In eigener Sache

Dritte Seminarwoche des EZW-Curriculums

(Letzter Bericht: 5/2009, 190f) In Berlin hat vom 8. – 12. Februar 2010 die dritte Seminarwoche des Curriculums Religions- und Weltanschauungsfragen stattgefunden. Schwerpunktthemen waren das pentekostale Christentum, christliche Sondergemeinschaften sowie Rechtsfragen in der Weltanschauungsarbeit. Vor einem Jahr hatte die zweijährige Weiterbildung für Pfarrerinnen und Pfarrer aus den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begonnen. 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 17 Landeskirchen, der Evangelischen Kirche in Österreich und zwei katholischen Bistümern nehmen daran teil.

Zum Thema „pentekostales Christentum“ referierten Reinhard Hempelmann und Peter Zimmerling. Hempelmann führte in das Thema ein, indem er Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Evangelikalismus und Pentekostalismus in phänomenologischer, historischer, ökumenischer und soziologischer Perspektive erläuterte. Als Phänomene der Zeit repräsentieren aus seiner Sicht beide Richtungen einen Protest gegen die Rationalitätsdominanz unserer Kultur und sind Ausdruck der Sehnsucht nach starken Gefühlen. Peter Zimmerling, Professor für Praktische Theologie in Leipzig, stellte die charismatische Bewegung in ihren vielfältigen Ausprägungen vor. Für Zimmerling ist sie eine Frömmigkeitsbewegung, die durch besondere Geisterfahrungen ausgelöst wurde und von diesen lebt. Theologisch beobachtet er eine Betonung der Pneumatologie vor der Christologie. In der Zeit nach Pfingsten werde der Geist als der eigentlich Aktive angesehen; dabei komme es zu einer problematischen Auflösung der Trinität in ein zeitliches Nacheinander.

Im Unterschied zur Pfingstbewegung, als deren biblischer Basistext Apg 2 gelten könne, zählten in der innerkirchlichen charismatischen Bewegung, mit 1. Kor 12 als Basistext, auch nichtspektakuläre Geistesgaben, die sich am Nächsten und am Gemeindeaufbau orientierten. Im Blick auf die Praxis des Lobpreises bemerkte Zimmerling kritisch, dass das Leid als überwundenes oder noch zu überwindendes in charismatischen Liedern kaum vorkomme, was wirklichkeitsfremd und „nicht ganz echt österlich“ wirke. Als Gast kam Pastor Karl Schreiter, früher im Vorstand des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden, zum Gespräch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Curriculums. In seiner Vorstellung nahmen seine biographischen Wurzeln in der DDR breiten Raum ein. Der Glaube an Heilungswunder spielt für ihn eine große Rolle. Im Gespräch betonte er die Ökumene und das einmütige Zusammenstehen der Christen.

Zum zweiten großen Thema „christliche Sondergemeinschaften“ stellte Matthias Pöhlmann Neuoffenbarungsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts als „Protestbewegungen der Neuzeit“ vor. Michael Utsch ging vor allem auf neuere Entwicklungen der Neuapostolischen Kirche (NAK) und die Frage ihrer Ökumenefähigkeit ein. Die Begegnungen bei den Seminarwochen sind eine gute Gelegenheit, Gemeinschaften kennenzulernen. Oft ergeben sich schon beim ersten Treffen Beobachtungen, die charakteristische Züge einer Gemeinschaft ebenso erfassen wie Schwierigkeiten, die sich aus christlicher Sicht darstellen.

Vier interessante Begegnungen mit christlichen Sondergemeinschaften gab es in der dritten Seminarwoche: Während der Besuch eines Gottesdienstes der NAK den Eindruck einer Gemeinde in Bewegung und im Aufbruch hinterließ, zeigte sich den Gästen in einem Gottesdienst von Christian Science eine eher müde wirkende Gemeinschaft. Der Erzoberlenker der Christengemeinschaft, Vicke von Behr-Negendanck, schilderte seine Abkehr vom evangelischen Glauben als Theologiestudent bei Helmut Gollwitzer, dem er sehr verbunden war. In der Christengemeinschaft fand er konkrete Aussagen über Tod und Jenseits, die er in der evangelischen Kirche vermisste. Der Besuch in einem Gemeindezentrum der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ mit genealogischer Forschungsstelle bot eine konstruktiv-kontroverse Begegnung mit einer lebendigen Gemeinschaft.

Zum dritten großen Thema „Rechtsfragen in der Weltanschauungsarbeit“ erläuterte Hans Michael Heinig, Professor für Öffentliches Recht in Göttingen und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, allgemein staatsrechtliche Fragen. Die Berliner Anwältin Judith Müller führte in das Presserecht ein und gab rechtliche Hinweise zur öffentlichen Äußerung über Religionsgemeinschaften.

Im Sommer ist im Rahmen des Curriculums eine dreitägige Exkursion im Raum Freiburg geplant. Im September findet die vierte und letzte Seminarwoche in Berlin statt mit den Themen neue religiöse Bewegungen bzw. östliche Spiritualität im Westen, Buddhismus als Trendreligion und Gesichter des Islam.


Claudia Knepper