gilt jenen Wächtern des politisch Korrekten bereits als Überschreitung der von ihnen gezogenen Grenzen der Toleranz. Vor diesem Hintergrund hat sich der Islamdiskurs seit Jahren immer stärker polarisiert. Er wird weitgehend von Islam-Apologetik („Islam als friedliche Religion“), Verharmlosung extremistischer (islamistischer) Tendenzen, Weigerung, einen Zusammenhang von „Islam“ und „Islamismus“ zu sehen, und Herunterspielen der terroristischen Bedrohungen auf der einen Seite, aber auch dumpfen Ressentiments und Feindseligkeit auf der anderen Seite bestimmt. So bleiben häufig die mit der Frage nach der Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland verbundenen kritischen Anfragen an Doktrinen, religiöse Praxis und politische Orientierungen des realdominanten Islam unzureichend oder nicht beantwortet.

Es ist angesichts der fortwährenden, mit dem Islam gerechtfertigten Gräueltaten (z. B. „Islamischer Staat“, weltweite islamistische und dschihadistische Bewegungen) jedoch nicht nur legitim, sondern für jeden Demokraten eine staatsbürgerliche Pflicht zu fragen, inwieweit die Anhänger des Islam, die sich nach eigenem Bekunden, gleichgültig wo sie leben, zur Zugehörigkeit zur islamischen Gemeinschaft (umma) bekennen, tatsächlich zur Akzeptanz fundamentaler Verfassungsprinzipien (Art. 1, 20 und 79, Absatz 3 GG), die im Begriff der Rechtstreue eine Kurzformel gefunden haben,2 bereit und fähig sind. Es ist nicht zu bezweifeln, dass zahlreiche Muslime hier für sich kein Problem erkennen und als gesetzestreue Bürgerinnen und Bürger unter uns leben. Ebenso sind die guten Absichten derjenigen Muslime zu würdigen, die, in Vereinen und Verbänden organisiert, wiederholt ihre Akzeptanz des Grundgesetzes unterstrichen haben.

Ein Beitrag zur Versachlichung und eine ernsthafte kritische Auseinandersetzung mit der Frage „Gehört der Islam zu Deutschland?“ muss zuerst eine sachliche Problembeschreibung liefern. Nicht nur der Islamismus als eine extremistische Islamvariante und seine militant dschihadistische Zuspitzung stellen eine aktuelle Bedrohung der Grundprinzipien menschenrechtlich fundierter Demokratien und ihrer Kultur offener Gesellschaften dar. Wir haben ein Problem mit dem realdominanten Islam. Denn es handelt sich um ein religiös-ideologisches und politisches System, das auf weltweit dominierenden Interpretationen der Hauptquellen des Islam (Koran und Sunna) basiert. Dieses System prägt Weltbilder, Einstellungen und Haltungen von Millionen Muslimen und ist in ihrer Alltagswelt gegenwärtig. Doch dieser „realdominante Islam“ ist nicht mit universalen Menschenrechten, der Säkularität des Rechtsstaates (das inneren Frieden verbürgende Prinzip der Trennung von Staat und Religion), Demokratie und Pluralismus vereinbar, weil Religion und Politik bzw. Religion und Staat grundsätzlich vermischt werden.

Es wird im Islamdiskurs häufig darauf verwiesen, dass es „den“ Islam nicht gebe, denn der Islam müsse nach geografischen, ethnischen, religiös-kulturellen und politischen Aspekten differenziert werden. So richtig es ist, den gelebten Islam in der arabisch-islamischen Welt von dem in Asien oder Afrika zu unterscheiden, und so wichtig Binnendifferenzierungen sind (z. B. nach „konfessionellen“ Kriterien wie Sunniten, Schiiten, Ahmadis u. a.), so bedeutsam bleibt es, nicht aus den Augen zu verlieren, dass es religiöse Kerndoktrinen, religiöse Praktiken und gesellschaftliche Wertvorstellungen gibt, die im Grundsatz fast alle Muslime teilen, sofern sie ihr Leben als religiös verstehen und gestalten. In religiöser Bildung, im theologischen und gesellschaftspolitischen sowie im binnen-muslimischen Islamdiskurs, in Einstellungen und Verhalten zahlloser Muslime zeigt sich jener „realdominante Islam“.

