Gesellschaft

Ferkel auf Abwegen. Ein religionskritisches Kinderbuch soll indiziert werden

Ende vergangenen Jahres ist im Alibri-Verlag ein Kinderbuch erschienen, von dem im Klappentext gesagt wird, es sei „geeignet für alle, die sich nichts vormachen lassen“. Unter dem Titel „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ wird von einem munteren Schweinchen und einem aufgeweckten Igel berichtet. Beide sind auf die Suche nach Gott. Angeregt wurden sie von einem Plakat, auf dem stand: Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas. Klar, dass die beiden hier Genaueres wissen wollten. Und so gehen sie auf Suche. In Synagoge, Kirche und Moschee machen sie jedoch keine guten Erfahrungen.

In der Synagoge empfängt sie ein böser Rabbi. Zähnefletschend erzählt er Ferkel und Igel von der Sintflut. Beide sind bestürzt. In der Kirche entdecken sie Plätzchen, die wohl aus Menschenfleisch hergestellt wurden – gemeint sind Hostien. Das Schweinchen folgert, man sei wohl bei Menschenfressern gelandet, die „den Sohn vom Herrn Gott verspeisen“. In der Moschee hören sie von einem Gott mit Sauberkeitsfimmel: Fünfmal täglich waschen und beten erscheint dem Ferkel übertrieben. Schließlich endet das Ganze damit, dass die drei Geistlichen untereinander in Streit geraten. Hier werden dem Vertreter des Islam die Worte untergeschoben: „Unsere Hölle ist viel heißer als eure!“ Gemeint ist, sie sei heißer als die katholische Hölle. Im Tumult können Ferkel und Igel entschwinden. Natürlich stellen sie ihre Suche nach Gott ein, um in Zukunft ein Leben ohne Gott zu führen. So sitzen sie am Ende der Geschichte auf einer Parkbank und haben, wen wundert’s, „einen Heidenspaß“. Daher lautet die atheistische Moral: Wer Gott nicht kennt, der braucht ihn nicht.

Dieses – laut Verlagswerbung – „erste atheistische Kinderbuch“ kommt derb daher. Die drei großen Religionen werden lächerlich gemacht. Was dem Text an Schärfe fehlt, das bieten die drastischen Bilder. Besonders der (orthodoxe) Jude ist eine böse, geradezu gespenstische Gestalt. Das alles ist nicht lustig und folgt billigen, antireligiösen Ressentiments. Der Verfasser dieses eigenwilligen Kinderbuchs, Michael Schmidt-Salomon, provoziert gern. Er hat schon wiederholt mit derber Religionskritik auf sich aufmerksam gemacht. Als Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung (vgl. MD 1/2006, 3; 10/2006, 379ff) vertritt er eine Reihe namhafter Wissenschaftler, die sich einer atheistischen Position verpflichtet fühlen. Größeres Medienecho erreichte Schmidt-Salomon als (Mit-)Begründer des „Zentralrats der Ex-Muslime“ (vgl. MD 8/2007, 297ff) sowie in jüngster Zeit als häufig gefragter Gast in Talkshows. Hier erweist er sich meist als spitzzüngiger Kirchen- und Religionskritiker.

Ende vergangenen Jahres wurde das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf das seltsame Kinderbuch aufmerksam. Es lässt jetzt prüfen, ob es in die Liste jugendgefährdender Schriften aufgenommen werden sollte. In den Augen des Ministeriums macht das Buch die drei Religionen verächtlich; wegen der rüden Darstellung des Judentums hält man das Buch gar für antisemitisch.

Anfang März dürfte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in dieser Frage entscheiden. Nachdem die Haltung des Bundesfamilienministeriums bekannt wurde, interessieren sich auch die Medien für das Kinderbuch. In der FAZ hieß es: „Nein, dieses Buch ist nicht spezifisch oder ausschließlich antisemitisch – es ist: niedrig.“ Der Artikel endet mit einer Bemerkung über die Giordano Bruno Stiftung: „Der Tom Cruise dieser Sekte ist der bedeutende Hirnforscher Wolf Singer – leider.“ (FAZ vom 4.2.2008) Der Alibri-Verlag und der Verfasser des Buchs reagierten auf diesen FAZ-Artikel erstaunlich humorlos. Sie drohten der Zeitung „wegen Diffamierung“ rechtliche Schritte an. Man reibt sich verwundert die Augen und fragt sich, wer hier eigentlich wen diffamiert. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Verwendung des Sektenbegriffs. In der Giordano Bruno Stiftung ist man über die Bezeichnung als Sekte besonders verärgert. Dabei zeigt der Sprachgebrauch des FAZ-Autors, dass hochideologisierte Gruppen, die sich kaum in andere Weltsichten einfühlen können, als Sekte wahrgenommen werden. Das mag die so Bezeichneten ärgern – es ist jedoch berechtigt.

Im Internet wird inzwischen ebenfalls engagiert diskutiert. Unter www.ferkelbuch.de hat der Alibri-Verlag recht schnell eine Informationsseite eingerichtet. Überhaupt hat man den Eindruck, dass Verlag und Schmidt-Salomon über die Aufregung nicht unglücklich sind. „Bad news are good news.“ Schließlich ist es gelungen, ein Thema in der FAZ zu platzieren.

Wie nicht anders zu erwarten, führen solche Konflikte zu Solidarisierungen in der Szene der Freidenker. Inzwischen haben zahlreiche säkulare Verbände ihre Solidarität mit dem Buch erklärt. Sie sehen in dem Indizierungsantrag eine Form der Zensur. Interessant ist, dass der „Humanistische Verband Deutschlands“ (HVD) sich daran (bisher?) nicht beteiligt. In einem Interview erklärt der Bundesvorsitzende, Horst Groschopp, er sehe die Debatte mit gemischten Gefühlen. Ihm gehe „die Penetranz auf die Nerven, mit der anderen Gott ausgetrieben werden soll“. Weiter erklärt er, dass das Buch im vom HVD verantworteten Lebenskundeunterricht nicht eingesetzt wird. Es ist zu hoffen, dass der HVD bei dieser besonnenen Haltung bleibt. Denn eines ist klar: Das Buch ist kein Kinderbuch, sondern eine kindlich verpackte Propagandaschrift für Erwachsene. Hier wird agitiert wie im FDJ-Unterricht. Kinderbücher mit erhobenem Zeigefinger werden von Kindern ohnehin nicht gern gelesen. Eines ist klar: Die Kinder der Welt lieben Astrid Lindgren, Harry Potter und Asterix: weil sie authentisch vom Leben berichten und uns nicht vordergründig belehren, weil sie uns nicht vorschreiben, was wir denken, tun und glauben bzw. nicht glauben sollen. Kinder sind nämlich viel klüger, als manche Kinderbuchautoren glauben. Indem das Ferkelbuch so schrecklich moralisiert und billige Vorurteile präsentiert, ist es jedoch tatsächlich – jugendgefährdend. Aber es ist nicht gefährlicher als all der Unsinn, der täglich vom Fernseher auf unsere Kinder einströmt.


Andreas Fincke, Berlin