Kai Funkschmidt

Erlösung durch Ernährung

Veganismus als Ersatzreligion (Teil I)

Seit einigen Jahren kann man erleben, dass Menschen in der Kantine, in der Mensa, im privaten Kreis, vielleicht sogar bei der Planung des Gemeindefests in hitzige Diskussionen über das richtige Essen geraten, wie sonst eher über Politik oder Religion. Es geht dabei nicht um den Geschmack, sondern um unterschiedliche Essensphilosophien, die um Plausibilität und Anhänger konkurrieren. Da streiten Omnivore (Alles-Esser), Vegetarier, Rohköstler, Fruitarier, Pescetarier und Veganer, da werden Paleo-Food (Steinzeit-Diät), Fair Trade, Bio- und Regio-Essen gegeneinander ausgespielt. Was ist gesund, was ist ethisch sinnvoll? Und was ist wichtiger, wenn verschiedene Ziele und Werte miteinander in Konflikt geraten? Die Umwelt, globale Gerechtigkeit oder meine Gesundheit? Das Klima oder der Tierschutz? Das richtige Essen wird zur Frage des richtigen Weltverhältnisses und letztlich des richtigen Lebens. Essen wird zur Weltanschauung und manchmal zu einer Art Ersatzreligion, wie besonders das Beispiel des Veganismus zeigt.

Ein Massenphänomen

Anders als Vegetarier verzichten Veganer beim Essen nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Milchprodukte, Eier und Honig. Einige entsagen außerdem tierischen Produkten in allen Lebensbereichen (Leder, Wolle, Seide usw.). Oft lehnen sie jede menschliche Tiernutzung (Zoo, Jagd, Zirkus) ab.1

Veganismus liegt im Trend, auch wenn man eine gewisse mediale Aufblähung abzieht.2 Vegane Kochbücher sind seit längerem das größte Segment auf dem Kochbuchmarkt – 2000 Titel findet die Suche „vegan kochen“ auf Amazon – und die Verlage erwarten, dass dies noch eine Weile so bleiben wird.3 In jedem größeren Bahnhofskiosk stehen heute eine Reihe veganer Periodika („Vegan Magazin“, „Kochen ohne Knochen“, „Vegan & Bio“), mit Rezepten und mit theoretischen Grundlagentexten und Berichten aus der veganen Szene. Hinzu kommen Zeitschriften der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Esoterische Zeitschriften („Connection Spirit – Das Magazin fürs Wesentliche“, „Spuren – Das Leben neu entdecken“, „info-3. Anthroposophie im Dialog“ u. a.) berichten regelmäßig und bringen Sonderhefte zum Thema Veganismus. Heute findet kein esoterisches Event ohne veganes Essensangebot statt. Auch die meisten lebensreformerischen Kommunen wie das Öko-Dorf Sieben Linden und das Zentrum für Experimentelle Gesellschaftsgestaltung (ZEGG) widmen sich dem Thema.4 Die Szene der militanten Autonomen („Anti-Fa“) ist ein kleines, aber aktives Element des Veganismus. Viele Prominente leben wie Bill Clinton, Martina Navratilova und Carl Lewis werbewirksam vegan.

Veganismus polarisiert. Als die Wochenzeitung „Die ZEIT“ im Oktober 2013 eine Artikelserie unter der Überschrift „Veganismus – Ethik oder Dogma?“ brachte, meldete sie später, kein anderes Thema des Jahres habe ähnlich viele Diskussionen im Online-Forum ausgelöst. Viele Artikel provozierten mehrere hundert Leserreaktionen mit oft scharf ausgetragenen Diskussionen.

Viele Anliegen der veganen (und der ihr nahestehenden) vegetarischen Bewegung wirken auch in den Mainstream hinein. Als die grüne Berufspolitikerin Katrin Göring-Eckardt 2013 vorschlug, in allen deutschen Kantinen einen fleischlosen „Veggie-Day“ einzuführen, hagelte es Kritik an grünen Bevormundungsfantasien. Aber es gibt längst vergleichbare Initiativen: Die Städte Sao Paulo und Gent haben fleischfreie Tage in ihren Schulen und öffentlichen Einrichtungen eingeführt, und Siemens veranstaltet seit 2012 monatlich einen vegetarischen Tag in seinen 50 Konzernkantinen. Das ist durchaus programmatisch gemeint: Er heißt „Terra-Tag“.

Mit Berlin (2013 bereits 36 Restaurants) vor Hamburg (17) an der Spitze wächst die Zahl veganer Gaststätten ständig.5 Berlin gilt derzeit als Europas Veganismushauptstadt: Hier sitzt die 2008 gegründete Vegane Gesellschaft Deutschland (VGD), die sich mit dem „Vegan-Magazin“ und der Organisation von Fachmessen (Hamburg 2013, Köln 2016) um die Förderung der Bewegung bemüht. Ebenfalls in Berlin wurden 2011 die ersten Niederlassungen der Supermarktkette „Veganz“ gegründet, die den veganen Verkauf aus der Nische der Öko-Läden herausholte. Sie hat heute zehn Großstadtfilialen in Deutschland, Wien und Prag und ist durch eine Kooperation mit Edeka in den normalen Lebensmittelhandel eingedrungen. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung veranstaltete 2015 ein Seminar „Vegan für alle?“ in Kooperation mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, die sich durch ihr Angebot an esoterischen Ausbildungen (Wünschelrutengehen und Geomantie) auszeichnet – ein Hinweis auf die enge Beziehung zwischen Esoterik und Veganismus.

