Martin Gorke

Eigenwert der Natur. Ethische Begründungen und Konsequenzen

Martin Gorke, Eigenwert der Natur. Ethische Begründung und Konsequenzen, S. Hirzel-Verlag, Stuttgart 2010, 252 Seiten, 39,00 Euro.


In seiner 2007 von der Universität Greifswald angenommenen Habilitationsschrift erklärt Dr. rer. nat. Dr. phil. Martin Gorke, er vertrete „die Auffassung, dass Ethik die Aufgabe hat, auf besseres Handeln hin zu orientieren, und nicht, die negativen Folgen des eigenen Handelns zu entschuldigen. Teilt man dieses Ethikverständnis, wird man eher eine Konzeption favorisieren, die sich den Zwiespältigkeiten menschlichen Umgangs mit der Natur stellt und ein Schuldigwerden dabei einräumt, als eine Konzeption, die diese Zwiespältigkeiten ethiktheoretisch so ‚aufbereitet‘, dass Beeinträchtigungen der Natur bei Einhaltung der Regeln stets guten Gewissens erfolgen können“ (179).Nach eigener, zutreffender Einschätzung „vergleichsweise nüchtern“ (10), gründlich differenzierend und zugleich anschaulich will die Untersuchung „das Bemühen um mehr Transparenz und Konsistenz in Umweltethik und Naturschutz voranbringen“ (17), indem sie durch die Darstellung von anthropozentrischen, pathozentrischen und biozentrischen Konzepten und in Auseinandersetzung mit diesen eine holistische Umweltethik entwirft und ihre praktische Anwendbarkeit entfaltet. Holistische Ethik zielt darauf ab, „dass alle Naturwesen und überorganismischen Ganzheiten als Mitglieder der ‚Moralgemeinschaft‘ anzusehen“ (17), also als „Objekte“ der Ethik zu betrachten sind.Ausgehend von einem „holistisch“ umformulierten „kategorischen Imperativ“ („Handle so, dass du alles Seiende niemals nur als Mittel, sondern immer zugleich auch als Selbstzweck behandelst“, 111) stellt der Verfasser anhand präzise formulierter Prinzipien und Kriterien dar, wie ein verantwortlicher Umgang des Menschen mit der Umwelt die Konsequenzen für andere Lebewesen und Gesamtsysteme mit zu bedenken und Beeinträchtigungen für sie zu minimieren hat.Im Spannungsverhältnis von „Macht und Moralität“ des Menschen bewegt sich sein Ethikkonzept zwischen dem Pol, zu weitreichende, nämlich unrealisierbar-ideale Verzichtsforderungen zu stellen, und dem anderen Pol, menschlichen Spezies-Interessen grundsätzlich einen Vorrang einzuräumen. Dabei vermeidet er konsequent die Illusion, Konflikte zwischen Mensch und Natur könnten einer harmonischen „Auflösung“ zugeführt werden. Stattdessen betont er, „dass die holistische Ethik dem verantwortungsbereiten Individuum ... eine Sicht auf die Welt zumutet, bei der der Umgang mit der Natur von vielfachem Schuldigwerden begleitet ist“ (179). Hierbei vermeidet der Autor jedes Abgleiten in repressiven Moralismus; vielmehr geht es ihm darum, „dem verantwortungsbereiten Individuum zu ermöglichen, die ‚Grauwerte‘ seiner Handlungen zu minimieren“ (176).Auch wenn die gesellschaftlichen und politischen Horizonte in der Untersuchung durchaus stets im Blick sind, ruft die Studie nach einer Fortsetzung, in der diese Dimensionen des Problems konsequenterweise im Fokus stehen werden.Obwohl die Orientierung dieses ethischen Konzeptes der Verantwortung gegenüber der Umwelt in ihrer Konsequenz als durchaus neu zu würdigen ist, braucht man in den Grundfragen der Ethik „das Rad nicht neu zu erfinden“ (187). Daher finden sich in Gorkes Buch zahllose hoch interessante Bezüge zur ethischen Tradition (Kant, Schweitzer, Rawls, Singer usw.). Gorke schreibt dabei in einer durchweg verständlichen Sprache, die interessierten Laien zugänglich und zugleich der Fachdisziplin angemessen ist. Die zur Veranschaulichung gebotenen Fallbeispiele machen das Buch nicht nur lesbar, teilweise wird es durch sie geradezu vergnüglich.


Gebhard Böhm, Stuttgart