Neuapostolische Kirche

Fachtagung „Der neue Katechismus der NAK und die Ökumene“

(Letzter Bericht: 3/2013, 103f, s. auch 1/2013, 26ff) Ende 2012 veröffentlichte die Neuapostolische Kirche (NAK) ihren Katechismus, der schriftlich die Öffnung der NAK zu anderen Kirchen in der Ökumene dokumentieren sollte. In Fulda kamen auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) vom 20. bis 22.2.2013 Vertreter unterschiedlicher Kirchen zu einer Fachtagung unter der Überschrift „Der neue Katechismus der NAK und die Ökumene“ zusammen, um sich im Detail über Entstehungsprozess, Veränderungen in der Lehre und Inhalte des Katechismus zu informieren und die Konsequenzen für die Ökumene zu diskutieren.

Der Teilnehmerkreis: Weltanschauungsbeauftragte der großen Kirchen und Fachleute aus Konfessionskunde und ACK. Die NAK war durch sechs Personen mit unterschiedlichen Funktionen vertreten.

Zwei Frageebenen prägten die Fachtagung: Im Vordergrund stand die inhaltliche Würdigung des Katechismus der NAK in seiner Gesamtheit und seine theologische Befragung im Gespräch mit Vertretern der NAK. Im Hintergrund stand aber auch die Frage, ob sich die angekündigte ökumenische Öffnung im Katechismus der NAK derart widerspiegelt, dass sich zukünftig Wege ökumenischen Miteinanders beschreiten lassen.

Die Atmosphäre der Fachtagung zeichnete sich durch hohes und wohlwollendes Interesse an den Entwicklungen innerhalb der NAK und den Inhalten des Katechismus aus, in dem erstmals die Lehre der NAK in systematischer Weise vorliegt. Auf dem Hintergrund einer von akademischer Theologie bislang nahezu unberührten Kirche ist die Erarbeitung des Katechismus in einem etwa zehnjährigen Prozess eine Leistung. Dabei waren auch Katechismen anderer Kirchen und weitere Grundtexte der Konfessionen, wie etwa die Konstitutionen des Zweiten Vatikanums, hinzugezogen worden. Prämisse für die Erarbeitung und die Darstellung sollte ein durchgängiger Schriftbezug sein – ein Novum für die NAK, die bisher die maßgebliche Quelle des Glaubens in der Botschaft des Stammapostels sah und die Bibel dabei eher abwertete. Neben der Bibel werden die altkirchlichen Bekenntnisse neu ins Bewusstsein gerückt. Freilich kann in einem dogmatischen Erstversuch nicht ausbleiben, dass einige Aspekte diskussionswürdig bleiben. So wird zwar auf das Schriftprinzip rekurriert – die Schriftbasis ist aber beispielsweise für die umfangreiche Entwicklung des sogenannten Entschlafenenwesens ausgesprochen dürftig. Der Verweis auf „Anhaltspunkte in der Schrift“ als hinreichende Momente, die dann durch die Lehre der Stammapostel (weiter)entwickelt wurden, überzeugt nicht. Als ausgesprochen aufschlussreich erwies es sich, die Inhalte des Katechismus auf dem Hintergrund vorhergehender Äußerungen aus der NAK zu lesen. Kai Funkschmidt (EZW) untersuchte mehrere Themenfelder daraufhin, was jeweils in früheren Publikationen, beispielsweise in den „Fragen und Antworten“ (F&A), die bis in die 1990er Jahre die wichtigste Grundlage des neuapostolischen Glaubens darstellten, ausgesagt wurde und was nun im Katechismus eine Korrektur erfahren hat oder schlicht keine Erwähnung mehr findet.

