Katharina Sigel

Dreißig Jahre „Rigpa“ in Deutschland

Verein für tibetischen Buddhismus feiert gleich drei Jubiläen

Gleich drei Jubiläen kann Rigpa e. V. im Jahr 2017 begehen, was mit zahlreichen Festen und Aktionen verbunden ist. Erstens jährt sich die Gründung des Rigpa-Vereins Deutschland zum 30. Mal. Zweitens feiert das Rigpa-Zentrum Berlin sein zehnjähriges Bestehen. Den jüngsten Geburtstag kann Sukhavati feiern, das vor einem Jahr ins Leben gerufene Zentrum für „Spiritual Care“ in Bad Saarow.

Dreißig Jahre Rigpa e. V.

Rigpa e. V., der Verein für tibetischen Buddhismus in Deutschland, versteht sich selbst als organisatorischen Rahmen für die Vermittlung buddhistischer Lehren. Aus dieser Idee heraus wurde der Verein im Jahr 1987 unter der spirituellen Leitung von Sogyal Rinpoche gegründet. Der eingetragene Verein ist seitdem als gemeinnützig anerkannt. „Rigpas Ziel ist es, die buddhistische Tradition Tibets auf eine Weise zu präsentieren, die vollkommen authentisch ist und gleichzeitig eine möglichst tiefgehende Relevanz für das Leben und die Bedürfnisse moderner Menschen hat.“1 Doch neben der Ausrichtung des Vereins am tibetischen Buddhismus zeigt er sich offen gegenüber sämtlichen anderen Schulen und Traditionen buddhistischer Weisheit.

Der Rigpa-Verein ist in 30 Ländern rund um die Welt vertreten und verfügt insgesamt über 130 Zentren und Gruppen, von denen ein Großteil in den 1970er und 1980er Jahren gegründet wurde. Von den Zentren haben 18 ihren Standort in verschiedenen Städten Deutschlands. Rigpa Deutschland zählt nach eigenen Angaben rund 1400 Mitglieder. Die Geschäftsstelle des gemeinnützigen Vereins ist in Berlin. Rigpa, so informiert die Homepage, wird größtenteils aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Ein wichtiger Stützpfeiler der Arbeit ist die ehrenamtliche Mitarbeit von Freunden und Unterstützern des Vereins. Bis auf einige bezahlte Angestellte in der Geschäftsstelle und den Geschäftsbetrieben wird der Verein ehrenamtlich geführt. Rigpa steht unter der Schirmherrschaft des Dalai Lama, des weltlichen und geistigen Oberhaupts Tibets. Der Verein ist Mitglied der Deutschen Buddhistischen Union (DBU), in deren Rat er seit vielen Jahren vertreten ist. Er ist außerdem eingebunden in das internationale Rigpa-Netzwerk. Die Zugehörigkeit zu diesem Netzwerk wirkt sich in einer Zusammenarbeit der verschiedenen Rigpa-Länder aus, die unter anderem die Abstimmung von Praxisanweisungen sowie Studieninhalten und -methoden beinhaltet. Der Austausch äußert sich auch darin, dass im Dharma Mati-Zentrum Berlin Lehrer aus anderen Gemeinschaften lehren.

Der Name „Rigpa“ wurde dem Verein durch seinen Gründer und spirituellen Leiter Sogyal Rinpoche verliehen. Das Wort kommt aus dem Tibetischen und bedeutet so viel wie Intelligenz, Gewahrsein. Mehr noch bezeichnet es die innerste Natur des Geistes.