Geschichte und Theorieentwicklung

Lebensreformbewegung

Veganismus, wie wir ihn heute verstehen, ist ein Phänomen der Moderne.6 Die ersten Ansätze finden sich im frühen 19. Jahrhundert. Der englische Arzt William Lambe propagierte ab 1806 aus Gesundheitsgründen tierproduktfreies Essen, bald folgten andere, die den ethischen Aspekt (Tiernutzung) in den Vordergrund stellten. Schon damals ging es bei Vegetarismus und Veganismus stets um mehr als um individuelle Präferenzen: Vielmehr sollte durch anderes Essen wie in der ganzen Lebensreformbewegung ein anderer Mensch entstehen. Das gesellschaftsreformerische Grundanliegen materialisierte sich zunächst in der 1838 bis 1848 bestehenden veganen Schule Alcott House Academy (Surrey), wo auch der Begriff „vegetarian“ entstand.7 1847 gründen das vegane Alcott House mit der ovo-lacto-vegetarischen Bible Christian Church aus Manchester die Vegetarian Society, die bis heute die Diskussionen und Aktivitäten der britischen Bewegung bündelt (www.vegsoc.org).

Als erster deutscher Vegetarierverein entstand 1867 der Deutsche Verein für natürliche Lebensweise, aus dem 1892 durch Fusion der noch immer bestehende Vegetarierbund (VEBU) hervorging. Sein übergeordnetes Ziel war stets, den Fleischverbrauch in der Bevölkerung zu senken, um dadurch zu einer globalen Verbesserung ökologischer und gesundheitlicher Probleme beizutragen. Auch in Deutschland kommt es zu sozialreformerischen Experimenten auf der Grundlage alternativen Essens. So wird 1894 die bis heute bestehende Vegetarier-Kleingartensiedlung Siedlung Eden in Oranienburg bei Berlin gegründet.8 Lebensreform durch Essen lag damals im Trend und nahm bisweilen kuriose Formen an: Als der Künstler und Vegetarier August Engelhardt den „Kokovorismus“ entdeckte (ausschließliche Ernährung durch die „heilige Kokosnuss“), gründete er mit einigen Getreuen 1902 auf einer Insel im damals deutschen Samoa den kokovorischen „Sonnenorden“, der ein Magnet für zivilisationsmüde Aussteiger und Touristen wurde. Das Experiment war für die Publicity förderlicher als für die Gesundheit der Beteiligten.9

Organisation und tierrechtliche Theoriebildung des modernen Veganismus

Im November 1944 gründete Donald Watson in London die Vegan Society, die seit 1947 die Zeitschrift „The Vegan“ veröffentlicht. Watson schuf mit „vegan“ auch den ersten Begriff für Vegetarier, die auf Eier, Milch und Honig verzichteten, womit die beiden Bewegungen sich deutlicher zu unterscheiden begannen.10

Schon 1947 griffen deutsche Veganer Idee und Begriff auf. Eine 1953 gegründete Deutsche Vegan-Gesellschaft existierte zwar nur kurze Zeit, aber der Pfarrer und Indologe Carl Anders Skriver (1903 – 1983), den Helmut Gollwitzer in eine Reihe mit Lorber, Swedenborg und Rudolf Steiner stellte,11 propagierte ab 1948 jahrzehntelang innerhalb des VEBU und in der evangelischen Kirche den Veganismus auf christlicher Grundlage („Der Verrat der Kirchen an den Tieren“, 1967). Er bezog sich dabei auf Jesus und Buddha und gründete die Gesellschaft für nazoräisches Urchristentum e. V. (www.gnuev.de). Nazoräer nennt Skriver christliche Veganer. Er vermutete, dass es sich dabei um reinkarnierte Zeitgenossen Jesu handele. Bis heute taucht in der veganen Literatur die nicht belegbare Behauptung auf, Jesus und/oder die frühe Kirche hätten vegetarisch oder sogar vegan gelebt.

Die Erfolge der deutschen Aktivitäten waren aber überschaubar, England blieb der Trendsetter. Hier entstanden die ersten veganen Läden, die Tierbefreiungsbewegung, und hier wurde der australische Philosoph Peter Singer zu seinem Standardwerk veganer Theoriebildung „Animal Liberation“ (1975) angeregt.12 Die Grundthese, dass bestimmte Tiere letztlich dem Menschen rechtlich gleichgestellt werden müssten, bei Singer noch insbesondere auf Menschenaffen bezogen, wird von anderen Tierrechtlern zum „Antispeziesismus“ fortentwickelt.13 Dieser bekämpft jede Ethik, die die Spezies Mensch als höherwertig ansieht als das „nichtmenschliche Tier“. Der analog zu „Rassismus“ und „Sexismus“ gebildete Begriff wurde 1970 von dem englischen Veganer Richard Ryder in einem Flugblatt eingeführt und durch Peter Singer popularisiert. Anstelle einer anthropozentrischen wird eine „pathozentrische“ Ethik verlangt, die alle leidensfähigen Geschöpfe gleichstellt. Ob dazu nur Säugetiere, Wirbeltiere oder alle Tiere bis hin zu Austern und Mücken gehören, wird je unterschiedlich beantwortet.

