Film und Literatur

Der Kurzfilm „Judas & Jesus“ - Blasphemie mit staatlicher Förderung?

Beim 25. Internationalen Interfilm-Kurzfilmfestival im Herbst 2009 in Berlin wurde der Streifen „Judas & Jesus“ gezeigt. Der 15-Minuten-Animationsfilm präsentiert eine abwegige wie abstruse Deutung des Jüngers, der Jesus verraten hat. Aber auch andere biblische Figuren wie Jesus und Maria Magdalena werden nicht geschont. Im Werbetext zum Film heißt es: „War Judas Ischarioth wirklich ein heimtückischer Verräter? Oder war er eigentlich doch ganz in Ordnung? Und wer war die mysteriöse Maria Magdalena wirklich? Hatte Jesus Christus ein erfülltes Sexualleben oder lebte er enthaltsam? 2000 Jahre musste Judas schweigen. 2000 Jahre wurde nur Jesus Gehör geschenkt. 2000 Jahre sind genug! Jetzt packt Judas aus.“

Zentraler Inhalt des Films ist der ewige Kampf des Bösen gegen das Gute, verkörpert in den beiden Protagonisten Judas und Jesus, die jeweils in Tiergestalt zu sehen sind: Judas als aggressiver und sexbesessener schwarzer Stier, Jesus als ohnmächtiges weißes Schaf mit großen Augen, Hängeohren und Heiligenschein. Auf der Internetseite des Festivalbetreibers Interfilm, der den Film zum Kauf anbietet, wird „Judas & Jesus“ als „Komödie, Groteske, Satire“ präsentiert. Worum geht es in dem Streifen?

Der Animationsfilm beginnt mit einer eher noch als harmlos zu bezeichnenden Darstellung der Geburtsgeschichte Jesu „Anno Domini 0000“. Die drei Heiligen Könige sind als Ochsen und Esel zu sehen. Sie tragen Königskronen und Mäntel, die denen von Weihnachtsmännern ähneln. Die drei nähern sich einer Holzhütte, zu der sie der Stern geführt hat. An der Eingangstür befindet sich ein Schild: „Hier wohnt Familie Maria, Josef und Jesus Christus“. Die drei Könige klingeln und begeben sich ins Innere der Blockhütte, ohne es zu versäumen, der Aufforderung „Hax’n abkratz’n“ auf der Fußmatte Folge zu leisten. Sie überreichen dem hell erleuchteten Kind in der Krippe Geschenke, dazu einen geschmückten Weihnachtsbaum. Einer der drei setzt sich eine Weihnachtsmannmütze auf, woran sich das Jesuskind besonders erfreut.

Doch die Idylle trügt. Düstere Gestalten, bewaffnete Soldaten marschieren durch die Szenerie. Sie sind auf dem Weg zu einem dunklen Palast, über dem sich gerade ein schweres Gewitter entlädt. Ganz kurz wird ein Satanssymbol, der Baphomet, eingeblendet. Später wird es noch einmal kurz zu sehen sein. Das Pentagramm erinnert an das Emblem der real existierenden „Church of Satan“ Anton Szandor LaVeys. Im Inneren des Palastes, der einem Bordell gleicht, wird – in besonders geschmackloser Weise gezeichnet – Judas als schwarzer Satansbraten geboren.

Sieben Jahre später: Man sieht Judas eher unwillig auf dem Weg zur Schule. In seiner Klasse trifft er auf Jesus, der als Musterschüler präsentiert wird, und auf Maria Magdalena, in die er sich unsterblich verliebt. Die Mitschüler, die im Film in Gestalt von Schafen in Erscheinung treten, lassen sich von Judas provozieren. Ihr Hass richtet sich gegen Jesus, den sie kurzerhand in einer Art Kreuzigungsszene am Kartenständer aufhängen.

Der Film provoziert mit unappetitlichen Sexszenen, Obszönitäten und Geschmacklosigkeiten rund um die Person Maria Magdalenas, die in dem Kurzfilm als Domina eines Swingerclubs präsentiert wird und sich in der Abendmahlsszene nackt am Tisch räkelt. Sie markieren nicht zu unterbietende Tiefpunkte des Films. Sie gipfeln darin, dass Judas seinen Kontrahenten Jesus kurzerhand an die Soldaten verrät, um sich den Eintritt für „Maria Magdalenas Swingerclub“ in Höhe von 30 Euro leisten zu können. Jesus wird schließlich brutal gekreuzigt – inszeniert als Popkonzert („Jesus Loves You“), bei dem die Masse der Schafe begeistert aufjohlt.