Sogyal Rinpoche selbst stammt ebenfalls aus Tibet. Bis zu seinem Rücktritt war er der Leiter aller Rigpa-Organisationen weltweit. Er ist in Westeuropa hauptsächlich bekannt durch sein 1992 erschienenes Werk „Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“, das schnell zum Bestseller avancierte. In jüngster Vergangenheit trat der Name Sogyal Rinpoches im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal vermehrt in den öffentlichen Medien auf.2 Sogyal Rinpoche – sein Familienname lautet Lakar; Rinpoche ist ein Ehrentitel – war 1985 erstmals in Deutschland. Zwei Jahre später gründete der buddhistische Lehrer und ausgebildete Lama den Rigpa-Verein und hatte ab diesem Zeitpunkt eine wichtige Rolle in diesem inne: Als spiritueller Leiter agierte Sogyal Rinpoche als viel gefragter Lehrer, Redner und Seminarleiter. Nicht nur durch Live-Belehrungen, sondern auch in seiner Rolle als persönlicher Lehrer, der den Pfad zur Erleuchtung aufzeigt, war Sogyal Rinpoche prägend für die Rigpa-Arbeit und seine Schüler. Auch nach seinem Rücktritt wird er in Studium und Praxis der Praktizierenden unter anderem durch seine Lehren präsent sein.

Im Laufe der Jahre hat die Rigpa-Arbeit ein vielfältiges Angebot an Kursen und Projekten entwickelt. So gibt es neben zahlreichen Bildungsprogrammen, wie z. B. Kursreihen zum Thema Meditation oder einem Fernstudien-Programm, drei Retreat-Zentren. Diese befinden sich in Frankreich, Irland und den USA und offerieren die Möglichkeit, eine Zeit der Stille und Einkehr zu nehmen.

In der Rigpa-Geschäftsstelle und in den verschiedenen Zentren arbeiten sowohl Mitglieder des Vereins als auch Nichtmitglieder. Kursleiter können diejenigen Personen werden, die eine mehrjährige Ausbildung hinter sich haben. Sie sollten das jeweilige Thema tiefgreifend studiert und sich zu eigen gemacht haben.

Zehn Jahre Dharma Mati-Zentrum Berlin

Das Rigpa-Zentrum in Berlin, genannt „Dharma Mati“, ist als Geschäftsstelle des Vereins das größte und wichtigste Zentrum von Rigpa in Deutschland. Dharma Mati lässt sich übersetzen mit „Herz der Weisheit“ oder „Weisheit der Lehren“ und betont damit den Stellenwert, den die Vermittlung buddhistischer Lehren und Werte in dieser Organisation hat. Das Zentrum wurde im Oktober 2007 im Westen Berlins in einem ehemaligen Offizierskino durch Sogyal Rinpoche eingeweiht und ist, wie der Rigpa-Verein im Allgemeinen, offen für sämtliche Schulen des Buddhismus sowie auch für Praktizierende, die etwa an Meditation, aber nicht weiter an der buddhistischen Lehre interessiert sind. In den zehn Jahren seines Bestehens hat das Dharma Mati-Zentrum ein breit gefächertes Programm ausgearbeitet und kann nun eine Vielfalt an Angeboten darbieten. Es ist ein Ort der Stille und vielfältiger Aktivität zugleich: Menschen können hier zur Ruhe kommen, aber auch das umfangreiche Angebot nutzen. Es finden Retreats und Seminare zu Themen wie Mitgefühl, Heilung, buddhistische Philosophie und Kultur statt, zu denen regelmäßig qualifizierte buddhistische Lehrer kommen. Mit der Lotus Lounge verfügt das Zentrum über ein Restaurant, in dem nicht nur vegetarisch gespeist werden kann, sondern wo auch Lesungen und ähnliche Veranstaltungen stattfinden. Des Weiteren ermöglicht die Dharma Mati-Bibliothek die Beschäftigung mit buddhistischer (Weisheits-)Literatur in verschiedener Form. Für auswärtige Gäste bietet sich das am Dharma Mati-Zentrum gelegene Gästehaus zum Übernachten und Verweilen an. Im Dharma Mati-Zentrum lebt dauerhaft eine Hausgemeinschaft bestehend aus Schülern Sogyal Rinpoches, die durch tägliche Gruppenpraxis, spirituelle Gemeinschaft, Studiengruppen u. v. m. miteinander verbunden sind. Das Herzstück des Dharma Mati-Zentrums Berlin stellt ohne Zweifel der große, ca. 400 Personen fassende Schreinraum dar, in dem sich ein Abbild der Buddhastatue aus Bodhgaya (Indien) befindet. Für Gruppen wie z. B. Schulklassen bietet es sich an, an Führungen teilzunehmen, bei denen das Dharma Mati-Zentrum näher in Augenschein genommen werden kann.