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Veganismus milieubedingt zunehmend mit der Ökologiebewegung verbunden. Der Verweis auf den Klimaschutz ist heute eines der am häufigsten vorgebrachten Argumente für den Veganismus. Es handele sich dabei um einen Weg, den ökologischen Fußabdruck des Menschen zu minimieren. Wie andere aktuelle Essenstrends wird Veganismus daher als „natürliche Ernährung“ beworben – wie schon der Name des oben genannten ersten deutschen Vegetariervereins belegt. Doch kritisieren viele tierrechtlich motivierte vegane Aktivisten solche ökologischen und gesundheitlichen „Natürlichkeitsargumente“. Diese seien als „biologistisch“ zurückzuweisen (so z. B. Gary Francione). In der Tat ist Veganismus weit entfernt von „natürlicher Ernährung“, wie sie etwa Bio-Konsumenten verstehen. Das liegt nicht nur an den zahllosen aus diversen Chemikalien hergestellten veganen Fleischersatzprodukten (Würste, Speck, Yoghurt etc.) und daran, dass rein vegane Landwirtschaft keine Gülle verwenden kann, da diese aus Nutztierhaltung stammt. Sondern Veganismus ist auch ohne Nahrungsergänzungsmittel undenkbar. Keine vegane Biografie ohne intensive Beschäftigung mit dem Thema „Vitamin B12“. Das Kapitel „Nährstoff-Checkliste“ in Christian Koeders enzyklopädischem Standardwerk „Veganismus“ umfasst 52 Seiten, gefolgt von weiteren 40 über die Gefahren veganer Mangelernährung vor allem für Kinder. Auch die Hoffnungen, die Veganer in die Laborforschung zur tierleidlosen Herstellung von Fleisch aus Stammzellen setzen („zur Zeit noch etwas farblos und glibberig“), passen nicht zum Bild einer naturnahen Ernährung.14 Hinzu kommen Tierrechtler, die darüber sinnieren, ob und wie der Mensch die Natur verändern müsse, um das Tierleid durch wilde Fleischfresser (= „Stress für Futtertiere“) zu beenden. „Natürlich“ ist für Veganer kein Wert an sich. „Wir verwenden das Wort [„natürlich“] oft so, als ob es eine moralisch relevante Eigenschaft beschreiben würde. Aber das ist nicht der Fall.“15

Tierbefreiung

Der Schritt von der Theorie zur Praxis bedeutet für manche Tierrechtler nicht nur veganes Leben, sondern „Tierbefreiung“. Auch hier liegen die Ursprünge in England, wo es in den 1980er Jahren zu zahlreichen Brandstiftungen, Körperverletzungen und Bombenanschlägen durch Gruppen wie die Animal Liberation Front kam.16 Dieses vegane Segment überschneidet sich mit linken politischen Theorien. Der Veganismus soll „nach einer Zeit des Niedergangs linker Bewegungen … dem Denken erneute Ausgangspunkte für eine kritische Sicht der Gesellschaft … bieten“17, also die Linke als politische Kraft mit neuem Leben füllen. Veganismus sei eine logische Folge des Antispeziesismus als „Fortsetzung der historischen Befreiungsbewegungen, … [weil] eine Linke, die Tierausbeutung nicht thematisiert, nicht nur an diesem Punkt nicht an der Spitze der fortschrittlichen gesellschaftlichen Kräfte steht, sondern auch schlicht nicht radikal ist“18. Letztlich geht es also darum, die antikapitalistische Revolution vorzubereiten. Nach dem Ende der Sklaverei und der Apartheid, nach der Übernahme vieler „linker“ Anliegen in den Mainstream sind die Tiere ein willkommener Ankerpunkt für eine Schwarzweiß-Weltsicht mit klaren Gegnern. Diese tierrechtliche Theorie der Revolution drängt neben dem veganen Lebensstil zur tierbefreienden Praxis. Die Aktivisten brechen in Hühnerhöfe, Pelzfarmen und Versuchslabore ein, lassen Tiere frei, verüben Brandstiftungen und greifen bisweilen Menschen an. Das Ziel ist dabei explizit, bestimmte Betriebe in den Ruin zu treiben. Das Logo der deutschen „Antispeziesistischen Aktion“ ist eine nur farblich variierte Version des Logos der anarchistischen „Antifaschistischen Aktion“. Ihr legaler Arm wirbt regelmäßig auf veganen Veranstaltungen und informiert mit der Zeitschrift „Tierbefreiung“ für die Anliegen der Tierbefreier.19

