Oliver Koch

Erwählungsbewusste Pegida-Aktivistin in Hessen

Ein Blick auf die religiösen Hintergründe von Heidemarie Mund

Auf den Pegida-Demos quer durch das Land tauchen unterschiedliche Protagonistin
nen und Initiatoren auf. Aus Hessen ist besonders Heidemarie („Heidi“) Mund auffällig. Sie war Rednerin auf der Hogesa-Kundgebung („Hooligans gegen Salafisten“) in Hannover und sprach bei „Kagida“ in Kassel. Außerdem ist sie nun die Organisatorin der „Pegida“-Demos in Frankfurt am Main. Dort habe ich sie gehört, auf YouTube sind einige Beispiele ihrer Reden anzuschauen. Interessant für unseren Kontext ist sie deshalb, weil sie sich meines Erachtens als eine Art „fundamental-christliche geistige Führerin“ der Bewegung generieren möchte. Dafür sprechen die Hintergründe ihres religiösen Werdegangs, die „Liturgie“ ihres Auftretens und die inhaltliche Ausrichtung ihrer Reden. Heidemarie Mund zeigt sich in der Regel von einer großen Deutschlandfahne (sozusagen als ihr Ornat) umhüllt, auf der in goldenen Lettern der Satz „Jesus ist Herr“ prangt. Ihre Reden strukturiert sie predigtähnlich, indem sie (nach der Ankündigung durch den Sprecher: „Ihr kennt sie alle, unsere liebe Heidi“) die „tapferen Kämpfer für das Recht“ begrüßt und mit den Worten „Gott segne euch, Gott segne Frankfurt [oder Kassel, die jeweilige Stadt]“ schließt. In dem so gerahmten Mittelteil hört man durch die Lautsprecher die üblichen rechtspopulistischen und islamfeindlichen Ansichten, die in den Rahmen der Pegida passen. Diese spickt sie mit kirchenkritischen bis -feindlichen Äußerungen („die Kirchen sind schwach in Deutschland“) und Erfahrungen aus ihrer eigenen Biografie, die sie verallgemeinert.

Christlich-fundamentalistischer Hintergrund

Heidemarie Mund ist durch ihre Aktionen aus dem christlich-fundamentalistischen Bereich bekannt: Als Organisatorin der Jesusmärsche 2013 und 2014 unter anderem in Offenbach und Frankfurt am Main scharte sie einzelne Vertreter des evangelikal-fundamentalistischen und pfingstlerischen Kontextes hinter sich: Als Beispiele seien hier die Unionsmission Europa mit Johannes und Regina Park, das Evangelisationsteam der Philadelphia Gemeinde Frankfurt oder die Philadelphia Pentecostal Church Offenbach genannt. Nach Recherchen von „idea Spektrum“ besucht Mund das neopentekostale „Christliche Zentrum Frankfurt“.1 Unter dem vereinsrechtlichen Dach der Unionsmission ging seit 2006 auch die von ihr und ihrem Ehemann Mathias gegründete Gruppe „Himmel über Frankfurt (HÜF)“ auf, die folgende „Vision“ vertritt:2 „Himmel über Frankfurt als übergemeindliche Bewegung hat zum Ziel, den Thron Gottes in Frankfurt aufzurichten und die Stadt mit dem Wort Gottes zu füllen, damit Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit, die Jesus Christus selbst ist, kommen.“ In dieser Gruppierung werden auch die Wurzeln der patriotischen Erwählungskontexte deutlich, die sie nun im Rahmen der Pegida zu platzieren sucht: Im Jahr 2006 habe Gott zu ihr in den letzten Tagen eines Aufenthaltes in Jerusalem gesprochen und ihr ein „inneres Bild“ geoffenbart, das sie seither begleite. Dieses Bild zeigt Frankfurt in einer dunklen Wolke, die die „geistliche Finsternis symbolisiert“. Heidemarie Mund und ihre Gruppe „Himmel über Frankfurt“ selbst reißen durch ein „helles Licht von uns (sic!) noch oben die geistlich dunkle Wolke über der Metropole auf“. Von dort ausgehend soll es „zuerst die Stadt durchdringen, dann von hier aus nach Deutschland strahlen, Europa beeinflussen und schließlich werden viele Menschen von Frankfurt in die ganze Welt gehen“ und ihr Verständnis des Evangeliums „in die Nationen tragen“.

Offensichtlich sieht sich Mund durch ein persönliches Offenbarungserlebnis auserkoren, die Welt – beginnend in Frankfurt – zu missionieren. Dieses exklusive Erwählungsbewusstsein kombiniert sie mit kirchenfeindlichen Parolen: In den Kirchen sei „kein Glaube mehr drin und kein Jesus Christus mehr drin … sie verraten unser Land.“3 Verschwörungstheoretische Ansätze sind zu erkennen, wenn sie davon spricht, dass Gegendemonstranten „bezahlt“ seien oder die „Kirchenfürsten alle Grundlagen verleugnen“ würden.

