Esoterik

Der Marvi-Verlag

Ein extremes Beispiel für die Schnelllebigkeit der Esoterik-Szene ist der Hannoveraner Umzugsunternehmer und Verleger Martin Söffker, dessen Marvi-Verlag ( www.marvi-verlag.de ) den Markt mit Dutzenden Kleinzeitschriften überschwemmt, von denen die meisten in Ausstattung, Design und inhaltlicher Gleichförmigkeit Groschenromanen ähneln (aber nicht im Preis: 9,90 Euro für 130 kleinformatige graue Seiten). Sie ergänzen die zahlreichen Hochglanzmagazine, die eher die finanziell gesicherten und ästhetisch anspruchsvollen Gebildeten unter den Astrologie-Gläubigen ansprechen wollen. Derzeit hat der Verlag 28 Magazine im Angebot, die sich teils Gesundsheitsfragen (Homöopathie-Ratgeber, Natürlich gesund, BioLife, Deine Schüsslersalze), teils den Bereichen Esoterik und Spiritualität widmen (Astroversum, Engelbote, Engelhoroskop, Das Alte Wissen). Dem Unternehmer geht es dabei – daraus macht er keinen Hehl – anders als anderen Verlegern und Anbietern esoterischer Produkte nicht um die Propagierung einer eigenen Weltsicht, sondern allein um eine sehr erfolgreiche Geschäftsidee. Über die Leichtgläubigkeit der Kunden muss er lachen. Die Geschäftsidee besteht darin, dass jede neue Reihe solange erscheint, bis die Auflage sinkt; dann wird sie eingestellt und eine neue, ähnliche Reihe lanciert. Der Werbefaktor der Neuheit lockt die Kunden, oft dürften es dieselben sein.

So wurden zuletzt laut Webseite die Publikationen „GesundheitsExperte“, „Der Homöopathie-Ratgeber“ und „Zu Hause bleiben“ eingestellt. Sogleich begann im Juni 2018 als Neuheit „Gesund & Seele“ und bediente mit dem Themenheft „Zucker“ gleich den neuesten Aufreger des alternativen Ernährungs- und Gesundheitsmarktes: „Mehr als nur eine kleine Sünde. Wenn Zucker uns süchtig und krank macht“.

Im August erschien in einer Auflage von 30 000 Stück (Eigenangabe) das erste Heft einer Reihe mit dem Titel „Mystiker & Propheten“, das sich ausschließlich mit Hellsehern der Vergangenheit und ihren Zukunftsvisionen befasst. Hier geht es von Hildegard von Bingen über Nostradamus und den Mühlhiasl bis zu Alois Irlmaier im 20. Jahrhundert. Darin findet sich manche eigenwillige Wirklichkeitsdeutung. So erwartet der Nostradamusexperte Manfred Dimde beim Brexit 2019 rebellionsartige Unruhen und pflegt ein nachbarschaftliches Verhältnis zu den Sternen: „Das Ereignis trifft auch Deutschland. Die Ursache ist aber im Ausland zu suchen. Es ist der Mars, der sich im Widder befindet.“

Die lustschaudernden Unheilsansagen – positive Vorhersagen sind die Ausnahme – reichen von allgemeinen Ankündigungen – „Untergang von Kirche und Welt“ – bis zu ausführlichen politischen Zukunftsdeutungen, die Jahr für Jahr bis 2026 ausbuchstabiert werden.

Diese politischen Deutungen greifen vorhandene Gefahren und Sorgen auf und verstärken sie. Ein Dauerthema ist von Jahr zu Jahr der Migrantenstrom und die daraus resultierenden Probleme: „Die deutsche Justiz vermag die Bevölkerung nicht zu schützen, sondern ... setzt auf falsch verstandene Toleranz“ (2018). Als afrikanische Flüchtlinge Seuchen verbreiten, deren Krankheitsverlauf detailliert beschrieben wird, „melden sich natürlich Amnesty und die Grünen, die diese Gefahr nicht erkennen wollen und weiterhin für eine Aufnahme aller plädieren“ (2023). Klimaerwärmung, Attentate und marodierende Linksextremisten flankieren den drohenden Zusammenbruch des Euro (2020) und den Untergang der EU (2025). Woher der politische Wind weht und wo die Blattmacher die Sympathien ihrer Leser vermuten, zeigen auch die Erwartungen, dass 2019 ein Weltkrieg nur „durch die Besonnenheit der russischen Seite und die erstarkende Friedensbewegung“ vermieden wird, während 2026 die USA Deutschland „ideologisch angreifen ... und wieder in seiner Büßerrolle sehen wollen“.


Kai Funkschmidt