Zahlen und Zusammensetzung

Genaue aktuelle Zahlen zur Verbreitung des Veganismus fehlen. Klar ist nur, dass der moderne Veganismus ein westliches Phänomen ist. Schätzungen variieren stark. Die „II. Nationale Verzehrstudie“ im Auftrag des Bundesernährungsministeriums (2005 – 2007) fand 80 000 (0,1 %) vegane Bundesbürger und etwa zehnmal so viele Vegetarier (1 %).20 Die Zahl der Vegetarier soll sich bis 2012 verdoppelt haben.21 Schätzungen in der Szene liegen weit höher. So beruft sich der VEBU auf mehrere Umfragen mit höheren Ergebnissen und geht von 9 bis 10 % Vegetariern aus. Das wäre einer der höchsten Werte Europas. Die Veganer werden von VEBU und VGD gegenwärtig auf 0,9 bis 1 Million innerhalb dieser Gruppe veranschlagt, das wäre ein Zuwachs von 25 % gegenüber ihren Schätzungen von 2013.22

Ein Unsicherheitsfaktor besteht in der Unklarheit der Abgrenzung. Wie oft darf jemand „sündigen“ und sich noch „Vegetarier“ oder „Veganer“ nennen? Selbst manche Fischesser nennen sich in Umfragen Vegetarier. Interessant ist nämlich das positive Image der Bewegung. Bei einer Forsa-Umfrage 2011 schätzten sich 65 % der Frauen und 40 % der Männer als „Teilzeitvegetarier“ ein.23 Ähnlich gibt es „Veganer“, die bei sozialen Anlässen Ausnahmen machen, um die soziale Isolation zu vermeiden. Technisch nennt man Leute, die den Konsum von Tierprodukten bewusst reduzieren, aber nicht eliminieren, bisweilen „Flexitarier“. Die meisten Veganer und Vegetarier lehnen das Konzept der „Teilzeitvegetarier“ ab.

Veganer sind erwartungsgemäß kein Querschnitt der Bevölkerung. Sie sind mehrheitlich 30 bis 50 Jahre alt, zu 60 bis 80 % (je nach Umfrage und Land) weiblich, stehen politisch links, sind überdurchschnittlich gebildet, einkommensstark und leben in der Stadt.24 Das heißt, Veganer gehören mehrheitlich zu einem relativ engen, aber zahlenmäßig großen Milieu der „grünen Bourgeoisie“, gerne zur Konsumentengruppe der „LOHAS“ (Lifestyle of Health and Sustainability) zusammengefasst. Ein Sonderfall ist der Jugendveganismus als Statusübergang.25

Essen, Kultur und Religion

Essen und kulturelle Identität

Neben der Sexualität ist das Essen der kulturell und religiös am stärksten regulierte Lebensbereich. Auch in der säkularen Moderne sind Essensverzehr und -meidung bis zum Tabu nicht nur individuellen Vorlieben geschuldet. Der Reisende, der in Köln ein Alt und in Düsseldorf ein Kölsch bestellt, erntet freundlichen Spott. Wer aber nach dem China-Urlaub eine Katze zum Verzehr schlachtet, verstößt gegen Anstandsgefühl und gegen das Gesetz.

Unsere Übereinstimmung in Essensfragen gehört zu dem, was unsere Existenz als kulturelle Gemeinschaft konstituiert. „Die Wahl der Nahrung (Vorlieben und Verbote) ist eng verbunden mit dem Gesamtbild, das eine Kultur von sich entwirft und mit dem sie anderen Kulturen gegenübertritt … Speisegebote haben demnach eine identitätsstiftende Funktion; sie drücken die kulturellen Eigenarten aus, die eine Kultur von den anderen unterscheidet.“26 Es geht bei der Ernährung auch um Identität, und das heißt auch: Abgrenzung. Diese kann, muss aber nicht abwertend sein („Spaghettifresser“). Wir alle sind in unseren Essgewohnheiten wie in vielem anderen weit weniger individuell, als wir glauben. Jeder Mensch vermittelt durch sein Essen eine Identitätsbotschaft an sich und seine Gruppe, nach innen und nach außen. Ebenso nehmen wir Ernährungsgewohnheiten anderer als kulturtypisch wahr.

Weil Essen physisch und sozial eine Grunddimension des Lebens ist, sind auch säkulare Gesellschaften durch Essensregeln und kulturelle Normen geprägt: Wer isst mit wem? Wer sitzt wo (Ehrenplatz und „Katzentisch“)? Wer bestimmt, was gegessen wird? – Eine privat und politisch potenziell hochbrisante Frage.27