Doch plötzlich schlägt ihr Hass um und richtet sich gegen Judas, der von ihr auf bestialische Weise gelyncht wird. Schließlich tritt eine zunächst tief mitfühlende Maria Magdalena hinzu, die sich in Wahrheit als teuflisches Wesen entpuppt, das aus den sterblichen Überresten des Judas einen mehrköpfigen feuerspeienden Drachen zum Leben erweckt. Er lässt kurzerhand alle Schafe in Flammen aufgehen. Sodann breitet er seine mächtigen Flügel aus und entschwindet mit einer auf seinem Rücken sitzenden Maria Magdalana in die vom Vollmond hell erleuchtete Nacht.

Das Strickmuster dieses Animationsfilms ist denkbar einfach: Es geht um grundlegende Religionskritik, die mit Pornografie, Blasphemie und einer gehörigen Portion Gewalt angereichert wird.

Nun ist es hierzulande ein Leichtes, mit gezeichneten Attacken auf biblische Figuren und gezielten Tabubrüchen von sich reden zu machen. Ein Beifall klatschendes Publikum wird sich immer finden lassen. Und die im Anschluss einsetzende Dramaturgie der öffentlichen Aufregung folgt meist dem gleichen Muster: Negative Schlagzeilen machen einen Film umso interessanter, die Autoren fühlen sich missverstanden, und religiöse Kritiker werden schnell der kulturellen Intoleranz oder des Fundamentalismus bezichtigt. Nicht auszudenken dagegen, wie die Reaktionen ausfallen würden, wenn sich ein Animationsfilm ähnlichen Kalibers dem Leben Mohammeds widmete!

Besonders irritierend ist der Abspann des Animationsfilms. Hier taucht – wie übrigens auch auf der DVD-Hülle – das Logo „Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien“ auf, zusätzlich auch das von „medienboard Berlin-Brandenburg“. Recherchen auf der Internetseite „www.medienboard.de“ ergeben, dass das letztgenannte Unternehmen „Judas & Jesus“ mit 20 000 Euro gefördert hat. Gelder dürften – wie die beiden Logos der Filmförderer belegen – auch vom Kulturbeauftragten der Bundesregierung geflossen sein. Die Deutsche Film- und Medienbewertungsstelle in Wiesbaden (FBW) hatte es indes 2009 abgelehnt, den Film überhaupt zur Bewertung zuzulassen. Offensichtlich waren inhaltliche Aspekte für diese Entscheidung maßgebend. Der Internetseite zufolge hat die Produktionsfirma des umstrittenen Films gegen die Entscheidung der FBW beim Verwaltungsgericht in Wiesbaden Klage eingereicht.

Mittlerweile ist „Judas & Jesus“ auf DVD zum „satanischen Preis“ von 6,66 Euro erhältlich – mit dem Vermerk der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK), dass der Film „ab 16 freigegeben“ sei. Im Internet kursiert der Streifen ebenfalls, hier jedoch ohne Altersbeschränkung.

„Judas & Jesus“ ist bereits der dritte Kurzfilm, den der Heidelberger Kurzfilmregisseur Olaf Encke (Jahrgang 1966) nach „Gack Gack“ (2002) und „King of Fools“ (2004) gedreht hat. Bei letzterem geht es um einen Frosch, der nicht geküsst wird und um die Gunst einer arroganten Gazelle buhlt. Auch dieser Film spart nicht mit blasphemischen Details: In der Schlussszene des 9-Minuten-Films setzt sich der Frosch eine Glasscherbe wie eine Dornenkrone aufs Haupt.

„Judas & Jesus“ lief mittlerweile bei mehreren internationalen und nationalen Kurzfilmwettbewerben. Im Frühjahr 2010 wird er bei verschiedenen Festivals im deutschsprachigen Raum zu sehen sein, selbst – wie es auf der einschlägigen Internetseite des Betreibers heißt – „im katholischen Bayern“. Der Animationsfilm „Judas & Jesus“ markiert eine neue, besonders geschmacklose Dimension auf der nach oben hin offenen Blasphemie-Skala.


Matthias Pöhlmann