Buddhismus

Feier zum 80. Geburtstag des Dalai Lama

Zur Geburtstagsfeier hatte der Tibet-Verein Deutschland am 13.7.2015 in die Jahrhunderthalle in Frankfurt-Höchst eingeladen. Zweitausend Menschen waren gekommen, überwiegend Tibeter, aber auch Deutsche, die die Arbeit für Tibet unterstützt haben, waren eingeladen.

Den Rahmen bildete ein fünfstündiges Kulturprogramm. Ansprachen von Politikern eröffneten die Feier: Der Premierminister der tibetischen Exilregierung in Dharamsala hielt eine engagierte Rede, die den anwesenden Tibetern Mut machen sollte: Er erinnerte an den Fall der Berliner Mauer, an die Versöhnung von Deutschland und Frankreich sowie Deutschland und Polen und sah darin die Hoffnung begründet, dass auch Tibet eines Tages eine positivere Beziehung zu China bekommen könne, bei der die kulturellen und religiösen Eigenheiten des tibetischen Volkes genügend zur Geltung kommen. Die Politiker Christian Schwarz-Schilling und Thomas Mann, als Europa-Abgeordneter beim Europäischen Parlament für die Tibet-Frage zuständig, beide CDU, betonten, dass Deutschland fest an der Seite Tibets stehe, und hoben besonders die friedfertige Vorgehensweise des Dalai Lama in der Tibet-Frage hervor. In der politischen Realität sieht es leider anders aus: Die Bundesrepublik will den wichtigen Handelspartner China nicht verprellen und ist mit der Kritik an Chinas Tibet-Politik äußerst zurückhaltend.

Das Kulturprogramm wurde u. a. von Künstlern aus der – überwiegend buddhistisch geprägten – Mongolei gestaltet, die mit ihren Pferdekopf-Geigen und ihrem Kehlkopf-Gesang sehr fremdartige Melodien erklingen ließen. Ein Chor tibetischer Kinder sang zusammen mit den 2000 Besuchern „Happy Birthday to You, Dalai Lama“. Zwei chinesische Künstler zeigten ihre Solidarität mit Tibet durch Gedichte und Lieder. Am Ende jedes Beitrags begaben sich die Künstler und Künstlerinnen zum Dalai Lama, der traditionsgemäß auf seinem Thron saß. Er stand jedes Mal etwas mühsam auf, überreichte den weißen Ehren-Schal und legte dann seine Stirn an die Stirn der jeweiligen Künstler – eine anrührende Geste.

Als der Dalai Lama dann selbst sprach, konzentrierte er sich auf die Hoffnung, dass in China allmählich eine Wandlung eintritt in Bezug auf Religion im Allgemeinen und auf die tibetische Religion im Besonderen. In China herrsche ein spirituelles Vakuum, das danach verlange, ausgefüllt zu werden. Es gebe inzwischen 400 Millionen Buddhisten in China. Er betonte, dass im tibetischen Buddhismus eine große Systematik in Lehre und Praxis, besonders in der Meditation, herrsche – dies wohl, um zu zeigen, dass der tibetische Buddhismus nicht „unwissenschaftlich“ und „rückständig“ ist. In der Tat ist das Lern- und Erfahrungsprogramm in diesem religiösen System sehr logisch und systematisch aufgebaut. Zur Ausbildung tibetischer Mönche gehören sowohl intellektuelle als auch praktisch-spirituelle Elemente, die einer eigenen strengen Systematik folgen.

Später sprach der Dalai Lama im Stehen, die Intensität seines Engagements war ihm abzuspüren. Er sprach Tibetisch, nicht Englisch, und erst nach langen Redeabschnitten folgte eine Übersetzung durch seinen deutschen Dolmetscher. Die Feier war eben die Geburtstagsfeier, die die Tibeter für ihr geistliches Oberhaupt gestaltet hatten, und sie sprach er hier in erster Linie an.

Anwesend war auch Franz Alt, der jüngst zusammen mit dem Dalai Lama das Buch „Ethik ist wichtiger als Religion“ herausgegeben hat (vgl. die Rezension in dieser MD-Ausgabe, 396f). Darin werden Prinzipien behandelt, nach denen der Dalai Lama lebt, etwa Gewaltlosigkeit, Toleranz (er zitiert ab und zu Küng: „Kein Weltfrieden ohne Religionsfrieden“), Geduld.

Der Dalai Lama betont, dass alle Menschen zur Lösung der gemeinsamen Menschheitsprobleme beitragen müssten, auch die sogenannten „Atheisten“. Immer wieder beeindruckt der Dalai Lama die Menschen mit seinem Humor, seinem fast kindlichen Glauben an die Macht von Achtsamkeit und Toleranz. Das war an diesem Tag zu spüren. Ein Mann, der seit 56 Jahren im Exil lebt, dessen Volk brutal unterdrückt wird, dessen Kultur und Religion von China systematisch zerstört werden soll – und dennoch die Hoffnung auf eine friedliche Lösung weckend, positiv, humorvoll, geduldig. Nicht umsonst ist der Dalai Lama in vielen Umfrageergebnissen einer der beliebtesten Menschen unserer Welt, noch vor dem Papst.

Was wird sein, wenn der Dalai Lama eines Tages stirbt? Sein Alter war ihm dieses Mal schon deutlich anzusehen. Wird es keinen neuen Dalai Lama mehr geben? Er hat das in einigen Interviews in der letzten Zeit als Möglichkeit angedeutet (vgl. MD 7/2015, 243-252). Oder wird China der Öffentlichkeit einen „präparierten“ jungen Anwärter vorstellen, der die Tibeter im Sinne Chinas beeinflussen soll? Offene Fragen. Es bleibt die Hoffnung, dass das tibetische Volk in Tibet, aber auch im Exil seine kulturelle und religiöse Identität behält – mit den notwendigen Anpassungen an die Gegenwart.


Fritz Huth, Friedrichsdorf