Religiöse Speisegebote

Essen und Religion gehören unlösbar zusammen. Es gibt kaum eine Religion ohne Fastenbräuche und ohne Essensgebote. Juden verzehren keine Unpaarhufer, kein Schwein, keine Meeresfrüchte, trennen Milch und Fleisch usw., Muslime nehmen weder Schwein noch Alkohol zu sich und halten Ramadan, Mormonen verzichten auf Tee, Kaffee und Alkohol, orthodoxe Christen leben in der Fastenzeit vegan, Jehovas Zeugen meiden Blut, Siebenten-Tags-Adventisten folgen den alttestamentlichen Speisegeboten und entsagen dem Alkohol, viele von ihnen ernähren sich der Einfachheit halber gleich vegetarisch. Das Universelle Leben wurde 1989 vegetarisch und später vegan (und versuchte jahrelang, die entsprechenden Gruppen in Deutschland zu unterwandern). Traditionelle Katholiken essen freitags und in den Fastenzeiten kein Fleisch. Reste davon finden sich bis heute in Betriebskantinen, die freitags Fisch servieren. In den USA und Israel, wo es angeblich die weltweit meisten Veganer pro Kopf gibt, lebt die neureligiöse Bewegung der Black Hebrew Israelites vollkommen vegan.28 Oft kommen noch besondere Regeln hinzu, die zum Beispiel die Zubereitung und den Verzehr von Speisen betreffen. So dürfen in manchen Kulturen menstruierende Frauen nicht kochen, und Gäste essen von den Gastgebern getrennt. Viele Speise- und Fastengebote führen zu alltagsstrukturierenden Ritualen bei der Essenszubereitung, dem Essenserwerb usw.

Führt man sich die Welt der Religionen vor Augen, erkennt man: Der Protestantismus ist eine Anomalie. Ihm fehlen jegliche Speisegebote. Und vielleicht ist nicht zufällig in diesem alltagsrituellen Vakuum die Fastenbewegung „Sieben Wochen ohne“ entstanden und die Observanz beim Fair-Trade-Konsum besonders streng (für Kaffee in manchen Landeskirchen Pflicht!).

Für den Gläubigen sind Speisegebote zunächst einmal eine Frage der Befolgung göttlicher (Reinheits-)Gebote. Aber religionspsychologisch betrachtet haben sie konkrete Funktionen. Dabei geht es immer um Identitätsstiftung:

  • Sichtbarkeit: Wer anders isst, wird gefragt: „Warum?“ So ist er gezwungen, sich zu seinem Gott zu bekennen, und kann sich mit seinem Glauben nicht verstecken.
  • Selbstvergewisserung: Indem ich mich an seine Gebote halte, versichere ich mich der Zugehörigkeit zu meinem Gott. Bei jedem Essen werde ich daran erinnert, wohin ich gehöre. Das funktioniert auch innerhalb der Gemeinschaft. Denn wer sich anders verhält, provoziert auch nach innen die Frage: Warum? Das Alte Testament begründet mehrfach Essensvorschriften in dieser Weise soziofunktional. So sollen die Israeliten Passah mit ungesäuertem Brot feiern, damit ihre Kinder nach dem „Warum“ fragen und daraufhin die Geschichte vom Auszug aus Ägypten hören (Ex 12,26f). So identifizieren sie sich mit der Gründungsgeschichte ihres Volkes.
  • Abgrenzung: Offensichtlich führen Essensgebote zu Abgrenzungen von der Umgebung. Das ist keine zufällige Folge, sondern intendiert. Zumindest wird die intime Gemeinschaft gemeinsamen Essens erschwert. Im Extremfall kann man, wie in manchen Spielarten des Hinduismus oder des Islam, mit manchen Menschen gar nicht essen, weil sie kultisch unrein sind.

Religionen haben, wie alle sozialen Gruppen, ein „Innen und Außen“ (das sich im Übrigen unvermeidlich mit einem gewissen Grad von Elitismus verbindet). Sie müssen bestimmen, wer dazugehört und wer nicht. Ex 34,15 illustriert dies für den Umgang mit den Kanaanäern: „Hüte dich, einen Bund zu schließen mit den Bewohnern des Landes, damit sie, wenn sie ihren Göttern nachlaufen und ihnen opfern, dich nicht einladen und du von ihrem Opfer isst“ (Hervorhebung K. F.). Essen verbindet manche Menschen und trennt andere.

Sinnstiftender Veganismus

Traditionell sind also Speisegebote Teil einer Identität und Lebenssinn stiftenden Religion. In der modernen veganen Bewegung sehen wir etwas Neues: Essensregeln werden nun selbst sinnstiftend. Dabei kann man zwei große Gruppen nach ihrer primären Motivation und der Reichweite ihres Veganismus unterscheiden: Gesundheitlich motivierte Ernährungsveganer und ethisch motivierte Lebensstilveganer. Es kommt häufig vor, dass Gesundheitsveganer später zum radikaleren ethischen Veganismus fortschreiten, umgekehrt ist das die Ausnahme. Wer aus ethischen Gründen Veganer wird, beruft sich auch später allenfalls als nachrangige Motivation auf den Gesundheitsaspekt.

