Michael D. O´Brien

Father Elijah. Eine Apokalypse

Michael D. O’Brien, Father Elijah. Eine Apokalypse, FE-Medienverlag, Kißlegg 2008, 524 Seiten, 19,95 Euro.


Das Mittelalter kannte christliche Mysterienspiele, in denen Glaubenslehren und sittenstrenge Ermahnungen dem Publikum mit wohligem Nervenkitzel im Theaterstück nahegebracht werden sollten. Eine Erinnerung daran findet sich in moderner Neuauflage in Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“, der jährlich auf den Treppen des Salzburger Doms aufgeführt wird. Jetzt hat ein stramm konservativer katholischer Autor entdeckt, wie trefflich sich auch das Genre des Thrillers eignet, düstere Zeitanalysen und moralische Botschaften unters (lesende) Volk zu bringen.

„Father Elijah – An Apocalypse“: Unter diesem Titel hat der kanadische Autor Michael D. O’Brien schon 1996 ein sehr traditionell katholisch gefärbtes Endzeit-Melodram verfasst, das 2008 auch auf Deutsch erschienen ist. Titelgebender Held ist ein Karmelitermönch, der aus der Stille seines Klosters in Israel plötzlich durch päpstliche Weisung in die Mitte dramatischer Weltpolitik geschleudert wird: Der ehemals jüdische Konvertit, Überlebender des Warschauer Ghettos, soll den neuen Präsidenten der Europäischen Union bekehren, einen weltgewandten, Gelehrte wie das breite Publikum faszinierenden Politiker, der die Einigung der Welt auf seine Fahnen geschrieben hat, ihre Rettung aus nationalen, religiösen und ideologischen Konflikten – und der, so ist zu vermuten, hinter der Maske des Weltretters seine eigene Herrschaft aufrichten will.

Welteinheit, Welteinheitsregierung, womöglich im Hinterkopf noch Welteinheitsreligion: Hinter solchen Vokabeln lauert für ein christlich-fundamentalistisches Publikum immer schon der Antichrist. So war das in der kommerziell überaus erfolgreichen evangelikalen Romanserie „Left Behind“ (deutsch: Die letzten Tage der Erde) der ehemaligen Pastoren Tim LaHaye und Jerry B. Jenkins, in der das Ringen von Gut und Böse zwischen einem finsteren UN-Generalsekretär und einigen aufrechten Evangelikalen ausgefochten wurde (vgl. MD 8/2004, 301-303). Bei Michael O’Brien bildet dagegen die katholische Kirche das Bollwerk gegen das Böse im Gewand des Friedensstifters, freilich nicht die ganze katholische Kirche: Der kluge und edle Papst samt seinen Getreuen „Stato“ und „Dottrina“ (Kardinalsstaatssekretär und Präsident der Glaubenskongregation) sind zwar gerüstet zur „endgültigen Konfrontation zwischen Kirche und Antikirche“ (58f), aber sie werden behindert und geschwächt durch widerstrebende Kräfte in den eigenen Reihen, durch die Liberalen, die den klaren römischen Kurs verwässern, die Heilige Schrift entmythologisieren und Moral und Disziplin des Klerus durch Psychologie und Gruppendynamik aufweichen. Bis ins Kardinalskollegium hinein sind diese Kräfte am Werk, insbesondere im Rat für interreligiösen Dialog. An all diesen auch innerkirchlichen Hilfstruppen des Bösen vorbei soll nun Father Elijah dem „Präsidenten“ Auge in Auge gegenübertreten und ihm durch Bußpredigt den Weg zur Umkehr zeigen.

Tatsächlich kommt es zu mehreren Begegnungen, bei denen Father Elijah zunächst fast selbst dem intellektuellen Charme des Präsidenten / des Antichristen zu erliegen droht, letztlich aber fest bleibt und in der dramatischen Schlussbegegnung mittels des Exorzismus den Teufel im Präsidenten entlarvt.

