Esoterik

„Connection Spirit“ stellt sein Erscheinen ein

„Connection Spirit – Das Magazin fürs Wesentliche“, eine der ältesten und renommiertesten Publikationen des esoterischen Zeitschriftenmarkts; hat Ende 2015 im 31. Jahr sein Erscheinen eingestellt. Dies teilte der Gründer, Herausgeber und Hauptautor Wolf Schneider mit. Connection Spirit wollte eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit moderner, global inspirierter Spiritualität („transspirituell“) und Mystik jenseits der Trivialisierungen und Vereinfachungen der Mainstream-Esoterik bieten. Die Zeitschrift war zum Schluss auf über 80 Seiten im Hochglanzformat erschienen und wurde seit einigen Jahren von den zwei thematischen Sonderreihen „Connection Tantra. Liebe – Eros – Weisheit“ und „Connection Schamanismus. Natur – Weisheit – Heilen“ flankiert, die ebenfalls eingestellt werden.

Herausgeber Wolf Schneider sieht sich als Unternehmer „gescheitert in einem System, in dem der Wurm dem Fisch schmecken muss“ (Connection Spirit 11-12/2015, 50), was eine gewisse Unzufriedenheit mit dem mangelhaften Geschmack heutiger Fische ausdrückt. Dahinter steckt auch ein elitärer Anspruch, der seit der Gründungszeit bestand (damals noch als „Magazin für den intelligenten Erwachsenen“ firmierend). Bis zuletzt verstand man sich als tiefschürfender denn die große Masse der Konkurrenz.

Connection Spirit war 1985 von einem Team von Bhagwan-Anhängern (Bhagwan Shree Rajneesh, ab 1989 Osho) gegründet worden, von denen bald nur noch Wolf Schneider als Herausgeber und Hauptautor übrig blieb. Bis Ende der 1980er Jahre gehörte die Zeitschrift thematisch zur Sannyasin-Szene, doch mit Oshos Tod 1990 öffnete man sich für den schnell wachsenden Strom unterschiedlicher esoterisch-spiritueller Wege im Dienste einer „aufgeklärten, transpersonalen und transkulturellen Mystik“, die als „Vorreiter einer neuen Lebenskunst, die Spiritualität, Ökologie, Religion sowie eine sinnliche, diesseitige Lebenslust miteinander verbindet“. Mit den meisten Vertretern der Esoterik teilte Connection Spirit die Überzeugung, eine über allen vorfindlichen Religionen stehende, das Konkrete in globaler Perspektive synthetisierende allgemeine Wahrheit hinter den Wahrheiten gefunden zu haben. Den real existierenden Religionen und Kulturen der Welt wusste man sich an Tiefe der Einsicht weit überlegen. „Vermutlich werden die jetzt noch separaten Religionen und Konfessionen allmählich zu Sekten innerhalb des globalen religiösen Mainstreams degradiert werden … Aus Gründen der Profilierung, der Folklore und des Tourismus wird die ‚Biodiversität‘ auch im religiösen Bereich wohl noch lange aufrechterhalten bleiben“ (Connection Spirit 4/2009).

Wolf Schneider (Jg. 1952) hatte eine typische Biografie jener Flügel der frühen New-Age-Bewegung hinter sich, die alles etwas ernsthafter und verbindlicher angingen. Er gab in den frühen 1970er Jahren nach einigen Jahren sein Studium der Philosophie und Naturwissenschaften in München (bei Carl Friedrich von Weizsäcker) auf, um jahrelang durch Asien zu reisen und in einem buddhistischen Kloster und im Bhagwan-Ashram in Indien zu leben. Nach der Rückkehr nach Europa folgten Phasen kommunitären Lebens in unterschiedlichen Projekten und Ashrams, bevor er sich in Taufkirchen niederließ und mit Connection Spirit seine Lebensaufgabe fand (er selbst vergleicht diese Anfangsphase mit der Darstellung einer Sannyasin-Kommune in einem bayerischen Dorf in dem Film „Der Sommer in Orange“). Die Inspirationen seiner Asienzeit, Buddha und Osho, älteste Weltreligion und moderner Guru blieben über die Jahre hinweg die Inspirationsquellen der Zeitschrift und seines Lebens.