Gesundheits- bzw. Ernährungsveganismus

Gesundheit interessiert alle. Seit Jahren redet man vom Fitnessboom oder gar vom „Fitnesswahn“, der zum parareligiösen Körperkult mutiert.29 Ständig entstehen neue Anleitungen zu alternativen Formen „gesunder Ernährung“. Denn obwohl wir zumindest im Westen erstmals den Hunger ausgemerzt haben und obwohl wir mit dem gegenwärtigen Essen länger und gesünder leben denn alle Generationen zuvor, erkranken und sterben wir noch immer. Wir haben unser Schicksal in der Hand wie nie zuvor – und sind doch vor der letzten großen narzisstischen Kränkung, dem Tod, machtlos. In der säkularen Gegenwart muss daher alles, was ich im Leben erreichen kann, bereits hier im Diesseits geschehen. Wenn ich auf kein Jenseits vertrauen kann, kann alles Gute nur hier passieren, und wenn ich kein ewiges Leben erwarte, muss ich das hiesige maximal strecken und das Optimum herausholen. „Gesund essen“, so die Hoffnung, wird mich lange mit einem gesunden und schönen Körper belohnen. Gesundheit wird zum Heilsversprechen und dieses zur Aufgabe eines jeden. Außerdem geht es diesem Gesundheitsveganismus auch um den Wiedergewinn der Kontrolle über meine körperliche Existenz in einer Zeit industrieller Massenproduktion von Lebensmitteln, er ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Misstrauens.

Erfolgreiche Vertreter der gesundheitsveganen Szene sind der Fernsehkoch Attila Hildmann (Buchtitel: „Vegan for Youth“, „Vegan for Fit“ und „Vegan for Fun“) und der Bodybuilder Karl Ess. Sie sind Stars für körperbewusste Jugendliche aus der Fitness-Szene. Insbesondere Ess‘ Zielpublikum ist – Veganismus-untypisch – männlich. Beide bewerben einen genuss- und erfolgsorientierten Veganismus, dessen Vorzüge sie gern unter Zurschaustellung gut definierter Bauchmuskeln und stark motorisierter Sportwagen illustrieren. Ökologie, Tier- und Klimaschutz tauchen hier als motivierende Faktoren allenfalls am Rande auf.

Dass Veganismus und Vegetarismus gesund seien, ist in der Szene communis opinio. Es wird freilich oft anekdotisch durch methodisch fehlerhafte Vergleiche zwischen einem unvernünftig-exzessiven Fleischkonsum und einem reflektiert-sorgfältigen Veganismus belegt. Die meisten Autoren verweisen ähnlich wie esoterische Publikationen auf „wissenschaftliche Studien“, ohne sie zu zitieren oder anzugeben. Kein Wunder, denn in Wirklichkeit unterstützen wissenschaftliche Studien die Behauptung vom gesunden Veganismus nicht.30

Dagegen sind die Gesundheitsrisiken des Veganismus unbestritten. Die Gefahren bei unsachgemäßer Durchführung (Nahrungsergänzungsmittel) sind vor allem für Kinder erheblich. Hinzu kommt: „Vegetarier erfüllten … mit höherer Wahrscheinlichkeit die Kriterien für eine psychiatrische Diagnose – darunter Depressionen, Angststörungen … und Essstörungen – als die Nichtvegetarier“.31 Das gilt auch für Veganer. Insbesondere Essstörungen (Anorexie und Orthorexie32) sind positiv mit Vegetarismus und Veganismus korreliert.

Ethischer bzw. Lebensstilveganismus

Der Gesundheitsboom bescherte dem Veganismus sein enormes Wachstum der letzten Jahre. Seine Ursprünge aber waren vor allem ethisch motiviert und führten zu der langen Geschichte der Tierschutz- und Tierrechtsbewegung mit ihrer reichen Tradition von Theoriedebatten. Hier plädiert man gegen Gesundheits- und Ökologieargumente in der Außendarstellung. Denn eine ethische Frage sei nicht mit Nützlichkeitsargumenten beantwortbar.33

Der ethische Veganismus ist nicht nur am eigenen Körper interessiert und sucht daher logischerweise tierische Produkte nicht nur im Essen zu vermeiden, sondern in allen Lebensbereichen: Lederkleidung, Seide, Daunenkissen und Wolle sind tabu. Sogar das Bücherregal wird geprüft, weil Leim oft tierische Produkte enthält. Der Subtilität sind praktisch keine Grenzen gesetzt, und so hat sich eine Dogmatik voll reichhaltiger Kasuistik entwickelt, wenn man zum Beispiel versucht, auch bei pflanzlichen Produkten jeden Schritt im Herstellungsprozess zu prüfen (veganer Apfelsaft kann mit Gelatine gefiltert sein usw.). Statt des Rabbis oder Imams erteilt hier am Ende der vegane Lebensmittelprüfer sein nihil obstat in Form veganer Zertifizierungen der Unbedenklichkeit.

Lebensstilveganismus setzte historisch bei den Tierrechten an und inkorporierte später zunehmend ökologische Anliegen. Für den ethischen Veganer ist der menschliche Fleischkonsum nicht nur für viel Tierleid verantwortlich. Die massenhafte Tierproduktion verbrauche außerdem viel Land (Verteilungsgerechtigkeit), verschwende Wasser und Nahrungskalorien durch Getreide- und Sojafütterung (Hunger) und produziere klimaschädliche Gase. All diese Zerstörungen wiederum führten zu Krieg. Daher gelte es, jegliche menschliche Tiernutzung abzuschaffen. So könne der Veganismus (und viele glauben: nur der Veganismus) all diese Missstände überwinden. Für jene, denen die Umwelt wichtiger ist als das Tierleid, wird bisweilen der Begriff „Klimaveganer“ geprägt, doch kommen in der Praxis meist beide Motivationen zusammen.34 Diese Argumentation ist natürlich nicht völlig aus der Luft gegriffen: Auch die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat in Studien auf die negativen globalen Folgen des exzessiven Fleischkonsums hingewiesen.35

Dieser ethische Veganismus betrachtet die Ernährung also nicht mehr als Frage persönlicher Gesundheitsförderung, sondern als Frage des richtigen Verhaltens – mit Folgen für die Welt und den Einzelnen. Das Thema sei „für die Zukunft des Planeten von grundsätzlicher Bedeutung … [und] Teil einer neuen und erweiterten Vision von Frieden und Glück“36.


