Georg Lämmlein (Hg.)

Die Kirche der Freiheit evangelisch gestalten. Michael Nüchterns Beiträge zur Praktischen Theologie

Georg Lämmlein (Hg.), Die Kirche der Freiheit evangelisch gestalten. Michael Nüchterns Beiträge zur Praktischen Theologie, Lit Verlag, Münster 2012, 148 Seiten, 19,90 Euro.

Das Buch würdigt das kirchliche, theologische und publizistische Wirken von Michael Nüchtern (1949-2010) und enthält zehn Beiträge eines akademischen Symposiums, das 2011 an der Universität Heidelberg stattfand (vgl. MD 2/2012, 52ff). Drei Themenfelder werden jeweils aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet: Kirche der Freiheit (17-40), Zusammenspiel – Liturgik, Theologie, Literatur (41-61), Kirche im gesellschaftlichen Diskurs (63-98). Es schließen sich jenseits dieser drei Schwerpunkte zwei weitere Beiträge an, die die Themen „Kirche am Ort, in der Region und als Landeskirche“ und „Evangelische Sozialethik und Präimplantationsdiagnostik“ behandeln (99-134).

Eingeleitet wird das Buch mit Überlegungen des Herausgebers Georg Lämmlein (7-15), der die verschiedenen Beiträge in ihrer inhaltlichen Bezogenheit skizziert und zu dem Ergebnis kommt, „dass Michael Nüchtern in seiner kontextuell verfassten Theologie der ‚Kirche bei Gelegenheit’ ein theologisches Modell gebildet und formuliert hat, das auch gegenwärtig noch eine tragfähige Basis für die Bearbeitung kirchlicher und theologischer wie gesellschaftlicher und ethischer Problemlagen bietet“ (15). Theologisches Denken werde in den vielfältigen, vor allem praktisch-theologisch ausgerichteten Impulsen Nüchterns „nicht in einen abstrakten, zeitlosen Raum ewiger Wahrheiten, sondern in den konkreten, geschichtlichen Raum menschlicher „Erfahrung“ gelegt, um so „die Spur des rettenden wie segnenden Handelns Gottes aufzuweisen und zur Sprache zu bringen“ (ebd.). Die letzten acht Seiten des Bandes (137-144) dokumentieren einzelne Texte des viel zu früh verstorbenen Michael Nüchtern, die im Rahmen des liturgischen Abschlusses des akademischen Symposions in der Heidelberger Peterskirche gelesen wurden.

Der bunte Strauß der Beiträge stellt das Wirken Michael Nüchterns in den Kontext gegenwärtiger praktisch-theologischer Diskurse zur Kirchenreform, zur Praxis und Theorie der Kasualien, zu den kirchlichen Handlungsfeldern Akademie- und Weltanschauungsarbeit, zu Fragen kirchenleitenden Handelns und zu umstrittenen sozialethischen Themen der Gesellschaft. Ulrich Fischer, der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, hat in seinem Beitrag treffend darauf hingewiesen, dass Michael Nüchtern, in Anlehnung an Schleiermacher, „kirchliches Interesse“ und „wissenschaftlichen Geist“ (25) miteinander verbunden hat und sich dabei „der Freiheit des Wortes Gottes“ verpflichtet sah wie auch dem Respekt vor „der Freiheit der Menschen“ (26).

Die Lektüre des Buches ist kurzweilig und lohnend. Sie hilft, in umstrittenen Gestaltungs- und Organisationsfragen der heutigen kirchlichen, gemeindlichen und gesellschaftlichen Situation Diskussionen zu versachlichen und falsche Alternativen zu überwinden. Im Diskurs des Gedenkens werden Gestaltungsperspektiven für eine Kirche von morgen formuliert.


Reinhard Hempelmann