Ekklesiologisch ist von hoher Bedeutung, dass im Katechismus nun eine gestufte Ekklesiologie vertreten wird, wie sie in ähnlicher Weise im Konzilsdekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio“ entwickelt wird. Hatte es in F&A 167 noch geheißen: „Die Neuapostolische Kirche ist die Kirche Jesus Christi ...“, so formuliert der Katechismus in Verwandtschaft zu „Lumen gentium“ 8 mit Rückbezug auf die Taufe: „Insofern ist nicht nur dort Kirche Christi, wo das Apostelamt wirkt – also im Erlösungswerk des Herrn – sondern auch in den anderen Kirchen, wo sich christlicher Glaube in der tätigen Liebe zum Nächsten, im klaren Bekenntnis zu Jesus Christus und im ernsten Bemühen um Nachfolge Christi verwirklicht, also in solchen christlichen Glaubensgemeinschaften, in denen im Gottesdienst Anbetung und Lobpreis geschehen und in denen Einheit, Heiligkeit, Allgemeinheit und Apostolizität auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Umfang vorhanden sind“ (Katechismus, 282). Es wird zwar daran festgehalten, dass die Kirche Jesu Christi „dort am deutlichsten zutage [trete], wo das Apostelamt, die Spendung der drei Sakramente an Lebende und Tote sowie die rechte Wortverkündigung vorhanden sind“ (Katechismus, 281). Zugleich wird die Vorstellung einer „apostellosen Zeit“ zwischen dem Abtreten der Apostel in urkirchlicher Zeit und ihrer Wiedereinsetzung im Kontext der apostolischen Bewegung deutlich entschärft. Während in F&A noch von einer Verfallsgeschichte der Kirchen die Rede war, wird nun zugestanden, dass auch in dieser Phase Wirken des Heiligen Geistes möglich war. Dass der Stammapostel Repräsentant Jesu Christi auf Erden sei (F&A 177), findet im Katechismus keine Erwähnung mehr.

Zur Vergleichbarkeit der neuapostolischen Ämterlehre mit dem römisch-katholischen Amtsbegriff merkte Burkhard Neumann (Johann-Adam-Möhler-Institut) an, dass sich diese zwar im Grundanliegen träfen, ausgehend von der neuapostolischen Zuordnung des Apostelamtes zum Bischofsamt in Entfaltung und Begründung jedoch deutliche Differenzen zutage träten.

Dass die NAK die trinitarische, mit Wasser gespendete Taufe anderer Kirchen anerkennt, wurde bereits vor Veröffentlichung des Katechismus kommuniziert. Als heikel stellte sich bisher die Frage nach dem Zusammenhang der Taufe mit dem neuapostolischen Sakrament der Versiegelung dar. Während man die neuapostolische Taufe bislang als minder bedeutsames und nur in Verbindung mit der Versiegelung das volle Potenzial entfaltendes Sakrament verstehen konnte, ist diese Deutung nun begrenzt worden. Allerdings ist die Reservierung der Gabe des Heiligen Geistes für die Versiegelung theologisch zumindest missverständlich und bedarf weiterer Klärung, wie auch die Verwendung der Begriffe Gotteskindschaft und Wiedergeburt.

Im Gespräch mit den Vertretern der NAK wurde deutlich, dass die Versiegelung nicht eine Steigerung des in der Taufe zugeeigneten Heils darstellt, sondern eine spezielle Funktion im Blick auf das eschatologische Konzept der NAK besitzt: Die Empfänger der durch die neuapostolischen Apostel gespendeten Versiegelung werden so für die erste Wiederkunft Christi (Erstlingsschaft) vorbereitet. Dass für diese als Erwählung vorgestellte Berufung die Bezeichnung Gotteskindschaft gewählt und beibehalten wurde, ist etwas unglücklich, da sich mit diesem Begriff in anderen Konfessionen ein inklusiverer Vorstellungshorizont verbindet.

Aus der Gegenüberstellung älterer Verlautbarungen mit dem neuen Katechismus wurde deutlich, wie sehr gerade dieser Vergleich – wie auch das erläuternde theologische Gespräch – notwendig ist, um die lehrmäßigen Veränderungen der NAK identifizieren und in ihrer Bedeutung einordnen zu können. Langfristig sollte unbedingt angestrebt werden, die Lehre der NAK im Längsschnitt zu analysieren und damit auch die Leistung einer Weiter- und Neuentwicklung hervorzuheben – und nach innen wie nach außen sichtbar zu machen.