Kai Funkschmidt


In Teil II dieses Beitrags im nächsten Heft wird eine Reihe von religionsartigen Merkmalen der veganen Bewegung (Heilsversprechen, Mission, Dualismus) anhand von Beispielen näher betrachtet werden.

Anmerkungen

  1. Viele ältere Lexika erwähnen nur den Ernährungsveganismus. Obwohl es im Folgenden v. a. um den Veganismus geht, wird manchmal auf den Vegetarismus verwiesen. Zum einen sind beide Bewegungen historisch eng verbunden, überlappen und alliieren sich oft, zum anderen bauen ihre Theorieschriften aufeinander auf, und zum dritten ist die vegane Datenlage bisweilen dünn und zwingt zu Analogieschlüssen vom Vegetarismus.
  2. Der Journalist Frank Plasberg sprach in der Sendung „Hart aber fair: Mit der Kuh per du“ (ARD, 14.10.2014) von „vielen Millionen“ Veganern. Das wäre ein Vielfaches sogar der hochgegriffenen Zahlen, die die Szene selbst angibt (s. u.).
  3. www.boersenblatt.net/793541 (Abruf der in diesem Beitrag angegebenen Internetseiten: 7.10.2015).
  4. In Sieben Linden (vgl. Knepper, Claudia: Experiment Gemeinschaft, in: MD 6/2012, 204-214) gab es lange Diskussionen, weil manche Bewohner Veganismus für alle forderten, während für andere die Nutztierhaltung zur Idee eines Öko-Dorfes gehörte. (Vgl. Würfel, Michael: Dorf ohne Kirche. Die ganz große Führung durch das Öko-Dorf Sieben Linden, Sieben Linden 2012, 63-70. Die Darstellung gibt einen guten Einblick in die Veganismusdebatten innerhalb öko-alternativer Milieus.)
  5. Stolz, Matthias: Deutschlandkarte – Vegane Restaurants, in: Die Zeit, Magazin, 31.10.2013.
  6. Vgl. z. B. Koeder, Christian: Veganismus. Für die Befreiung der Tiere, Ellwangen 2014, 3-13. Bisweilen wird auf verstreute Vorläufer in der Antike (Pythagoräer) und der mittelalterlichen Kirchengeschichte (Katharer) verwiesen.
  7. Anfangs wurde „vegetarisch“ oft im Sinne des heutigen „vegan“ verwendet, spätere Jahrzehnte waren von Theoriediskussionen über die Verwendung von Eiern und Milch geprägt, ohne dass man eine handliche begriffliche Unterscheidung für die unterschiedlichen Ansätze hatte. So entstand u. a. der Begriff „Ovo-Lacto-Vegetarier“ für Menschen, die kein Fleisch, aber andere Tierprodukte essen.
  8. Die Siedlung besteht noch heute, kämpft allerdings damit, dass neuere Mitglieder mit den ideologischen Grundlagen des Projekts nur noch wenig anfangen können, sodass es sich zu einer Schrebergartenkolonie wie andere zu wandeln droht. Die vielen neuen Vegetarier und Veganer vermag die Siedlung nicht anzuziehen. Auch soziale Bewegungen im Bereich der gesellschaftlichen Erneuerung durch Ernährung kämpfen offenbar mit der Institutionenskepsis unserer Zeit. Vgl. Kaienburg, Hermann: Der Traum vom Garten Eden. Die Gartenbausiedlung „Eden“ in Oranienburg als alternative Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft, in: ZfG 52 (2004), 1077-1090; Baumgartner, Judith: Ernährungsreform – Antwort auf Industrialisierung und Ernährungswandel. Ernährungsreform als Teil der Lebensreformbewegung am Beispiel der Siedlung und des Unternehmens Eden seit 1893, Frankfurt a. M. 1992.
  9. Die Kommune zerfiel in Streit und Mord, Engelhardt starb später ausgemergelt, zahnlos und geistig umnachtet. Gleich zwei Romane zum Thema erschienen 2012, von denen Marc Buhls „Das Imperium des August Engelhardt“ lesenswerter ist als Christian Krachts „Imperium“.
  10. Zur Begriffsgeschichte vgl. Koeder: Veganismus (s. Fußnote 6), 14-16.
  11. Vgl. Gollwitzer, Helmut: Aufrüttler und Außenseiter, in: Die Zeit, 20.4.1962; Skriver, Michael und Petra: Dr. phil. Carl Anders Skriver (1903 – 1983), http://gnuev.de/html/dr__carl_anders_skriver.html .
  12. Zur Geschichte der Tierrechtsbewegung vgl. https://vebu.de/themen/tiere-a-ethik/philosophie-und-tierrechte/131-die-geschichte-der-tierrechtsbewegung .