Father Elijah muss vor den Mächten des Bösen fliehen, ähnlich wie bald darauf der rechtgläubige Rest von Amtsträgern im Vatikan; alles deutet darauf hin: Das Weltende, von den wahren Gläubigen als Wiederkunft Christi ersehnt, nicht gefürchtet – es ist nicht mehr fern.

Michael O’Brien hat seine plakative Kritik an der Moderne im Allgemeinen und einem reformerischen Katholizismus im Besonderen in einen dickleibigen Fast-Krimi (542 Seiten!) verpackt, der zeitweise durchaus spannend zu lesen ist. Die Verschwörung gegen die Kirche, der viele der edlen und halb edlen Protagonisten des Romans zum Opfer fallen, nimmt immer neue Wendungen. So wie in Dan Browns „Sakrileg“ (vgl. dazu MD 3/2005, 97-101) häufen sich rätselhafte Todesfälle, werden immer mehr vermeintlich „Gute“ als Agenten des Bösen entlarvt. Und wie bei Dan Brown der Wissenschaftler von einer schönen Frau begleitet und gerettet wird, so findet selbst der zölibatäre „Father Elijah“ zeitweise die Unterstützung einer schönen Juristin, die ihrerseits die „Eine-Welt“-Institutionen des Präsidenten von innen durchleuchten will, aber dann selbst einem Anschlag zum Opfer fällt. Eine weitere Parallele zu Dan Brown bildet eine eben neu entdeckte alte Geheimschrift. Bei Dan Brown sollte diese den Machtanspruch der Päpste als Betrug entlarven. Bei O’Brien hat Elijah, der nebenbei auch Wissenschaftler ist, als Archäologe alte Schriftrollen des Neuen Testaments wiederentdeckt, die die Authentizität des Textes beweisen und die Machenschaften der Entmythologisierer Lügen strafen.

Der verschwörungstheoretisch gestrickte Thriller wird jedoch immer wieder durch langatmige Polemik gegen eine liberale Theologie (als deren Hauptquartier „Tübingen“ ausgemacht wird!) und durch katholisch-erbauliche Verkündigungspassagen unterbrochen.

Die Übersetzerin Gabriele Kuby, selbst eine bekannte konservativ-kulturkämpferische Autorin und Rednerin, hebt denn auch den pädagogischen Charakter des Werkes hervor: Es ermögliche, „durch einen Roman Orientierung zu gewinnen“ (Klappentext): an einem vom Zeitgeist nicht infizierten katholischen Lehramt, dessen Protagonisten erkennbar die zeitgeschichtlichen Figuren des verstorbenen Papstes Johannes Paul II und seines damaligen Glaubenswächters Kardinal Ratzinger zum Vorbild haben.

Der „katholikale“ Flügel innerhalb der Kirche kann in diesem Buch seine Ängste wie Sehnsüchte literarisch gespiegelt wiederfinden; hier dürfte der Roman Erfolge feiern. Ob das außerhalb dieses Segments der Fall sein wird, bleibt zu bezweifeln. Allzu sehr hat der bekenntnishafte Pädagoge O’Brien, der vor kurzem gar den künftigen amerikanischen Präsidenten Barack Obama als Wegbereiter des Antichristen gedeutet hat1, dem Literaten O’Brian die Feder geführt.

So bleibt als Fazit, dass auch diese Apokalypse – wie die meisten literarischen Versuche dieser Art – mehr über Befindlichkeit und Weltbild des Erfinders offenbart als über die Zukunft der Welt.


Lutz Lemhöfer, Frankfurt
 

1 „Er ist wirklich ein mächtiger Manipulator der Massen, obwohl er so bescheiden und auf normale Art charmant wirkt. Ich bezweifle dass er der lang prophezeite Herrscher der Welt ist, aber ich glaube auch, dass er die Karriere eines tödlichen Moralvirus ist, tatsächlich eine Art Anti-Apostel, der Vorstellungen und Programme verbreitet, die nicht nur anti-christlich, sondern anti-menschlich sind.“

(Artikel von Michael O’Brien, www.kath.net/detail.php?id= 21308)