Erwählungsbewusst im Rahmen von Pegida

Es ist kein Wunder, dass Heidemarie Mund und ihre Anhänger nun ihre Stunde im Rahmen der Pegida gekommen sehen. Diverse medienwirksame Auftritte schmeicheln ihrem Erwählungsbewusstsein. So brachte ihr eine Aktion in der Gedächtniskirche in Speyer eine Einladung des US-amerikanischen christlichen Fernsehsenders „cbn-news“ des Evangelisten Pat Robertson ein, der sie als „brave German woman“ lobte. Mit ihrer Fahne umhüllt störte die studierte Pädagogin und BWLerin medienwirksam den Beitrag eines Muezzins bei der Friedensmesse „The Armed Man“ in der Gedächtniskirche in Speyer im November 2013 mit Luthers Worten „Hier stehe ich und kann nicht anders“. Sie beschreibt ihre Wahrnehmung selbst so: „Der Imam geht siegessicher auf sein Podest und beginnt mit dem schrecklichen Ruf. Schnell hole ich meine Deutschlandfahne, auf der steht: Jesus Christus ist HERR. (Es ist meine Proklamation, dass der gute, lebendige Gott Herr über Deutschland ist) … Ich weiß, ich habe nur wenig Zeit. Ich zerbreche den Fluch, den der Imam gerade über der Kirche und uns ausgesprochen hat.“4

Als Sprachrohr für ihre islamfeindlichen Proklamationen dient ihr vor allem das rechtspopulistische Blog-Netzwerk „Politically Incorrect“, das eng mit der Pegida-Bewegung verwoben ist und vor dem der Präsident des Zentralrates der Juden warnt: „Dort wird Hetze übelster Sorte betrieben.“5

Ihre Äußerungen passen nicht so recht mit der toleranten Selbstdarstellung der von ihr gegründeten Frankfurter Firma „Firmamus“ zusammen. Diese vermittelt Bildungsprojekte zur Integration an Schulen, begleitet Auszubildende, vermittelt Schülerinnen und Schüler an Unternehmen und bietet diverse Projekte zur Kooperation und Bildung an. „Basis unserer Motivation und des Handelns sind für uns biblische Werte und Maßstäbe ohne dabei eine bestimmte Glaubensrichtung zu betonen.“6 Für das antifaschistische Informationsbüro Rhein-Main ist fraglich, „ob viele ChristInnen zu christlichen Werten zählen würden, was Heidemarie Mund am 29. Dezember in Kassel beim örtlichen PEGIDA-Ableger erklärt: ‚Wir sind für das Erhalten der deutschen Identität. Deutschland gehört uns. Italien gehört den Italienern. Den Polen gehört Polen.‘“7 Wenn man auf der Kasseler Kundgebung hört, dass für Mund das „Schlimmste“ die „Pervertierung des Bildungssystems in Deutschland“ ist, fragt man sich schon, was die eigentlichen Ziele von „Firmamus“ sind.

Distanzierung der Evangelischen Allianz

Die Evangelische Allianz Frankfurt am Main hat sich in einer Presseerklärung deutlich von den Initiatoren der Pegida distanziert und bezeichnet sie als „Einzelinitiative der verantwortlich zeichnenden Personen“. Konkret distanziert sich die Evangelische Allianz Frankfurt am Main von „Heidi Mund und ihrem unangemessenen Vokabular“ und zeigt sich entsetzt und beschämt.

Heidemarie Mund formuliert weitere Perspektiven und Ziele ihres Wirkens. Unter anderem möchte sie sich der oben beschriebenen Missionstätigkeit in Deutschland und international intensiver widmen, indem sie die Gründung eines Werkes plant, unter dessen Dach in Zukunft die unterschiedlichen Aktivitäten zusammengefasst werden. Einen Namen gibt es schon: „International Connection Center Frankfurt“ (ICCF). Ihr weht ein starker Wind entgegen, ich vermute allerdings, dass dieser ihr erwählungsgestärktes und dualistisch geprägtes elbstbewusstsein noch fördern wird.


Oliver Koch


Anmerkungen

  1. Vgl. idea 5, 28.1.2015, 25.
  2. Zitat aus der Selbstdarstellung von HÜF auf www.jesusmarsch.com (Abruf der in diesem Beitrag angegebenen Internetseiten: 2.2.2015).
  3. Bei Kagida.
  4. www.pi-news.net/2013/11/speyer-hier-stehe-ich-ich-kann-nicht-anders
  5. www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/543229/zentralrat-der-juden-warnt-vor-web-blog-politically-incorrect
  6. www.firmamus.de/ueber-uns .
  7. www.infobuero.org/2015/01/heidi-mund-the-brave-german-woman .