  13. Um den Antispeziesismus haben sich neben Singer z. B. der spanische Philosoph Oscar Horta (www.beyondspecies.com) und der Amerikaner Jeff McMahan verdient gemacht. Vgl. auch Rude, Matthias: Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und in der Linken, Stuttgart 2013.
  14. Koeder, Veganismus (s. Fußnote 6), 472. Schilderungen von Laborfleisch machen wenig Appetit. Fairerweise muss man allerdings zugeben: Das gilt auch für Legebatterien und Wurstfabriken.
  15. Koeder: Veganismus (s. Fußnote 6), 422.
  16. Überblick zu Organisationen und Geschichte der militanten Szene: ebd., 456-467.
  17. Rude: Antispeziesismus (s. Fußnote 13), 10.
  18. Ebd., 16.
  19. Tierbefreiung – das aktuelle Tierrechtsmagazin, hg. von die tierbefreier e.V., Dortmund.
  20. www.mri.bund.de/NationaleVerzehrsstudie .
  21. www.mri.bund.de/no_cache/de/startseite/dge-kongress-lebensmittelverzehr-kaum-veraendert.html 
  22. https://vebu.de/themen/lifestyle/anzahl-der-vegetarierinnen. Die Annahme von 10 % Veganern innerhalb der (sehr groß angesetzten) Gruppe der Vegetarier scheint ebenso sehr geraten wie geschätzt zu sein, zumindest wird nicht deutlich, wie sie zustande kommt.
  23. Hucklenbroich, Christina: Sensibel, klug – und ausgegrenzt?, in: FAZ, 22.12.2012.
  24. Eine kleine Übersicht auch über unerwartete Ergebnisse der vielen Studien findet sich u. a. ebd.
  25. Vgl. Dahlgren, Lars et al.: Veganism as status passage: The process of becoming a vegan among youths in Sweden, in: Appetite 41 (2003), 61-67; Schwarz, Thomas: Veganer, in: Niederbacher, Arne et al. (Hg.): Leben in Szenen – Formen juveniler Vergemeinschaftung heute, Wiesbaden 32010.
  26. Borgeaud, Philippe: Art. „Speisegebote/Speiseverbote/Speisegesetze“ I. Religionswissenschaftlich, in: RGG4 Bd. 7, Tübingen 2004, 1550f, hier 1550.
  27. Essen kann z. B. zur politischen Machtfrage werden, wenn Minderheiten in Schulen und Krankenhäusern auf Essen nach ihren religiösen Geboten bestehen. Konflikte gibt es etwa, wenn britische Schulen der Einfachheit halber Schwein vom Speiseplan streichen und für alle Schüler nur noch Halal-Fleisch kaufen. In Deutschland haben in den letzten zehn Jahren zahlreiche Lebensmittelfirmen aus Rücksicht auf Muslime von Schweine- auf Rindergelatine umgestellt (zu Zeiten der BSE-Krise ging es andersherum), deklarieren das Produkt bislang aber nur für den Export als „halal“. In Indien strebt die Regierung der Hindu-Partei BJP 2015 ein landesweites Verbot der Rinderschlachtung an, was vor allem Muslime und Christen träfe.
  28. Die Black Hebrew Israelites wurden vor 40 Jahren bekannt, weil medizinische Studien bei ihnen erstmals die verheerenden Folgen von B12-Vitaminmangel bei vegan ernährten Babys nachwiesen. Vgl. Koeder: Veganismus (s. Fußnote 6), 269, 598.
  29. Vgl. Hurth, Elisabeth: Der schöne Schein. Zum Körper- und Schönheitskult in der Postmoderne, in: DtPfBl 113 (2013), 462-465.
  30. Einen Überblick zur Forschungslage gibt Koeder: Veganismus (s. Fußnote 6), 258-266. Obwohl er selbst Veganer ist, kommt er zu dem Schluss: „Ob es … ein gesundheitliches Argument für Veganismus gibt, ist fraglich“ (402), und er rät von diesem Argument ab.
  31. Hucklenbroich: Sensibel, klug – und ausgegrenzt? (s. Fußnote 23).
  32. Orthorexia nervosa bezeichnet seit den 1990er Jahren eine psychische Zwangserkrankung, bei der Menschen sich gesund ernähren und sich exzessiv damit beschäftigen, was sie essen können und was nicht.
  33. So äußern sich z. B. Christian Koeder (Veganismus, s. Fußnote 6) und Gary L Francione (Rain without Thunder. The Ideology of the Animal Rights Movement, Philadelphia 1996).
  34. Grosser, Maximilian: Durch Fleischverzicht die Welt retten, in: Die Zeit, 28.7.2008.
  35. Vgl. z. B. Food and Agriculture Organization of the UN: Livestock‘s long shadow, Rom 2006.
  36. Ryder, Richard: Animal Revolution. Changing Attitudes towards Speciesism, Oxford 2000, 1.