Allerdings wird erst die Rezeption des Katechismus in den Gemeinden der NAK erweisen, ob sich die Lehrveränderungen tatsächlich durchsetzen werden. Vonseiten der Vertreter der NAK wurde versichert, dass mittels des auch bisher gebräuchlichen Instruments interner Veröffentlichungen und Weisungen damit zu rechnen sei, dass die modifizierten Inhalte auch von den Amtsträgern und mithin von den Gemeindegliedern angenommen werden. Fraglich scheint in diesem Zusammenhang, ob dies „schleichend“ geschehen soll, d. h. Neues gelehrt wird, ohne es auch als neu auszuweisen und von bisheriger Lehre abzusetzen, oder ob auf allen Ebenen offensiv und diskursfreudig auf die Neuerungen eingegangen werden wird.

Mit Blick auf die Leitlinien der ACK in Deutschland muss nach den beschriebenen Lehrveränderungen der NAK die Frage gestellt werden, ob nicht mittlerweile hinreichend Gründe vorliegen, die NAK als ökumenischen Partner zu respektieren. Als Voraussetzung für das ökumenische Mitein­ander wird dort ein grundlegender Konsens ausgedrückt, der mit der Basisformel des Ökumenischen Rates von Neu Delhi 1961 zusammengefasst ist. Auf diese bezieht sich auch der Katechismus der NAK, wenn das revidierte Kirchenverständnis dargestellt wird und in Aufnahme der Basisformel als „verbindende Elemente zwischen den einzelnen christlichen Kirchen ... die Taufe, das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus und der Glaube an ihn als den einzigen Herrn und Erlöser, wie ihn die Heilige Schrift bezeugt“, genannt werden (Katechismus, 281).

Gewiss bleibt die Frage offen, wie viel Sonderlehre der einzelnen „Mitspieler“ die Ökumene verträgt. Dies muss aber in derselben Weise auf die bereits am Konzert der Ökumene beteiligten Kirchen gefragt werden. Hier stünde die Neuapostolische Kirche nicht alleine da.

Der deutlich geäußerte Wunsch der NAK, Teil der Ökumene zu werden, dem sichtbare Weichenstellungen durch Veränderungen in der Lehre Rechnung tragen, verdient Respekt und wohlwollende Begleitung. Zugleich wird aber auch sichtbar, dass weder innerhalb der NAK noch im Raum der in der ACK zusammengeschlossenen Kirchen auf breiter Ebene die Dynamik angekommen ist, die der Öffnungsprozess der NAK für die direkt daran Beteiligten hat. Eine gewisse Ungeduld der Vordenker ist verständlich. Das Bild der neuapostolischen Gemeinden war und ist jedoch vielerorts (noch) von Abschottung geprägt. Dass Türen und Fenster geöffnet werden können oder bereits geöffnet worden sind, ist noch nicht überall angekommen. Eine vorsichtige Haltung gegenüber der Nachhaltigkeit der Veränderungen ist darum nachvollziehbar. Anzustreben ist daher, dass nicht nur auf der Ebene maßgeblicher Amtsträger das Gespräch gesucht und gepflegt wird, sondern sich gegenseitiges Kennenlernen auf mehreren Ebenen vollzieht. Das theologische Gespräch mit freundlich verbundenen anderen Kirchen kann dazu beitragen, dass offene Fragen wie die der „Gotteskindschaft“, der Pneumatologie oder der Eschatologie besprochen werden. Weitere vertrauensbildende Aktivitäten sind erforderlich. Dies alles braucht Zeit – auch damit sich die Verlässlichkeit der Öffnung der NAK, nicht zuletzt über den angekündigten Wechsel des Stammapostels im Verlauf des Jahres 2013 hinaus, erweisen kann.

Kann das Erscheinen des Katechismus der Neuapostolischen Kirche mit der Dynamik des Zweiten Vatikanums in eine Reihe gestellt werden? Erst die weitere Entwicklung wird dies zeigen. Eine maßgebliche Weichenstellung im Blick auf die Öffnung zu anderen Kirchen stellt der Katechismus aber in jedem Fall dar.


Maria Stettner, München