Freikirchen

Ein Gespräch unter den Täuferkäfigen in Münster

Ein Gespräch unter den Täuferkäfigen in Münster. Die auffälligen Käfige an der Lambertikirche in Münsters Innenstadt erinnern an die Gewaltherrschaft der radikalen Täufer Jan Matthis und Jan van Leyden, von denen sich Menno Simons, der Namensgeber der späteren Mennoniten, abgrenzte; er forderte für die Täuferbewegung absolute Gewaltfreiheit und hohe ethische Standards. Ein „Gespräch unter den Täuferkäfigen“ fand auf dem Katholikentag mit katholischer, evangelischer und mennonitischer Beteiligung statt. Ein Podiumsgespräch und das anschließende Mittagsgebet sollten zur „Heilung der Erinnerungen angesichts eines historischen Traumas“ beitragen.

In seiner differenzierten historischen Einführung beschrieb der Historiker Ralf Klötzer die Täuferbewegung als ein gesamteuropäisches Phänomen, das aber nur etwa 0,1 % der Bevölkerung umfasste; und nur ein Teil davon vertrat eine apokalyptische Naherwartung. Die Proklamation des „Neuen Jerusalems“ in Münster ist die bekannteste Episode der frühen Täuferbewegung und stellt bis heute einen problematischen Punkt auch für die Mennoniten dar. So beklagte auf dem Podium die mennonitische Theologin Andrea Lange, dass man „immer wieder in diese Schublade“ käme, sich aber zugleich fragen müsse: Was hat das mit meinem Leben zu tun? Der katholische Theologe und Historiker Hubertus Lutterbach eröffnete mit seinem Beitrag eine theologische Perspektive mit dem Hinweis, zentral sei seinerzeit die Frage gewesen: Wie bekommt man Kunde vom Göttlichen? Katholisch sei dies klar sakramental gelöst, reformatorisch dagegen sei der unmittelbare Zugang für alle Christen gegeben. Problematisch sei es geworden, als „persönliche Offenbarungsträger“ auftauchten, die sich über andere stellten. Immer wenn eine Religion die Führung an sich ziehe, würden andere abgewertet. Dies sollte bei einer „Heilung der Erinnerungen“ bedacht werden.

Ob Münster der ideale Ort für eine solche Versöhnung sei und die Käfige nicht längst abgehängt gehörten, war auf dem Podium zumindest umstritten. Auch sollte bedacht werden, dass besonders die russlanddeutschen Mennoniten, die es in großer Zahl besonders in Westfalen gibt, kaum noch einen Bezug zum Münsteraner „Täuferreich“ haben, teilweise sogar explizit ablehnen, dass Menno Simons sich unmittelbar darauf bezogen habe, sondern ihrerseits – wie Andrea Lange betonte – ganz andere Kontexte und Traumata mitbringen.

Die Käfige, seinerzeit zur Abschreckung mit den gefolterten Täufern hoch über der Stadt platziert, könnten heute „als Denkanstoß über Macht und Ohnmacht und Gewalt in Glaubensdingen“ (Lange) durchaus an der Lambertikirche hängen bleiben. Dort wurde dann die Veranstaltung mit einem Mittagsgebet beschlossen, bei dem wohl zum ersten Mal seit dem „Täuferreich“ die verschiedenen Konfessionen in der Lambertikirche miteinander beteten: der katholische Stadtdechant Jörg Hagemann, der evangelische Superintendent Ulf Schlien und von mennonitischer Seite Andrea Lange sowie Jacob Schiere und Keith W. Blanck. Liturgisch wurde aus den ökumenischen Versöhnungsdokumenten gelesen und so eine „Heilung der Erinnerungen“ angestrebt.


Andreas Hahn, Dortmund