Obwohl in den Jahrzehnten nach der Gründung die Esoterik zum gesellschaftlichen Großtrend anschwoll, blieb Connection Spirit selbst im Boom der 1990er Jahre, als man die höchsten Auflagen erreichte, immer ein Zuschussunternehmen. Anfangs investierte man geliehenes Geld großzügig im Vertrauen auf das „Resonanzprinzip“, dem zufolge gute Dinge in ähnlicher Weise zu einem zurückkommen. Nachdem das in die Privatinsolvenz führte, hält der geläuterte Herausgeber heute das „Resonanzprinzip für den größten Unsinn, den die Eso-Szene zu bieten hat“ (Connection Spirit 11-12/2015, 53).

Erst in den letzten Jahren war es mit Mühe gelungen, kostendeckend zu werden, man stand aber immer unter einer großen Schuldenlast aus vergangenen Jahrzehnten. Selbst bekannte Marken des Esoterikmarktes sind keineswegs zwangsläufig auch eine Goldgrube. In 31 Jahren erreichten die 400 Ausgaben der Zeitschrift eine Gesamtauflage von einer Million. Am Ende betrug die verkaufte Auflage 3000 bis 4000 Exemplare inkl. 2000 Abonnenten. Connection Spirit zählte damit zu den kleinsten Zeitschriften dieses Segments (zum Vergleich: „Körper Geist Seele“ [Berlin] und „Happinez“ [Bauer Verlag, Hamburg] erreichen Auflagen von 20 000 bzw. 135 000). Entsprechend dem wissenschaftlich-theoretischen Stil des Magazins war seine Leserschaft branchenuntypisch zu 50 Prozent männlich. In der Esoterik geht man ansonsten von einem Frauenanteil von ca. 70 Prozent aus, Magazine wie „Happinez“ erreichen sogar zu 97 Prozent Leserinnen.

In den letzten Jahren verstärkte die vor allem an mystischer und introspektiver Innerlichkeit orientierte Zeitschrift zunehmend den „Außenweltbezug“ (Schneider) in Richtung einer „integralen Spiritualität“ im Sinne Ken Wilbers. Konkret hieß das, sie wurde explizit gesellschaftskritischer und politischer (im grünen und linken Spektrum) und kooperierte mit Stars wie Konstantin Wecker. Zählbaren Erfolg brachte das nicht.

Der Überlegenheitsanspruch gegenüber der „Eso-Szene“ zeigte sich aus der Außenperspektive zuerst nicht thematisch, sondern darin, dass die Beiträge sprachlich anspruchsvoller, theoretischer, länger und schwerer verständlich waren als in den Konkurrenzblättern mit Massenauflage. Der Anspruch, Vertreterin einer „aufgeklärten“ Mystik zu sein, wurde bisweilen auch für esoterikkritische, der aufgeklärten Vernunft verpflichtete Außenbeobachter nachvollziehbar, wenn metaphysische Theoriegebäude hinter esoterischen Trends demontiert wurden. Ein Lesernachruf in der letzten Ausgabe lobte: Connection Spirit war „kein Sektenblatt, keine Huldigung an übernatürliche Kräfte, sondern ein der Aufklärung in der Nach-APO-Zeit gewidmetes Blatt“ (11-12/2015, 44).

Im Jahr 2008 veröffentlichte Schneider das „Kleine Lexikon esoterischer Irrtümer“ (Gütersloh 2008). Darin behauptete er zum Beispiel, alle Wirkungen von Reiki seien mit dem Placebo-Effekt hinreichend erklärbar. Daher seien metaphysische Behauptungen, die Reiki mit dem Wirken einer die Welt durchflutenden Energiekraft erklärten, hinfällig. Das Werk wurde in der Szene schockiert zur Kenntnis genommen, der Reiki-Meister Oliver Klatt fand sogar, es hätte aus der Feder eines „Sektenbeauftragten“ kommen können, und lieferte sich öffentliche Streitgespräche mit dem Autor. Die Betreiberin eines esoterischen Buchladens warf ihm vor: „Wenn meine Kunden das lesen, dann kaufen sie ja all die anderen Produkte nicht mehr, die ich hier im Laden habe.“

