Mormonen

Erste deutschsprachige Apologetik-Konferenz

(Letzter Bericht 11/2008, 433f) Eine ehrenamtliche Initiative engagierter Mormonen hatte am 28. März 2009 zu einem Studientag nach Frankfurt/Main eingeladen, um Kritik an Lehre und Geschichte der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ fundiert zurückzuweisen. Die Nonprofit-Organisation FAIR (Foundation for Apologetic Information) hatte im Jahr 2001 begonnen, einen monatlichen Newsletter mit glaubensverteidigenden Argumenten des Mormonentums zu versenden. Diesen E-Mail-Newsletter beziehen heute etwa 9000 englischsprachige Abonnenten in der ganzen Welt. Im Juni 2006 wurde die erste nichtenglische Internet-Offensive gestartet; seitdem gibt es auch ein deutschsprachiges Portal mormonischer Apologetik (http://deutsch.fairlds.org). Den deutschsprachigen Newsletter beziehen immerhin schon knapp 200 Empfänger. Die Internetseite der Initiative ist erstaunlich differenziert und reichhaltig. Auch die Vorträge des Frankfurter Studientages sollen nach und nach verfügbar gemacht werden. Unter der Rubrik „Themenführer“ werden häufig genannte Kritikpunkte am Mormonentum aufgegriffen, und es wird versucht, sie sachlich zu widerlegen. Seit Januar 2007 ist auch das deutschsprachige apologetische Lexikon „FAIR Wiki“ mit vielen kurzen Beiträgen im Internet abrufbar (http://de.fairmormon.org/).

Die Tageskonferenz in Frankfurt war nun der Versuch, den geschützten Raum der Online-Foren zu verlassen und sich auf echte Begegnungen einzulassen. Die relativ hohe Teilnehmerzahl (etwa 100 Personen) überraschte die Veranstalter und verdeutlichte das große Interesse. Die Vorträge waren niveauvoll, inhaltsreich und lang. Allerdings waren die Zeiten für Diskussionen viel zu kurz bemessen und diese vielleicht auch nicht vorgesehen, bestand doch die Zuhörerschaft bis auf vereinzelte Ausnahmen aus mormonischen Kirchenmitgliedern. Zur Konferenz waren eigens vier Mormonen aus den USA angereist, um ihr Expertenwissen einzubringen. Davon konnten zwei gut Deutsch sprechen, weil sie ihre früheren Missionsjahre in Deutschland bzw. der Schweiz verbracht hatten.

Die Konferenz eröffnete Scott Gordon, Dekan einer kalifornischen Wirtschafts-Universität und FAIR-Präsident. Nach der Vorstellung des FAIR-Ansatzes stellte er zwei Typen des „Antimormonismus’“ vor. Der „evangelikale Typ“ würde den mormonischen Glauben als Irrlehre bekämpfen. Häufige Konfliktthemen seien: die mormonische Vorstellung, zu Göttern werden zu können, die unterschiedliche Sicht der Dreifaltigkeit oder aber Streitigkeiten um die Bedeutung eines Propheten. Weitaus einflussreicher sei aber die „säkulare Kritik“ am Mormonentum, in der es häufig um Joseph Smiths Polygamie und seine jüngeren Ehefrauen gehe, um verschiedene Fassungen der Ersten Vision von Joseph Smiths Offenbarung oder um die Verwendung eines Sehersteins während der Übersetzung des Buches Mormon.

Als zweiter prominenter Redner war Ronald Barney angereist, der seit 30 Jahren in der Abteilung „Kirchengeschichte“ in Salt Lake City arbeitet. Er stellte eine neue, auf 30 Bände angelegte Reihe von Joseph Smiths gesammelten Werken vor (vgl. http://josephsmithpapers.org). In der Tat ist erstaunlich, was Smith in 17 Jahren zwischen 1872, als der 22-jährige das Buch Mormon schrieb, bis zu seinem gewaltsamen Tod 1944 literarisch produziert hat! Der erste Band der Reihe ist gerade erschienen. Auch wenn die strengen Kriterien historisch-kritischer Forschung nicht erfüllt werden, sind die Bände eine Fundgrube für ein besseres Verständnis des Mormonentums.

Ein weiterer Vortrag stellte Versuche vor, durch DNA-Analysen die Behauptung von Joseph Smith zu untermauern, die amerikanischen Indianer seien semitischen Ursprungs und einst per Schiff aus Israel eingewandert, was aufgrund der Datenlage nicht so einfach zu bewerkstelligen sei ...

Die Geschlossenheit des mormonischen Weltbildes und das verlockende Gemeinschaftsangebot vieler freundlich-engagierter Menschen scheinen gerade heute manche anzusprechen. Der kommenden FAIR-Tagung ist zu wünschen, dass der Dialog über theologische und historische Streitpunkte nicht mehr nur intern geführt wird, sondern dass faire Rahmenbedingungen für eine konstruktive Auseinandersetzung geschaffen werden.


Michael Utsch