Islam

Erweiterung des Koordinationsrats der Muslime

Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) hat – auch für Beobachter überraschend – im Juni angekündigt, drei weitere Mitglieder aufzunehmen. Die Erweiterung sollte auf der Generalversammlung Anfang Juli beschlossen werden. Zu dem Zeitpunkt hieß es dann, der Zentralrat der Marokkaner in Deutschland (ZRMD, gelegentlich auch ZMaD) und die Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) seien beigetreten. Der dritte Kandidat, die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), habe eine Absichtserklärung für den Beitritt unterschrieben.

Dem waren Irritationen vorausgegangen, da der nordrhein-westfälische Landesverband der IGBD unmittelbar nach Bekanntwerden der Vergrößerung in einer öffentlichen Erklärung gegen die „alleinige Aktion des KRM mit einem der Vertreter des Bundesdachverbandes de[r] IGBD“ protestierte. Mit dem von Erdin Kadunić unterzeichneten Papier distanzierte sich der NRW-Landesverband „in der Gänze von dieser Abmachung, da diese nicht mit den Entscheidungsträgern de[r] IGBD für das Land Nordrhein-Westfalen getroffen wurde. Somit hat diese keine Bindungskraft für uns“ (Erklärung des Landesverbands der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland – Nordrhein-Westfalen vom 13.6.2019). Es habe keine offiziellen Gespräche und keine Abmachungen gegeben, der KRM habe auf eine Bitte um Korrektur nicht reagiert. Laut Online-Magazin IslamiQ bekräftigte der IGBD-Bundesvorstand in einer Sitzung mit den Landesvorsitzenden sowie Vertretern der Mitgliederversammlung des Bosniaken-Dachverbandes jedoch die Unterstützung aller Initiativen, die zu einer „gemeinsamen muslimischen Repräsentanz auf Bundes- und Länderebene“ führen, insbesondere der geplanten Erweiterung des KRM.

Die derzeitige Sprecherin des KRM, die Rechtsanwältin Nurhan Soykan (Zentralrat der Muslime in Deutschland, ZMD), sprach von einem „weiteren wichtigen Schritt“ zu einer solchen gemeinsamen Repräsentanz. Als wichtige Aufgaben für die Zukunft nannte sie, „den KRM inhaltlich, konzeptionell und organisatorisch zukunftsfähig zu machen und den Weg für die Gründung von Landesstrukturen zu erarbeiten“. Letztere sind schon seit Jahren im Fokus der Verbände, da etwa die Bildungshoheit und damit die Verantwortung für den Religionsunterricht bei den Ländern liegt.

Wirklich neue Impulse sind allerdings kaum zu erwarten, beide Zugänge sind schon Mitglied des Zentralrats. Die albanische Union (UIAZD) ist Gründungsmitglied, die Bosniaken sind assoziiertes Mitglied des ZMD (wie übrigens auch des von Milli Görüş dominierten Islamrats). Die Marokkaner sind bisher über die Deutsche Islamkonferenz hinaus nicht weiter ins Rampenlicht getreten. Aber auch hier bestehen enge Verbindungen zum ZMD. Der inzwischen aufgelöste Deutsch-Islamische Vereinsverband Rhein-Main (DIV) mit Sitz in Frankfurt, der zunächst mit Bundesmitteln gefördert wurde, dann aber ins Visier des Verfassungsschutzes geriet, war stark marokkanisch geprägt, der stellvertretende ZMD-Vorsitzende und „Beauftragte für wissenschaftliche Expertise des ZMD“ Mohammed Khallouk hatte in diesem Verband wichtige Positionen inne.

Daher kann in der Erweiterung des KRM allenfalls ein (sehr) kleiner Schritt in Richtung des in der Geschäftsordnung formulierten Ziels einer „einheitliche[n] Vertretungsstruktur der Muslime in der Bundesrepublik Deutschland“ ausgemacht werden.

Warum erhalten eigene Mitglieder nun einen Vertretungsanspruch im Koordinationsrat? Das Land Nordrhein-Westfalen hat im Blick auf einen islamischen Religionsunterricht den Wechsel vom Beiratsmodell zu einem Kommissionsmodell vollzogen (beides Übergangsmodelle). Im bisherigen Beirat saßen die Vertreter des KRM, während das Kommissionsmodell im Prinzip für alle islamischen Verbände offen ist und damit eine breitere Beteiligung ermöglicht. Der KRM erleidet dadurch einen Bedeutungsverlust. Er ist darüber hinaus ohnehin in schwierigem Fahrwasser aufgrund der Situation, die mit der türkischen DİTİB entstanden ist, aber auch wegen häufiger interner Konkurrenzkämpfe. Man mag sich von der „neuen“ und breiteren Aufstellung (Gegengewicht zu der türkischen Mehrheit im KRM) neuen Schwung versprechen, das Ziel der Anerkennung und eines islamischen Religionsunterrichts vor Augen.

Der KRM ist kein eingetragener Verein, sondern ein pragmatischer Zusammenschluss von Verbänden, der sich bei seiner Gründung 2007 lediglich eine Geschäftsordnung gegeben hat. Diese enthält das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Festlegung auf „Koran und Sunna des Propheten Mohammed“ als unabänderliche Grundlage des KRM.

Zwölf Jahre lang hatte der Rat nun vier Mitglieder, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DİTİB, mit Vetorecht in dem Gremium), den Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IRD), den Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und den Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Der Zusammenschluss repräsentiert einen Großteil der Moscheegemeinden, insgesamt jedoch geschätzt nur rund ein Viertel der Muslime in Deutschland. Weder die vier bisherigen Gemeinschaften noch die neu hinzukommenden sind bis dato staatlich als Religionsgemeinschaften anerkannt.

Zur Geschichte und den Hintergründen der KRM-Verbände ist im Juni der EZW-Text 260 „Islamische Verbände in Deutschland. Akteure, Hintergründe, Zusammenhänge“ erschienen.


Friedmann Eißler