Schneider tat als Herausgeber und Autor viel, um seiner Rolle als Enfant terrible und Provokateur der Szene gerecht zu werden, mokierte sich oft und nicht selten ätzend über den „Eso-Kitsch“ und die „Seicht-Spiritualität“ der „Spiris“, die doch eigentlich sein größtes Kundenpotenzial darstellten, das aber von der Konkurrenz der „Wohlfühl- und Tröstemagazine“ bedient werde. Denn die „Spiritualität der Massen wird eher seicht bleiben (‚Volksfrömmigkeit‘)“. Vom Vorwurf mangelnder spiritueller Reife ging er gelegentlich auch zu stärkerem Tobak über: „Bleibt [die Spiritualität der Massen] allzu leichtgläubig, wird sie weiterhin nicht immun sein gegen Faschismus, Lynchjustiz oder Pogrome“ (Connection Spirit 4/2009). Nebenher trat er seit einigen Jahren mit einem Kabarettprogramm auf, das den esoterischen Mainstream aufs Korn nahm.

Die Fangemeinde goutierte dieses „kleine Dorf in Gallien, das gegen den Mainstream schwamm“ (Connection Spirit 11-12/2015, 49). Doch die Mehrheit der (im doppelten Sinne) Zielgruppe war nicht einverstanden, wenn Schneider zu seinem spöttischen Kabarettstil erklärte: „Weisheit ist Humor.“ Seine beiden Bücher über „Spiritualität und Humor“ waren denn auch, erklärt er, seine „größten unternehmerischen Flops“.

Schneider glaubt nicht, dass das Ende der Zeitschrift mit einem „Abflauen der Estoterikwelle“ zu tun habe, wie der Herausgeber des Schweizer Esoterikblatts „Spuren – Das Leben neu entdecken“ in seinem Nachruf mutmaßte (Martin Frischknecht in Connection Spirit 11-12./2015, 46). Tatsächlich ist die Esoterikwelle wohl weniger abgeflaut, als vielmehr im Mainstream – und zwar nicht nur in esoterischen Lifestyle-Magazinen wie „Happinez“, sondern auch in Medien, Universitäten, Medizin und Behörden – angekommen und dort zu einer geringeren Sichtbarkeit diffundiert. Sicher hat zum Misserfolg des Magazins neben dem kompromisslosen Herangehen des Herausgebers auch die allgemeine Krise des Zeitschriftenmarktes beigetragen.

Schneider betätigt sich weiter als Kabarettist und leitet Seminare zu Spiritualität und Humor. Das gewachsene gesellschaftlich-politische Engagement drückt sich zurzeit darin aus, dass er im ehemaligen Verlagshaus heute ein neues kommunitäres Leben führt: Es wurden dort auf seine Anregung hin Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien einquartiert, mit denen er nun zusammenlebt. Er berichtet darüber regelmäßig in seinem Blog (connection.de). Dabei wird bisweilen auch die praktische Umsetzung seiner eigenen über-religiösen mystischen Perspektive sichtbar: Einmal rezitiert er das muslimische Glaubensbekenntnis – „Ich mag diese arabischen Laute und spreche sie auch gerne mit religiöser Inbrunst aus“ –, was oben bei den sunnitischen Afghanen Bewunderung ob seiner Gelehrsamkeit und einen Stock tiefer bei den syrischen Alawiten erst einen „Schrecken, dass ich vielleicht doch ein Moslem sein könnte“, dann aber Gelächter auslöst (http://connection.de/angst-vor-fanatikern, auch die folgenden Zitate). Und als ein sehr frommer und etwas furchteinflößender sunnitischer Afghane einzieht, der binnen Kurzem die anderen, zuvor eher entspannten Sunniten des Hauses ebenfalls zum regelmäßigen Gebet bewegt, erklärt sich Schneider mit den afghanischen Schiiten und syrischen Alawiten, die von dieser „forschen Religiosität“ eingeschüchtert sind, kurzerhand zu einer „Umma der Ungläubigen“. Zumindest einer von ihnen findet sich darin wieder: „Nun wiederholt Ali das immer wieder: ‚Wir sind alle Kafir‘ – und strahlt dabei.“


Kai Funkschmidt