Satanismus

Die Fraternitas Saturni zu Gast bei „My Pascale“

Seit 2005 veröffentlicht das Internet-Esoterikmagazin „My Pascale“, das unter anderem über Themen wie Wicca, Astrologie, Magie und Wellness berichtet (www.my-pascale.com), in unregelmäßigen Abständen Texte von und über die okkult-magische Loge Fraternitas Saturni (kurz FS). Neben dem Text Wege zur Magie eines Frater Anubis (Augustausgabe 2007) finden sich interessante Interviews auf der Homepage, in denen die sonst sehr öffentlichkeitsscheuen Mitglieder der FS über ihre Ziele, Vorstellungen und Motive Auskunft geben. Außer dem derzeitigen Großmeister der Loge, Frater Thot, kommen vier weibliche Anhänger der FS zu Wort, die sich zur Rolle der Frau innerhalb der Loge äußern.

Die Fraternitas Saturni wurde 1928 von dem Buchhändler Eugen Grosche gegründet und gilt als Ableger des zeitweise von Aleister Crowley geleiteten Ordo Templi Orientis (O.T.O.). Nach dem Tod Grosches gab es immer wieder Konflikte innerhalb der okkult-magischen Bruderschaft, die zu Abspaltungen und Neugründungen verschiedener weiterer Saturnslogen führten (z. B. dem Ordo Saturni). Weiterhin brachte ein Interview von 1974, das der Journalist Horst Knaut mit dem damaligen Großmeister der Fraternitas Saturni (Walter Jantschik alias Janada) führte, die Loge in Verbindung mit kriminellen und satanistischen Ritualhandlungen. Aufgrund der negativen Pressemeldungen verschwand die Fraternitas in der Folgezeit zusehends aus der Öffentlichkeit, und es gab streckenweise Gerüchte über die Auflösung der Gemeinschaft.

Durch die Medienpräsenz auf „My Pascale“ kann man sich nun jedoch wieder einen Eindruck von den aktuellen Entwicklungen innerhalb der FS verschaffen und sich über die gegenwärtige Zielsetzung der Bruderschaft informieren. Der aktuelle Leiter der Loge, Großmeister Thot, ist ein promovierter Physiker, der aufgrund des schlechten Rufs der FS anonym bleiben möchte. Als zentrales Ziel der Fraternitas Saturni nennt er die Befreiung des Individuums aus den Zwängen seines irdischen Daseins. So wird angenommen, dass der Mensch ein unfreies Wesen sei, das dauerhaft der Macht und dem Einfluss seiner Wirklichkeit unterliege. Mit Hilfe der Saturnmagie sollen die Einschränkungen der weltlichen Existenz abgeschüttelt werden, um dem Menschen seine Selbstbestimmung zurückzugeben. In dieser Vorstellungswelt spielt der Saturn eine zentrale Rolle. Er repräsentiert als äußerster Planet das Ende der Welt, das jeder, der die irdische Realität hinter sich lassen will, zuerst einmal erreichen muss. Außerdem wird Saturn zu einem gewissen Anteil mit Luzifer gleichgesetzt, der aber nicht als Gott angebetet, sondern nur als Synonym für den Trotz gegenüber den Gesetzen der Wirklichkeit angesehen wird.

Im Bezug auf die Gerüchte in der Presse, in denen immer wieder von Kindesmissbrauch, blutigen Ritualen, Sexualmagie und Satanismus die Rede ist, äußert sich Thot verärgert: „… nach allem was ich weiß, hat es auch vor meiner Amtszeit keine strafrechtlich relevanten Vorgänge in der Loge gegeben.“ Er sei empört darüber, dass es immer wieder diffamierende Artikel über die FS gäbe, in denen die Gemeinschaft ohne jeden Beweis in Verbindung mit Kapitalverbrechen gebracht werden würde. Durch die negative Presse hat die Vereinigung laut dem Großmeister nun auch das Problem, dass sich immer mehr fragwürdige Personen für die Loge interessieren. Deshalb müsse man nun von jedem Interessenten eine einjährige Probezeit und ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen. Als satanistisch sieht man sich trotz des hohen Stellenwerts Luzifers nicht, was Thot dadurch unterstreicht, dass sich auch praktizierende Katholiken unter den Mitgliedern der FS befänden.

Auf die Frage nach der Rolle der Frau in der FS antwortet Thot, dass es sich bei der Fraternitas Saturni trotz der Bezeichnung als Bruderschaft keinesfalls um einen reinen Männerbund handelt. Auch seien Frauen und Männer in der Loge absolut gleichberechtigt, und die Gründe für eine Mitgliedschaft seien geschlechterspezifisch identisch.

In einem weiteren Artikel von „My Pascale“ kommen vier weibliche Mitglieder der Loge zu Wort, die aus ihrer Sicht Auskunft über die FS geben. Das Alter der Befragten liegt zwischen Mitte dreißig und Anfang fünfzig. Ihre Namen werden nicht genannt, da auch sie sich wegen des negativen Rufs der Fraternitas Saturni nicht öffentlich zur Mitgliedschaft bekennen wollen. Bei keiner der Logenschwestern (Sorores) besteht der Eindruck, ein weibliches Mitglied würde sich hierarchisch von einem männlichen unterscheiden. Zwar gebe es natürliche Unterschiede zwischen den Zielen und Arbeitsweisen der Geschlechter, man fühle sich aber keinesfalls untergeordnet. Auf die Frage, wie sie ein typisches weibliches Mitglied der Fraternitas Saturni beschreiben würden, gibt Soror J. die Antwort: „Die typische FS-Soror ist … selbstbewusst, stellt ihre Meinung nicht hinter die Urteilskraft eines Bruders und ist durchaus bereit für Aufruhr zu sorgen, wenn sie den Eindruck hat (sic) dies würde ihr verwehrt werden.“

Durch die Präsenz auf „My Pascale“ scheint die Fraternitas Saturni eine Möglichkeit gefunden zu haben, ihre Organisation einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Die positiven Resonanzen der Leser zeigen darüber hinaus ein gewisses Interesse für die FS in der Öffentlichkeit. Auch scheint sich die Okkultloge ernsthaft von ihrem negativen Bild lösen zu wollen, wobei sie von „My Pascale“ unterstützt wird. So finden sich im Anschluss an das Interview mit Frater Thot verschiedene Einschätzungen von Religionsexperten, von denen niemand eine reale Gefahr für die Gesellschaft von Seiten der FS vermutet. Auch wenn derzeit wenig über das Innenleben der Gruppe bekannt ist, bleiben Anfragen bestehen. Aus christlicher Sicht muss die stark elitäre Ausrichtung der Loge kritisch betrachtet werden – ein Konzept, in dem der Mensch über Magie seine Erlösung faktisch selbst bewirken kann.


Konrad Boidol, Hannover