In eigener Sache

EZW trauert um Reinhart Hummel (1930-2007)

Der evangelische Missionstheologe und Experte für neureligiöse Bewegungen Reinhart Hummel verstarb am 9. Februar im Alter von 77 Jahren in Stuttgart. 14 Jahre (1981-1995) war er als Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) tätig und stand mit Kompetenz und Glaubwürdigkeit prägend an der Spitze dieser Einrichtung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Reinhart Hummel wurde 1930 in Halle/Saale geboren, wuchs in Flensburg auf, studierte Evangelische Theologie in Kiel, Tübingen, Basel und Heidelberg und wurde im Fach Neues Testament bei Eduard Lohse promoviert. Er war als Gemeindepastor in Schleswig-Holstein tätig und von 1966 bis 1973 Rektor des theologischen Colleges einer lutherischen Kirche in Orissa/Indien. 1979 erfolgte die Habilitation im Fach Religions- und Missionswissenschaft mit einer Arbeit über „Indische Mission und neue Frömmigkeit im Westen“ an der Universität Heidelberg. 1981 übernahm er die Leitung der EZW in Stuttgart.

Auch nach seinem Abschied aus dem aktiven Berufsleben blieb er der Weltanschauungsarbeit eng verbunden. Weiterhin publizierte er zahlreiche Aufsätze und hob dabei immer wieder den inneren Zusammenhang von Dialog, Mission und guter Nachbarschaft mit Andersgläubigen hervor. „Es darf keinen Absolutheitsanspruch von Dialog oder Zusammenleben oder Mission geben. Wir müssen vielmehr lernen, diese drei in eine fruchtbare Beziehung zu setzen“ (Interview mit Reinhart Hummel, MD 5/1995, 134f). Er verfasste Bücher über „Reinkarnation“, über die „Vereinigungskirche. Die Moon-Sekte im Wandel“, über „Gurus, Meister und Scharlatane. Zwischen Faszination und Gefahr“.

Das Zentrum des wissenschaftlichen Interesses von Reinhart Hummel war die präzise Wahrnehmung des fremden, anderen Glaubens, den er von innen her zu verstehen suchte und von dem er sich als Christ und Theologe gleichermaßen zum Dialog und zur Antwort des Glaubens herausfordern ließ. In seinen Urteilen zu neuen religiösen Bewegungen und anderen Religionen war er treffsicher und weitsichtig. So bemerkte er zum Dialog mit dem Islam, dass ein von muslimischer Seite immer wieder geforderter christlicher Missionsverzicht „die stillschweigende Anerkennung des islamischen Endgültigkeitsanspruchs bedeuten“ würde und „weder von muslimischer Seite als Voraussetzung für den Dialog und gute Beziehungen verlangt, noch von christlicher Seite geleistet werden“ sollte. (R. Hummel, Religiöser Pluralismus oder christliches Abendland? Darmstadt 1994, 133)

Sein Denk- und Arbeitsstil nahm den Ausgangspunkt in der Wahrnehmung von Details, die in einem zweiten Schritt in den weiten Horizont eines Denkens gestellt wurden, das frei war von kurzatmigen und modischen Anpassungen, aber auch von starrer Orthodoxie. Seine Texte enthalten überaus anschauliche und griffige Formulierungen, die das Selbstverständnis und die Realität des fremden Glaubens beschreiben, diese Fremdheit stehen lassen und nicht vorschnell vereinnahmen. Er profitierte dabei von seinem siebenjährigen Aufenthalt als „Fremdling“ in Indien. Im Nachhinein bezeichnete er diese Erfahrung als „Initiation in die interreligiöse Begegnung und ihre Probleme“. Bereits mit seiner Habilitationsschrift „Indische Mission und neue Frömmigkeit im Westen“ waren wichtige Themen vorgezeichnet, mit denen er sich als Leiter der EZW beschäftigte. Die Hindu-Gurus konnte er gewissermaßen „als Kollegen von der Konkurrenz betrachten, die, wie die christlichen Missionare zuvor auch, Kulturgrenzen überschritten, in fremden Kulturen Wurzeln zu schlagen versuchten und dabei oft die gleichen Fehler machten wie die christliche Mission“ (MD 5/1995, 137).

Reinhart Hummel hat seine Lust an distanzierter Beschreibung im nicht selten konfliktgeladenen Geschäft apologetischer Praxis zu verbinden gewusst mit dem Mut, christliche Orientierungen öffentlich auszusprechen und glaubwürdig zu vertreten. Er verband beides miteinander: Dialog und Zeugnis, Hörfähigkeit und Auskunftsbereitschaft im Blick auf die Grundlagen des eigenen Glaubens. Als Partner im interreligiösen Dialog war er begehrt, weil er einen klaren christlichen Standpunkt vertrat. Er tat dies mit dem Mut zur Unterscheidung, mit dem ihm eigenen norddeutschen Humor und mit Zugewandtheit zu seinen Dialogpartnern.

Seine fachliche Kompetenz und die im theologischen Diskurs geübte Konzentration auf das Unterscheidend-Christliche haben ihn in seiner Arbeit zu einem Brückenbauer in Sachen Ökumene werden lassen. Sein Wirken fand auch im Bereich der katholischen Kirche und Theologie ein bemerkenswertes Echo.

Als Beobachter der religiösen Landschaft, als christlicher Missionar und Vertreter einer dialogischen Apologetik gingen und gehen von seinem Wirken orientierende Impulse aus. Seine Stimme wird uns fehlen. In Dankbarkeit gedenken wir unseres verstorbenen Freundes, Lehrers und des Zeugen des Evangeliums von Jesus Christus. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Felicitas Hummel, ebenso seinen Kindern und ihren Familien.


Reinhard Hempelmann