Sogyal Rinpoche als spiritueller Leiter war während seiner aktiven Zeit im Schnitt ein- bis zweimal pro Jahr in Berlin, um dort Retreats abzuhalten. Im Mai dieses Jahres war er anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Dharma Mati-Zentrums zuletzt in Berlin. Inzwischen ist er aufgrund von Anschuldigungen von verschiedenen Seiten in den Ruhestand getreten. Bezüglich der Vorwürfe gegen Sogyal Rinpoche und seines Rücktritts ist die Sangha (Gemeinschaft der Praktizierenden) in Berlin in einem offenen Austausch, bei dem jeder Einzelne von seinen Beobachtungen und Erfahrungen berichten kann. Auch in öffentlichen Programmen wird die aktuelle Situation thematisiert und so die Gesprächsbereitschaft der Verantwortlichen für das Thema signalisiert.

Ein Jahr Sukhavati in Bad Saarow

Anfang 2016 wurde in Bad Saarow am Scharmützelsee das Sukhavati als erstes buddhistisches Zentrum für „Spiritual Care“ in Deutschland eröffnet. Ziel des Zentrums ist es, die Lehren der buddhistischen Weisheitstradition in die Praxis umzusetzen. Dabei wird der Schwerpunkt vor allem darauf gelegt, Menschen in Krisensituationen einen Ort der Besinnung sowie spirituelle Begleitung zu bieten. Das tibetische Wort Sukhavati kann übersetzt werden mit „Ort des Wohlbefindens, des Glücks und der Zufriedenheit“ und unterstreicht damit die Bestimmung des nun einjährigen Zentrums: „… Menschen vor allem in Momenten größter Verwundbarkeit zu begleiten und helfend an ihrer Seite zu stehen: in Zeiten der Krise oder Krankheit, im Alter oder am Lebensende.“3 Spiritual Care stellt einen ganzheitlichen Ansatz dar, bei dem vor allem über die spirituelle Dimension von Leid betroffenen Menschen begegnet werden soll. Somit will das Sukhavati-Zentrum Menschen in Krisen, wie z. B. Burnout, Krankheit, Verlust oder Sterben, unterstützend zur Seite stehen. Außerdem werden in der Akademie Coachings, Trainings und Seminare angeboten zur Bewältigung von Leidenszeiten, aber auch zur Begleitung von Menschen in einer Krise. Für diesen Zweck können Hilfesuchende in Apartments Unterkunft finden und eine Zeit innerer Einkehr erleben und die Gemeinschaft Gleichgesinnter erfahren.

Am 5. Juli dieses Jahres hat das Katharina Sigel Sukhavati-Zentrum seinen ersten Geburtstag mit einem Sommerfest begangen.4


Katharina Sigel


Anmerkungen

  1. www.rigpa.de/lang-de/rigpa.html  (Abruf der angegebenen Internetseiten: 5.10.2017).
  2. Vgl. Friedmann Eißler, Missbrauchsvorwurf: Sogyal Rinpoche zieht offenbar Konsequenzen, in: MD 9/2017, 349-351; Katharina Sigel, Rigpa: Rücktritt von Sogyal Rinpoche, in: MD 10/2017, 388-389.
  3. www.sukhavati.eu/spenden .
  4. Weitere Informationen zu Rigpa unter www.rigpa.de ; www.rigpa.org ; www.rigpa-zentrum-berlin.de ; https://de-de.facebook.com/Dharma.Mati.Rigpa ; www.buddhismus-deutschland.de/pt_gruppe/rigpa-e-v ; www.sukhavati.eu/home