Zahlreiche Verteidiger des Islam bestreiten einen Zusammenhang von Islam und Islamismus. Andere sehen immerhin einen Zusammenhang, aber bemühen sich um zahlreiche Argumente zur Entlastung des Islam. Dabei wird häufig vom Missbrauch oder der Perversion des Islam gesprochen, wobei eine idealisierte friedliche „Lichtgestalt“ des Islam den realexistierenden extremistischen Varianten entgegengehalten wird. Die so Argumentierenden vertreten dabei, obwohl sie das vehement bestreiten, eine pointiert essenzialistische Position. Sie halten ihren Kontrahenten vor, diese würden „den Islam“ missverstehen, missbrauchen, falsch interpretieren und instrumentalisieren. Sie kritisieren ein vermeintlich verzerrtes Islam-Konstrukt, nehmen aber für sich in Anspruch, genau zu wissen, was demgegenüber der „wahre“ Islam ist. Sie bieten jedoch nichts anderes als ein idealisiertes Islamkonstrukt, das zum Zwecke der „Widerlegung“ islamkritischer Positionen eingesetzt wird.3

Es ist davon auszugehen, dass sich auch der Islam verändern kann, wenn es Muslime wirklich wollen. Es ist dem iranischen Theologen Mohammad Mojtahed Shabestari zuzustimmen, der feststellt: „Wenn die Muslime Demokratie wollen, dann werden sie eine Interpretation des Islam finden, die mit Demokratie zu vereinbaren ist. Wenn sie keine Demokratie wollen, dann werden sie diese Interpretation nicht finden.“4 Für Muslime bedeutet das, erstens die Fähigkeit zur Selbstkritik und Korrektur zu entwickeln, zweitens die antidemokratischen Merkmale zu benennen, die den „realdominanten Islam“ charakterisieren, und drittens Strategien zur Reform zu entfalten.

Eine Reform des Islam kann nur in einem freien wissenschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Diskurs gelingen, an dem zahlreiche muslimische und nicht-muslimische Akteure beteiligt sind. Dieser Diskurs ist gegenwärtig in der islamischen Welt nur sehr begrenzt oder gar nicht möglich. Deshalb haben die in freiheitlichen Demokratien des Westens lebenden Muslime eine besondere Verantwortung, sich für die Reform des Islam einzusetzen und mit ihrem Beispiel in die islamische Welt hineinzuwirken. Wenn das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in Freiheit und Frieden gelingen soll, ist es notwendig, den „realdominanten Islam“ zu überwinden und den Weg für eine Reform des Islam im Sinne der fundamentalen Prinzipien von Menschenrechten, Säkularität und Gewaltenteilung (zwischen Legislative, Exekutive und Judikative) im demokratischen Rechtsstaat zu öffnen.


Johannes Kandel, Berlin


Anmerkungen

  1. In der muslimischen Literatur ist mit dem Begriff Dschihad ohne erläuternden Zusatz immer und ausschließlich der bewaffnete Kampf gemeint.
  2. Wie im Urteil des BVerfG vom 19.12.2000.
  3. Ein aktuelles Beispiel für eine solche Islam-Idealisierung ist der „Offene Brief“ von 120 Rechtsgelehrten an den selbsternannten „Kalifen“ des „Islamischen Staates“, Dr. Ibrahim Awwad Al-Badr alias Abu Bakr al-Baghdadi, vom 19. September 2014. Unterzeichnet haben u. a. hohe islamische Autoritäten, z. B. der ägyptische Großmufti, Vertreter der Al-Azhar Universität, der jordanische Prinz Ghazi bin Muhammad und der frühere Großmufti von Bosnien-Herzegowina, Mustafa Cerić. Mit rechtsgelehrter Kasuistik bemühen sich die Autoren, dem „Islamischen Staat“ zahlreiche Verstöße gegen die nach Meinung der Autoren „richtige“ Lehre nachzuweisen. Ob die Vorhaltungen im Einzelnen stimmig sind, kann nur im gelehrten innermuslimischen Diskurs und der Fachdiskussion entschieden werden. Jedenfalls bieten sie eine pragmatische Basis für eine teilweise Distanzierung von den barbarischen Mordaktionen des „Islamischen Staates“. Gleichwohl vertreten die Autoren eine grundlegend orthodoxe bis fundamentalistische Lesart des Islam, die eben nicht geeignet ist, den Ursachen des islamistischen Extremismus auf den Grund zu gehen. An keiner Stelle des „Offenen Briefes“ wird den Anhängern des „Islamischen Staates“ bestritten, wirkliche Muslime zu sein. Die barbarischen Körperstrafen (hudud), d. h. die Todesstrafe für Apostasie und Ehebruch, Handabhacken für Diebstahl etc.) werden nicht bezweifelt, sondern als „fraglos verpflichtend“ dargestellt. Nur das Nichtbefolgen des „rechten Prozedere“ wird kritisiert. Der Dschihad wird – in seinem militanten Sinne – nur als „Verteidigungskrieg“ dargestellt. Siehe http://lettertobaghdadi.com; deutsche Fassung: http://madrasah.de/leseecke/islam-allgemein/offener-brief-al-baghdadi-und-isis .
  4. http://de.qantara.de/Warum-Islam-und-Demokratie-zusammen-passen/19414c20589i1p498/index.html.