Apokalyptik

Flügellahm in die Apokalypse - der Film „Legion“

Nachdem der nahende Weltuntergang vielfach cineastisch durch Naturkatastrophen, Meteoriteneinschläge oder Bedrohungen von Außerirdischen aufbereitet wurde, ist es im Film „Legion“ (USA 2010, 99 Min., www.legion-film.de) Gott selbst, der die Apokalypse heraufführt. Dazu setzt er auf eine Armee von Untoten, befehligt vom Erzengel Gabriel. In „Legion“ naht der Untergang in der Wüste Mojave mit einem den ganzen Himmel bedeckenden Fliegenschwarm. Doch diese Fliegen sind nur Vorboten. Bald schon versammelt sich eine Legion Untoter, eine unzählbare Menge von Zombies um ein kleines Wüstenrestaurant. Dort haben sich ein paar Leute verschanzt, die vom Erzengel Michael unterstützt werden. Nur eines nämlich könnte den Weltuntergang aufhalten: wenn eine ledige, hochschwangere Frau aus der Gruppe („Paradise Falls“, sic!) ihr Kind, die letzte Hoffnung der Menschheit, zur Welt brächte. Diese Geburt will die Legion der Untoten unter Führung des Erzengels Gabriel verhindern.

Der Film birgt eine Fülle biblischer und religiöser Anspielungen. Doch nicht wegen der vielen christlich-biblischen Versatzstücke ist der Film interessant, vielmehr weil er eine irritierende Charakterisierung der beiden in der Bibel namentlich erwähnten Erzengel Gabriel und Michael (Dan 8,16ff; Lk 1,19.26 bzw. Dan 10,13; Jud 9) bietet, die in „Legion“ mit Schnellfeuerwaffen und stahlbewehrter Nahkampfausrüstung gegeneinander kämpfen. Michael – natürlich in Los Angeles gelandet, um sich dort Waffen für seinen Kampf zu beschaffen – setzt sich für die letzte Hoffnung der Menschheit ein, für die Geburt des Babys. Wie ein einsamer Cowboy wütet er mit martialischer Gewalt gegen die Untoten. Damit will er das Überleben der Menschheit sichern und scheint sich zugleich direkt gegen Gott zu stellen. In einem kurzen Dialog hält Michael fest: „Klar, dass er (Gott, J. P.) dich schickt, Gabriel. Du wolltest ihm schon immer gefallen!“ – „Im Gegensatz zu dir!“, entgegnet Gabriel. Denn Gabriel – gewalttätig und konsequent – glaubt, für die Sache Gottes zu kämpfen. Er sieht sich mit der Zombie-Armee als apokalyptischer Handlanger Gottes, der in „Legion“ eine zweite, endgültige Vernichtung der Menschheit anstrebt, nachdem er in der ersten (der Sintflut) noch Gnade hatte walten lassen. Der zwischen Gabriel und Michael in „Legion“ bis aufs Blut eskalierende Streit, wer von beiden letztlich im Sinne Gottes handelt, ist meines Wissens in der christlichen Tradition ohne Anhalt. Zwar rettet Michael die Frau mit ihrem Kind und wendet den Untergang der Menschheit ab – zumindest dieser Rettergedanke ist der biblischen Überlieferung nicht völlig fremd (vgl. Apk 12,7ff) –, doch Michael vernichtet in einem letzten Showdown auch Gabriel.

Der mäßige Erfolg an den Kinokassen und die rasche Verbannung von den Leinwänden deuten darauf hin, dass zweierlei nicht überzeugt: zum einen die apokalyptischen Schrecken dramaturgisch zu steigern, indem die Erzengel als ursprünglich gute Mächte Gottes gnadenlos aufeinander losgehen, zum anderen offen zu lassen, warum Gott seine Erzengel nicht im Griff hat und ihnen nicht gemeinsam einen klaren Auftrag mitgibt. Und vielleicht fragt sich auch der eine oder andere ratlos: Können Erzengel eigentlich sterben? Abzuwarten bleibt, ob diese martialisch-apokalyptische Darstellung der Erzengel auf Kinoleinwänden weitere Filme inspiriert. Auf jeden Fall wird einmal mehr deutlich, wie sehr die christliche Tradition als Steinbruch für triviale Kultur dient.


Jörg Pegelow, Pinneberg