Werner Thiede

Der gekreuzigte Sinn. Eine trinitarische Theodizee

Werner Thiede, Der gekreuzigte Sinn. Eine trinitarische Theodizee, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, 272 Seiten, 29,95 Euro.


Der Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und habilitierte Systematische Theologe Werner Thiede greift ein Thema auf, das viele Menschen existentiell bewegt und Gegenstand zahlreicher theologischer und philosophischer Erörterungen ist. Sein Buch befasst sich mit der Theodizee-Frage, also jener Grundfrage „nach dem Verhältnis von Gott als dem Inbegriff der Güte einerseits und der Unvollkommenheit des Weltganzen andererseits“ (11). Thiede setzt mit einer weit ausholenden Skizze der neuzeitlichen „Theodizee-Skepsis“ ein, die er in Bezugnahme auf Leibniz, Kant, Hegel und Nietzsche darstellt (Teil A, 13-92). Aus seiner Sicht ist die in der neueren Theologie „gepflegte Ratlosigkeit vor dem Theodizeeproblem“ (31) zu hinterfragen und zu überwinden. Zwar habe sich diejenige Theologie weitgehend durchgesetzt, die „auf die Theodizeefrage keine inhaltlich tröstende Antwort ... hat“ (32), demgegenüber sei es an der Zeit – so Thiede – dagegenzuhalten und eine trinitätstheologisch und christozentrisch orientierte Theodizee zu entwickeln.

Der Autor tut dies in drei Schritten. Im Kapitel über Schöpfungstheologie (Teil B. Die Selbstentäußerung des Vaters, 93-141) entfaltet er ein Verständnis von Allmacht Gottes, das den Aporien monistischer und dualistischer Konzepte entgeht. Gottes Allmacht und Liebe können zusammen bekannt und gedacht werden. „Das Bekenntnis zum Allmächtigen verträgt sich in trinitätstheologischer Perspektive mit der Wahrnehmung einer gottentfremdeten Schöpfung“ (141). Der zweite Schritt entfaltet die Christologie (Teil C. Die Selbstentäußerung Gottes des Sohnes, 143-196). Eine Theodizee kann für Thiede nur aus der Mitte christlichen Glaubens gelingen. Sie „muss kreuzestheologisch auf die Einsicht in die göttliche Selbstentäußerung setzen“ (143), wie sie im Leben, Sterben und Auferstehen des Sohnes mit endgültigem und universalem Anspruch zum Ausdruck kommt. Das pneumatologische Kapitel (Teil D. Die Selbstentäußerung des Geistes, 197-254) geht vor allem auf in der Christentumsgeschichte wirksame geistphilosophische Konzeptionen ein und begibt sich mit ihnen in kontroverse Diskussionen und Auseinandersetzungen. Thematisiert werden u. a. der Gnostizismus im frühen Christentum, die idealistischen Modelle Plotins und Hegels, der Geistmonismus der Theosophie, die evolutiv bestimmte Geistesschau Teilhard de Chardins. Thiedes Bemühen zielt nicht auf einen schlüssigen Gottesbeweis, wohl aber auf eine vernunftgemäße Apologie zentraler Anliegen des christlichen Glaubens. „Niemand vermag im Horizont dieser Weltzeit die Richtigkeit seines Theodizee-Modells letztgültig zu beweisen, niemand aber auch die Berechtigung einer Bestreitung der Legitimität von Theodizee-Versuchen“ (254). Die eschatologische Orientierung des christlichen Glaubens bedeutet nicht Sprachlosigkeit. „Die biblisch wiederholte Definition, Gott sei Liebe, ruft im Blick auf die schmerzensreiche Welt- und Lebensrealität nach einer überzeugenden Theodizee“ (254).

Der Autor hat ein mutiges Buch geschrieben. Es legt dar, mit welchen Argumenten der christliche Glaube den Infragestellungen Gottes angesichts der Theodizeefrage begegnet. Auch wenn man seinen Überlegungen nicht in jeder Hinsicht folgt und die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Theodizee in Frage stellt, ist sein Anliegen zu unterstreichen. Seine Gedankengänge zielen darauf ab, die Möglichkeit des Glauben-Könnens in der Anfechtung aufzuzeigen. Die Orientierungskraft des trinitarischen Gottesglaubens bewährt sich in Leiderfahrungen. Thiedes Buch ist zugleich Ausdruck eines weit ausholenden, ständigen Gesprächs mit Theologie, Philosophie und heutigen Weltanschauungen und kann als anspruchsvolle, klar gegliederte und von reformatorischer Theologie geprägte Einführung in die Grundlagen christlichen Glaubens gelesen werden, das Menschen von der Wahrheit dieses Glaubens unaufdringlich und mit Argumenten überzeugen möchte.


Reinhard Hempelmann